Kollaborationen
Illustration: Smaranda Tolosano für GIJN
von Will Fitzgibbon and Marina Walker Guevara
Zunehmend gibt es Kooperationen im investigativen Journalismus, bei denen mindestens zwei Nachrichtenorganisationen in demselben oder in verschiedenen Ländern zusammen an derselben oder einer ähnlichen Recherche arbeiten.
Die Vorteile einer Zusammenarbeit können enorm sein: größere Sichtbarkeit für eine Geschichte, größeres Wirkungspotenzial und in einigen Fällen besserer Schutz für Journalist*innen, die unter schwierigen Bedingungen arbeiten.
Doch jede Zusammenarbeit ist anders. Zwei Redaktionen in derselben Stadt, die gemeinsam an einer investigativen Geschichte arbeiten, benötigen möglicherweise andere Werkzeuge und einen anderen Plan als ein einjähriges Gemeinschaftsprojekt, an dem 100 Journalist*innen in 20 Ländern beteiligt sind und das Zeitzonen, Sprachen und unterschiedliche Auffassungen von Berufsethik und -praktiken umfasst.
Eine genaue Planung, bei der klar festgelegt wird, wer Schlüsselrollen übernimmt, und bei der die Zusammenarbeit mit Partner*innen transparent und fair gestaltet wird, ist unabhängig von der Größe oder Art der Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung.
Dieses Kapitel bietet Ratschläge und Fallstudien zu Kooperationen im investigativen Journalismus.
Fragt euch, warum ihr zusammenarbeiten möchtet. Wählt dann eure Partner*innen sorgfältig aus.
Seid gut vorbereitet und stellt sicher, dass die Zusammenarbeit einen Mehrwert für die Recherche bringt. Widersteht ihr der Versuchung, nur deshalb zusammenzuarbeiten, weil es gerade im Trend liegt. Manche Geschichten lassen sich, das geben wir zu, besser allein schreiben.
Erstellt eine Liste mit den Vor- und Nachteilen einer Zusammenarbeit. Kann euer potenzieller Partner an Dokumente gelangen oder fremdsprachige Interviews führen, die euch nicht möglich sind? Verfügt der Partner über Daten oder Fachkenntnisse, die eure ergänzen und für die Recherche von entscheidender Bedeutung sind? Ist die Geschichte zu gefährlich – oder zu komplex –, als dass ihr sie allein weiterverfolgen und veröffentlichen könnt?
Eine der wichtigsten Entscheidungen, die ihr im Rahmen eurer Zusammenarbeit treffen werdet, ist die Auswahl der Personen, die ihr in das Team einladet. Bei der Auswahl einzelner Partner*innen sollten ihr die Person in ihrer Gesamtheit betrachten und nicht nur die veröffentlichten Leistungen oder die Fähigkeiten des*der Journalist*in als Reporter*in. Fragt vertrauenswürdige Kolleg*innen, welche Erfahrungen sie bei der Zusammenarbeit mit der Person gemacht haben, die ihr engagieren möchten. Ist diese*r Journalist*in ein Teamplayer? Kann er*sie in einer Gruppe mit vielen verschiedenen Menschen gut kommunizieren? Wie reagiert er*sie in Stresssituationen? Wie geht er*sie mit Kolleg*innen aus kleineren Redaktionen um? Wenn nicht nur eine Einzelperson, sondern ein Team einer Nachrichtenorganisation an der Zusammenarbeit beteiligt ist, wendet dieselben Maßstäbe auf die*den für das Team verantwortlichen Journalist*in an.
Wenn ihr zu einer Zusammenarbeit eingeladen werdet, achtet auf Warnsignale. Lädt die Organisation euch zur vollständigen Zusammenarbeit ein, sucht aber lediglich jemanden, der Dokumente abholt, Interviews organisiert oder andere solche Aufgaben übernimmt? Oder ist das Medium bereit, Informationen, Erfahrungen und Berichterstattungsmaterial zu teilen? Laden sie euch ein, um die Publikation aufzuhübschen, also werdet ihr nicht gebeten, euch als substanzieller Partner anzuschließen, sondern lediglich gefragt, um die Zusammenarbeit größer, besser, globaler usw. erscheinen zu lassen?
Denkt daran: Es ist nie wert, mit Idiot*innen zusammenzuarbeiten. Dafür ist das Leben zu kurz.
Entscheidet, wie ihr kommuniziert und Informationen teilen wollt
Eine Zusammenarbeit erfordert oft Tools oder Plattformen für mindestens drei Zwecke: Kommunikation, gemeinsame Nutzung von Dokumenten und Projektmanagement.
Achtet auf mögliche Ressourcenunterschiede zwischen den Partner*innen. Eure Organisation verfügt möglicherweise über zuverlässiges WLAN, Strom und professionelle Factchecker. Die Redaktion eures Partners jedoch möglicherweise nicht. Einige der besten investigativen Reporter*innen haben keinen regelmäßigen Zugang zu Computern oder zum Internet.
Kommunikation
Wir finden, jede*e Reporter*in sollte Signal verwenden. Das ist eine kostenlose App, die euch dabei helfen kann, sicher mit Partner*innen zu kommunizieren. Dort könnt ihr dem gesamten Team in einer Chat-Gruppe über den aktuellen Stand der Berichterstattung berichten („Ich habe gerade mein Interview mit Frau X beendet“) oder die Logistik besprechen („Ich habe einen Arzttermin und kann nicht an der morgendlichen Besprechung teilnehmen. Können wir einen neuen Termin vereinbaren?“).
Wir empfehlen Signal jedoch nicht für große Gruppen von Reporter*innen, Redakteur*inneen und anderen Teammitgliedern, die nur am Rande beteiligt sind. Niemand möchte ständig durch Nachrichten unterbrochen werden. Wenn euer Projekt größer ist und regelmäßige Nachrichten beinhaltet, solltet ihr ein Projektmanagement-Tool in Betracht ziehen (siehe unten).
Wenn es sich um besonders sensible Kommunikation handelt, sollten ihr die Verwendung verschlüsselter E-Mails in Betracht ziehen. Mailvelope ist ein kostenloses Programm, das sich problemlos zu eurem bestehenden Gmail-Konto hinzufügen lässt. Wenn ihr über die entsprechenden Ressourcen verfügt, könnt ihr auch kostenpflichtige Optionen in Betracht ziehen, darunter GPG Suite.
Für komplexere Diskussionen oder wenn ihr als Gruppe kommunizieren müsst, solltet ihr kostenlose oder kostenpflichtige Optionen für Live-Meetings in Betracht ziehen. Google Meet kann ebenso gut wie Zoom sein. Wenn Sicherheit ein wichtiger Faktor ist, solltet ihr euch GoToMeeting oder Jitsi ansehen, die sicherer sind.
Entscheidet, wie oft ihr Meetings braucht und welchem Zweck sie dienen. Wir haben es immer als hilfreich empfunden, durch regelmäßige (wöchentliche, zweiwöchentliche) Anrufe ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen und die Teammitglieder auf dem Laufenden zu halten. Wenn ihr einen Anruf organisiert, liegt es in eurer Verantwortung, die Tagesordnung vorzubereiten und das Meeting effizient zu leiten. Ein schlecht organisiertes Meeting kann das Teamgefühl kaputt machen.
Teilen von Dokumenten und anderen Informationen
Wenn die Daten (Dokumente, Interviewtranskripte usw.), die ihr im Rahmen eurer Zusammenarbeit verwendet, nicht hochsensibel sind, solltet ihr Google Drive zur Organisation eurer Arbeit in Betracht ziehen. Ihr könnt Ordner auf der Grundlage der Dokumente erstellen („Transkripte“, „Fotos“, „Dokumente zur Veröffentlichung“, „Entwürfe für Geschichten“, „Endgültige, auf Fakten überprüfte Geschichten“) und diese Ordner für alle Mitglieder der Zusammenarbeit freigeben oder die Freigabe auf diejenigen beschränken, die Zugriff benötigen.
Sicherheitshinweis: Manchmal kann eine Information in einem Land als sensibel gelten, in einem anderen jedoch nicht. Ein Journalist in Land A könnte verhaftet werden, weil er ein Dokument über den Präsidenten des Landes besitzt, aber eine Reporterin in Land B könnte dasselbe Dokument ohne Risiko bekommen.
Wenn ihr fortgeschrittenere Technologie benötigt, solltet ihr kostenpflichtige Tools wie den Remote-Workspace Confluence, den Dokumenten- und Ressourcenmanager Document Cloud und die App-Entwicklungsplattform Airtable in Betracht ziehen.
Solche Tools können es erforderlich machen, dass Reporter*innen und Redakteur*innen Zeit damit verbringen, sich mit ihrer Bedienung vertraut zu machen. Je nach Komplexität ihrer Recherche, ihrer Daten und der Erfahrung aller Beteiligten können solche Tools eine großartige Idee sein – oder die Zeit und Mühe nicht wert.
Aleph, eine Open-Source-Plattform, die vom Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) verwaltet wird, kann bei der Speicherung und Analyse von Dokumenten helfen. Datashare, das vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) entwickelt wurde, ermöglicht es euch, Dokumente lokal (auf Ihrem PC), offline und über Server zu speichern und zu analysieren.
Viele der oben beschriebenen Kommunikations- und Dokumentenverwaltungsplattformen helfen bei der allgemeinen Verwaltung der Zusammenarbeit.
Abb. 23: Aleph, eine von der OCCRP entwickelte Open-Source-Plattform, kann bei der Speicherung und Analyse von Dokumenten helfen und Reportern durch den Zugriff auf Archive von Datenbanken und Forschungsmaterial dabei helfen, „dem Geld zu folgen“. Bild: Screenshot, OCCRP
Entscheidet, was ihr teilen wollt – und was nicht
Einige erfolgreiche Kooperationen sind fast an Missverständnissen oder sogar Ärger darüber gescheitert, was von den Partner*innen erwartet wird zu teilen.
Manchmal ist ein*e Reporterin bereit, alles zu teilen, einschließlich Interviewtranskripte, vertrauliche Dokumente, Fotos und unvollständige Entwürfe. Andere Reporter*innen fühlen sich möglicherweise nicht wohl dabei, die gleichen Informationen zu teilen, oder haben Gründe, warum sie dies nicht können. (Zum Beispiel erlauben einige Fotograf*innen nur ihrem direkten Arbeitgeber, ihre Fotos zu veröffentlichen.)
Einige Regeln sind unverrückbar. Andere können verhandelbar sein. Wir haben erlebt, dass Redaktionen und Journalist*innen nach einer Erklärung des*der Projektkoordinator*in, warum die Weitergabe von Informationen für alle von Vorteil ist, von „Das können wir nicht tun“ zu „Das machen wir gerne“ wechselten.
Klärt alle wichtigen Regeln – ob flexibel oder nicht – so schnell wie möglich mit den Partner*innen (siehe Beispiel für eine Kooperationsvereinbarung unten).
Je großzügiger und offener ihr euch in einer Zusammenarbeit zeigen, desto mehr werden sich andere Partner*innen euch öffnen und eure Recherchen unterstützen. Ihr baut euch damit auch einen guten Ruf für zukünftige Projekte auf.
Entscheidet, wer die Kooperation leitet und wer was tut
Unabhängig von der Größe der Zusammenarbeit empfehlen wir, eine Person zu ernennen, die für die Leitung verantwortlich ist. Diese Person ist auch für die Lösung von Konflikten von entscheidender Bedeutung (siehe unten).
Diese Person kann ein*e Redakteur*in oder jemand sein, der*die bereits eine Managementfunktion innehat, oder in anderen Fällen eine*r der leitenden Reporter*innen des Projekts. Unabhängig davon, wer diese Person ist: Es muss klar sein, dass die verantwortliche Person versteht, dass die Rolle oft wenig glamouröse Aufgaben umfasst, darunter die Organisation von Besprechungen, die Festlegung von Tagesordnungen, die Suche nach inaktiven Partnern, die Beantragung von Finanzmitteln und schwierige Gespräche über Fristen und mögliche rechtliche Angelegenheiten.
Je nach Umfang der Zusammenarbeit und den erforderlichen Fähigkeiten und Sprachkenntnissen können an eurem Projekt auch regionale oder Story-Manager beteiligt sein. Das ICIJ beispielsweise setzte Partnerschaftskoordinatoren in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa ein, um Journalist*innen in diesen Regionen mit besonderen Voraussetzungen zu unterstützen.
Projektkoordinator*in spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg gemeinsamer Recherchen. Sie brauchen eine gewisse emotionale Intelligenz und organisatorische Fähigkeiten, ein gründliches Verständnis des Recherchematerials und die Fähigkeit, über Kulturen hinweg gut zu kommunizieren. Seid freundlich und entgegenkommend zu euren Projektkoordinator*in n – sie haben einen schwierigen Job.
Unserer Erfahrung nach ist es besser, mehr als eine Person bei jeder Partner-Nachrichtenorganisation in die Planung, Berichterstattung und Redaktion einzubeziehen. Wir kennen Situationen, in denen ein*e Reporter*in sich bereit erklärt hat, an einem Projekt teilzunehmen, dies aber nie einem*r Redakteur*in mitgeteilt hat. Als die Redakteurin im Nachhinein von der Zusammenarbeit erfuhr, war sie verärgert und zog den Reporter aus dem Projekt ab. Stellt sicher, dass ihr die Unterstützung und Zustimmung eurer Redaktion habt, bevor ihr einer Zusammenarbeit zustimmt.
Abb. 24: Eine Auswahl aktueller GIJN-Berichterstattung über investigative Kooperationen und Innovationen bei grenzüberschreitenden Projekten. Bild: Screenshot, GIJN
Wählt ein Veröffentlichungsdatum
Bei vielen erfolgreichen Recherchen in jüngster Zeit haben sich die Partner*innen darauf geeinigt, ihre erste Geschichte gleichzeitig zu veröffentlichen. Durch eine solche Koordination kann ein viel größeres Publikum erreicht werden.
Seid transparent, was eure Wünsche für ein gemeinsames Veröffentlichungsdatum betrifft, aber seid auch bereit, euch anzupassen. Besonders wenn ihr mit Partner*innen in einem anderen Land zusammenarbeiten, solltet ihr euch möglicher Hindernisse bewusst sein. Vielleicht gibt es an dem von euch vorgeschlagenen Tag eine Kommunalwahl oder einen religiösen Feiertag, was es dem Partner erschweren würde, den Termin einzuhalten.
Wenn die Zusammenarbeit mehrere Geschichten umfasst, besprecht dies mit euren Partner*innen. Gibt es neben der ersten Geschichte noch andere Geschichten, Videos oder Inhalte, die in Abstimmung veröffentlicht werden sollten? Oder können die Partner-Redaktionen nach dem offiziellen Start des Projekts in ihrem eigenen Tempo veröffentlichen? Wie immer solltet ihr diese Gespräche frühzeitig führen, damit niemand überrascht wird.
Natürlich gibt es auch erfolgreiche Kooperationen, in denen flexibel publiziert wird. Wir haben es immer als nützlich empfunden, einen gemeinsamen „Go!“-Termin zu haben, aber unabhängig von eurer Entscheidung solltet ihr von Anfang an mit euren Partner*innen darüber kommunizieren und euch mit ihnen abstimmen, wann und in welchem Rhythmus ihr veröffentlichen möchtet, sowohl einzeln als auch als Kollektiv.
Abb. 25: Mitglieder des „Pulitzer Center Ocean Reporting Network“ im Hafen von Barcelona. Das Team traf sich im April 2024, um über ihre Berichterstattung zu diskutieren und an der Konferenz „Ocean Decade 2024“ teilzunehmen. Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Pulitzer Center
Besprecht finanzielle und rechtliche Angelegenheiten
Kaum etwas kann mehr Probleme verursachen als Streitigkeiten über Geld und Recht.
Stellt sicher, dass ihr zu Beginn eurer Zusammenarbeit die Erwartungen festlegt. Wenn sowohl gut ausgestattete als auch unterfinanzierte Redaktionen an eurer Kooperation beteiligt sind, gibt es dann die Erwartung, dass die ersteren die letzteren für Reisekosten, Fotokopien, das Abrufen von Dokumenten oder sogar für ihre Zeit bezahlen?
Wer verfasst und sendet Anfragen für Stellungnahmen? Senden alle Partner*innen die gleichen Anfragen für Stellungnahmen oder senden einige – oder alle –ihre eigenen? Und wie werden die Antworten auf diese Briefe weitergegeben?
Denkt daran, dass es in solchen Angelegenheiten große kulturelle Unterschiede gibt; Journalist*innen in einigen Ländern müssen detaillierte Fragen Wochen vor der Veröffentlichung senden; Journalist*innen in anderen Ländern können legitime Sicherheitsgründe haben, die Bitte um Stellungnahme zu verzögern. Besprecht das „Wer, Wann, Wie und Warum“ als Gruppe.
Wenn Partner*innen Anwält*innen haben, die Recherchen vor der Veröffentlichung überprüfen, sollten dann Anwält*innen einer Redaktion mit Anwält*innen einer Partner-Redaktion sprechen, um sicherzustellen, dass sie auf derselben Wellenlänge sind?
Schreibt auf, wie ihr zusammenarbeitet
Sobald ihr die grundlegenden Regeln (wie die oben genannten) besprochen haben, solltet ihr die Richtlinien schriftlich festhalten.
In ihrer einfachsten Form ist eine „Kooperationsvereinbarung“ eine Liste von Dingen, zu denen sich alle Partner*innen bereit erklären (kommunizieren, Berichte teilen, Vertraulichkeit respektieren usw.) und zu denen sie sich nicht bereit erklären (vor allen anderen veröffentlichen usw.). Höchstwahrscheinlich wird sie nicht als rechtsverbindliche Vereinbarung verfasst, obwohl einige größere Redaktionen mit Anwält*innen dies möglicherweise bevorzugen. Wir empfehlen, die Vereinbarung einfach und freundlich zu halten. Eine Zusammenarbeit sollte ein positives Unterfangen sein, keine Bedrohung.
Hier ist ein Beispiel für eine grundlegende Vereinbarung:
ZUSAMMENARBEITSVEREINBARUNG
„Diese Vereinbarung zwischen A, B und C (die „Partner“) tritt am [DATUM DER VEREINBARUNG EINFÜGEN] in Kraft. Die Vereinbarung dient der Zusammenarbeit an einer Recherche über [KURZE BESCHREIBUNG DER RECHERCHE EINFÜGEN]
Dieses Dokument soll sicherstellen, dass die Partner sich bereit erklären, Berichte und andere Inhalte (Videos, Bilder) zu teilen, sich gegenseitig in allen veröffentlichten Arbeiten angemessen zu würdigen und vereinbarte Veröffentlichungsfristen einzuhalten.
Die Partner erklären sich mit Folgendem einverstanden:
- Gute und häufige Kommunikation, um die Teams über alle wichtigen Erkenntnisse und Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.
- Austausch relevanter Informationen, Daten, Videos, Fotos, Analysen, Interviewtranskripte und, wenn möglich, Kontakte.
- Vertraulichkeit wahren. Die Partner geben keine Berichte, Daten oder andere Informationen weiter, die von anderen für dieses Projekt erhalten oder erstellt wurden, ohne die Zustimmung derjenigen, die sie erhalten haben.
- Andere Partner in jeder Veröffentlichung vollständig und deutlich nennen. [Wir empfehlen, sich auf die bevorzugte Sprache für die Beschreibung der Zusammenarbeit in den Berichten zu einigen.]
- Wenn Partner separate Berichte veröffentlichen, behält jeder Partner die volle redaktionelle Unabhängigkeit und bleibt für die von ihm veröffentlichten Berichte und anderen Inhalte verantwortlich.
- Jeder Partner verpflichtet sich, vor [HIER TAG UND ZEIT DER VERÖFFENTLICHUNG EINFÜGEN] kein Material im Zusammenhang mit dieser Zusammenarbeit zu veröffentlichen.
[HIER EINZELN IM NAMEN IHRER NACHRICHTENORGANISATION UNTERSCHREIBEN]
Der Zweck einer Kooperationsvereinbarung besteht nicht darin, alle möglichen Ereignisse abzudecken, sondern grundlegende Regeln für das Engagement festzulegen. Einige der oben genannten Beispiele treffen möglicherweise nicht auf eure nächste Recherche zu – und es wird mit ziemlicher Sicherheit weitere Punkte geben, die ihr hinzufügen möchten.
Versucht, jede Eventualität einzuplanen – aber akzeptiert auch, dass dies nicht immer möglich ist.
Konflikte frühzeitig bewältigen
Bei fast jeder guten Zusammenarbeit (und sicherlich bei jeder schlechten) kommt es zu Konflikten. Ein*e Projektkoordinator*in (siehe oben) ist hilfreich. Ebenso hilfreich ist eine Kooperationsvereinbarung, auf die ihr bei wichtigen Punkten zurückgreifen können.
Versucht, Risiken so weit wie möglich vorherzusehen. Es gibt viele Gründe für Konflikte, aber hier sind einige Beispiele aus unserer Erfahrung:
- Wenn ihr mit Dokumenten arbeitet, die von einem Whistleblower, einer Quelle oder einem prominenten Expert*in stammen, sollten ihr klarstellen, wer diese kontaktieren darf und wer nicht. (Niemand möchte von 20 verschiedenen Reporter*innen mit den gleichen Fragen kontaktiert werden!)
- Wenn es sich um sensible Dateien handelt, solltet ihr schnell herausfinden und mitteilen, wie diese Dateien gesichert und weitergegeben werden können.
- Bittet alle am Projekt beteiligten Journalist*innen, zu bestätigen, dass sie bereit sind (oder nicht), zum Zeitpunkt der Veröffentlichung namentlich genannt zu werden. Aus Sicherheitsgründen kann es wichtig sein, manche Journalist*innen nicht namentlich zu nennen.
- Wenn ein Partner eine Pressemitteilung oder einen Instagram-Post über die Recherche veröffentlichen möchte, vereinbart eindeutig, dass diese vom Projektkoordinator*in überprüft werden und dass Einigkeit darüber besteht, wann solche Informationen veröffentlicht werden dürfen.
Wenn ein Problem auftritt, versucht, nicht überzureagieren. Ihr und eure Partner*innen werden Fehler machen. Aber viele davon werden unserer Erfahrung nach klein sein: ein Teaser-Video, das ein paar Stunden zu früh veröffentlicht wurde; Meinungsverschiedenheiten darüber, wann das Thema der Berichterstattung für eine Stellungnahme aufgegriffen werden sollte; Anwält*innen eines Partners, die irritierende Fragen stellen.
Sprecht Probleme gegebenenfalls mit den Projektmitgliedern über das von euch gewählte Kommunikationsmittel an (ein persönliches Gespräch oder ein Signal/Zoom-Anruf kann euch helfen, das Problem schneller zu lösen als eine Reihe von E-Mails oder Textnachrichten, die hin und her gehen). Denkt aber auch daran, dass das, was zu diesem Zeitpunkt riesig erscheint, nach dem erfolgreichen Start eurer Zusammenarbeit weniger bedeutsam sein könnte.
Profi-Tipp: Sprecht Konflikte schnell und proaktiv an und lasst euer Ego außen vor.
Fallstudien
Die folgenden Beispiele zeigen, wie Journalist*innen zusammengearbeitet haben, um Recherchen durchzuführen, die ohne Zusammenarbeit nicht möglich gewesen wären.
Schattendiplomaten
Abb. 26: Screenshot, ICIJ
Journalist*innen haben eine Datenbank über Verfehlungen von Honorarkonsuln erstellt und damit ein weitgehend unreguliertes System von ehrenamtlichen Diplomat*innen aufgedeckt, die von ihren Heimatländern aus arbeiten, um die Interessen ausländischer Regierungen zu fördern.
Das ICIJ und ProPublica vereinbarten, die gleichen Recherchen zu veröffentlichen, die von Reporter*innen der beiden Redaktionen gemeinsam verfasst wurden. Mehr als 100 Reporter*innen aus anderen Ländern und Nachrichtenorganisationen veröffentlichten ihre eigenen Recherchen und stützten sich dabei teilweise auf die Datenbank, die allen Partnern zur Verfügung stand. Als Reaktion auf die Recherche ergriffen acht Länder Maßnahmen, indem sie Honorarkonsuln von ihren Posten entfernten oder Reformen ankündigten.
Tipp: Überprüft die Daten und teilt die Ergebnisse. ICIJ und ProPublica haben jeden Eintrag in der Datenbank überprüft und den Partner*innen so das Vertrauen gegeben, diese Informationen zu nutzen und ihre Zeit und Energie auf die Berichterstattung zu konzentrieren, die für ihr Publikum relevant ist.
Losing Paradise
Abb. 27: Screenshot, Pulitzer Center
Die Recherche-Stipendiat*innen des Pulitzer Center für den Regenwald, Karol Ilagan und Andrew Lehren, brachten ihre Medien, das Philippine Center for Investigative Journalism (PCIJ) und NBC News, zusammen, um die Lieferkette aufzudecken, über die Nickel aus philippinischen Regenwäldern in Autobatterien in den USA gelangt.
Die Reporter*innen nutzten Daten, Satellitenbilder und traditionelle Berichterstattung, um den Weg des Nickels Schritt für Schritt von den bedrohten Regenwäldern der philippinischen Insel Palawan nach Japan und in die Vereinigten Staaten zu verfolgen, wo das stark nachgefragte Mineral von Tesla, Toyota und anderen Autoherstellern verwendet wird.
Tipp: Bei der Verfolgung von Lieferketten und ergänzenden Standorten sind Sprach- und Recherchekenntnisse unerlässlich. Ilagan grub lokale Dokumente auf den Philippinen aus und recherchierte in Palawan, während Lehren über umfassende Erfahrung in der Verfolgung von Lieferketten, die auf den US-Markt führten, und in der Analyse obskurer Geschäftsdokumente verfügte. Wie in vielen südostasiatischen Ländern waren auf den Philippinen keine Informationen über die Lieferkette verfügbar. Die Reporter*innen konnten die Verbindung zwischen den Philippinen und den USA über Japan herstellen, wo die Mineralienverarbeitung stattfindet. Die Vertriebskanäle und Zielgruppen von Lehren und Ilagan ergänzten sich ebenfalls – sie veröffentlichten gleichzeitig in den Philippinen und den USA in Rundfunk- und digitalen Medien.
Rauchen für den Staat: Wie China süchtig nach seinem Tabakmonopol wurde
Abb. 28: Screenshot, The Examination
Journalist*innenen von The Examination, einem gemeinnützigen Newsroom, der Unternehmen und Fragen der öffentlichen Gesundheit untersucht, Initium Media, einem in Singapur ansässigen chinesischsprachigen Medium, und den deutschen Partnern Paper Trail Media und Der Spiegel arbeiteten bei dieser Recherche über die China National Tobacco Corporation zusammen, einem staatlichen Unternehmen und einer der größten Ursachen für Krankheit und Tod auf dem Planeten.
Die Reporter*innen erhielten exklusive Dokumente und durchsuchten Unternehmensunterlagen und obskure Übersetzungen, wodurch sie die zwei Jahrzehnte andauernden Bemühungen der chinesischen Behörden aufdeckten, ein wegweisendes globales Abkommen zu untergraben und die Bevölkerung weiterhin zum Rauchen zu verleiten. Die Reporter*innen gingen erhebliche Risiken ein, als sie aus China berichteten und ein milliardenschweres Unternehmen bloßstellten.
Tipp: „Lassen ihr sich bei Partnerschaftsgesprächen nicht auf die lange Bank schieben“, sagt Jason McClure, Reporter bei The Examination. „Es ist nichts Falsches daran, offen zu sein und einem potenziellen Partner zu sagen, dass ihr eine schnelle Antwort benötigt und dass ihr, wenn ihr bis zum X-Datum nichts von ihm hören, davon ausgeht, dass er nicht mehr interessiert ist und ihr euch nach einem anderen Partner umsehen werdet.“
Luxusimmobilien
Abb. 29: Cap Ferrat liegt im Süden Frankreichs, wo viele Unternehmen mit Sitz in Steueroasen Immobilien besitzen. Bild: Shutterstock
Freiberufliche Journalist*innen und Reporter*innen von Le Nouvel Observateur und Bellingcat deckten fast 200 fragwürdige Immobiliengeschäfte in Frankreich auf, die von einflussreichen Personen getätigt wurden, die mit Autokraten, Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Verbindung stehen.
Die Reporter*innen stützten sich bei ihren Recherchen auf öffentliche Daten – etwas, das französische Beamte offenbar nicht getan haben, obwohl internationale Organisationen davor gewarnt hatten, dass der Immobiliensektor ein hohes Risiko für Geldwäsche darstellt.
Tipp: „Es sollten klar definierte Rollen vorhanden sein und Personen ausgewählt werden, die sich für das Projekt engagieren“, sagt Emmanuel Freudenthal, leitender Reporter des Projekts. „Jeder wusste, was seine Aufgabe war – war aber auch offen für neue Aufgaben.“
Will Fitzgibbon ist Reporter und Koordinator für globale Partnerschaften bei „The Examination“, einem gemeinnützigen Newsroom, der unternehmerisches Fehlverhalten, Krankheit und Tod untersucht. Zuvor arbeitete Will als Reporter und Koordinator für Partnerschaften in Afrika und im Nahen Osten für ICIJ und spielte eine zentrale Rolle bei Recherchenwie Panama Papers und Pandora Papers.
Marina Walker Guevara ist leitende Redakteurin beim Pulitzer Center, einer gemeinnützigen Organisation, die sich weltweit für gründlichen Journalismus und bürgerschaftliches Engagement einsetzt. Sie hat einige der ehrgeizigsten journalistischen Kooperationen geleitet, darunter Panama Papers und Paradise Papers.