Leucht­turm 2016 für Can Dündar

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 27. Juni 2016 | Lese­zeit ca. 22 Min.

„Der Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tungen“ der Jour­na­lis­ten­ver­ei­ni­gung Netz­werk Recherche geht in diesem Jahr an Can Dündar. Der Chef­re­dak­teur der tür­ki­schen Zei­tung Cumhu­riyet wird für die mutigen Recher­chen seiner Zei­tung sowie für seinen Kampf um die Pres­se­frei­heit aus­ge­zeichnet. Obwohl ihm knapp sechs Jahre Haft drohen, kämpft er weiter für die Mei­nungs­frei­heit in der Türkei. Das Netz­werk Recherche ehrt mit dem Preis an Dündar auch die gesamte Redak­tion seiner Zei­tung.

Ver­geben wird der „Leucht­turm“ im Rahmen der zwei­tä­gigen Jah­res­ta­gung von Netz­werk Recherche beim NDR in Ham­burg. Die Ver­lei­hung findet am Freitag, 8. Juli 2016, um 16.30 Uhr statt. Can Dündar wird per­sön­lich anwe­send sein. Die Lau­datio wird der Prä­si­dent des Euro­päi­schen Par­la­ments, Martin Schulz, halten.

Wir haben Can Dündar bereits vor wenigen Tagen getroffen und ihm gra­tu­liert. Hier das Inter­view mit Can Dündar zur Aus­zeich­nung und zur Wir­kung des Preises.

„Der Mut und die Stand­haf­tig­keit Can Dündars und seiner Kol­le­ginnen und Kol­legen ver­dienen größte Aner­ken­nung und auch Unter­stüt­zung“, sagt Julia Stein, Vor­sit­zende des Netz­werk Recherche. „Er lässt sich nicht ein­schüch­tern, er trotzt der poli­ti­schen Repres­sion und hat keine Angst vor dem Gefängnis. Can Dündar kämpft unter schwie­rigsten Umständen für die Pres­se­frei­heit.“ Für Can Dündar sendet der Erhalt des Leucht­turm Preises eine starke Nach­richt an seine Kol­legen und die Regie­rung. Er bedankt sich „für die Unter­stüt­zung und Hilfe gegen die staat­liche Unter­drü­ckung.“

Ein Gericht in Istanbul ver­ur­teilte Anfang Mai Dündar und seinen Kol­legen, den Haupt­stadt­kor­re­spon­denten Erdem Gül. Sie hatten über geheime Waf­fen­lie­fe­rungen des tür­ki­schen Geheim­dienstes an Isla­misten in Syrien berichtet, was die tür­ki­sche Justiz als Geheim­nis­verrat bewer­tete. Dündar soll für fünf Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, Gül für fünf Jahre. Die Urteile sind noch nicht rechts­kräftig.

Staats­prä­si­dent Erdogan hatte die beiden Jour­na­listen ange­zeigt. In der Ankla­ge­schrift wird behauptet, Dündar und Gül hätten sich „geheimer Regie­rungs­daten“ bemäch­tigt, um „poli­ti­sche und mili­tä­ri­sche Spio­nage“ zu betreiben und die Regie­rungs­ge­schäfte zu sabo­tieren. Der Sturz der Regie­rung sei Ziel der Jour­na­listen gewesen. Dündar und Gül kamen im November 2015 in Unter­su­chungs­haft. Drei Monate später erklärte das tür­ki­sche Ver­fas­sungs­ge­richt die Inhaf­tie­rung für rechts­widrig und ord­nete ihre Frei­las­sung an. Den Vor­wurf der Spio­nage musste die Staats­an­walt­schaft im Pro­zess fallen lassen.

Die Cumhu­riyet ist eine der letzten unab­hän­gigen Zei­tungen in der Türkei. „Noch nie war es so schlimm wie heute“: So beschrieb Can Dündar kürz­lich die Situa­tion der Pres­se­frei­heit in seinem Land. Er selbst äußerte auch im Pro­zess, der unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit statt­fand, offen seine Kritik an der Regie­rung und an Prä­si­dent Erdogan.

Neben dem „Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tungen“ ver­gibt das Netz­werk Recherche am zweiten Tag seiner Jah­res­ta­gung, am Samstag, 9. Juli 2016, eine wei­tere Aus­zeich­nung. Tra­di­tio­nell wür­digt die Jour­na­lis­ten­ver­ei­ni­gung den „Infor­ma­ti­ons­blo­ckierer des Jahres“ mit der „Ver­schlos­senen Auster“. Dieser Preis­träger wird erst am Tag der Ver­lei­hung bekannt­ge­geben.

„Jour­na­lismus heute – An der Grenze.“ So lautet der dies­jäh­rige Titel der Jah­res­ta­gung des Netz­werk Recherche. Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen aus Deutsch­land, Ame­rika, Groß­bri­tan­nien, der Ukraine, Island und wei­teren Län­dern werden zu Gast sein. The­ma­ti­sche Schwer­punkte sind der mediale Umgang mit Popu­listen, die Flücht­lings­krise, die Panama Papers, die Finan­zie­rung von Jour­na­lismus sowie viele Ver­an­stal­tungen zum jour­na­lis­ti­schen Hand­werk wie Recherche, Pres­se­recht und Daten­jour­na­lismus. Auch Ham­burgs Erster Bür­ger­meister, Olaf Scholz, wird sich der Dis­kus­sion stellen.

Dem Verein Netz­werk Recherche gehören mehr als 700 Jour­na­listen aus allen Berei­chen der Medien an. Zu seinen Kern­auf­gaben zählt, jour­na­lis­ti­sche Recherche zu för­dern und zu for­dern. Das nr ver­an­staltet Fach­ta­gungen und Kon­fe­renzen, gibt Publi­ka­tionen heraus und ver­gibt Recherche-​Sti­pen­dien.

Begrün­dung Leucht­turm 2016

(Eng­lish Ver­sion here)

Leucht­turm­preis­träger 2016: Can Dündar für die mutigen Recher­chen seiner Zei­tung sowie für seinen Kampf um die Pres­se­frei­heit
Begrün­dung: Netz­werk Recherche e.V.

Wenn wir in Deutsch­land von Pres­se­frei­heit reden, dann reden wir über eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Für unsere Kol­legen in der Türkei dagegen ist Pres­se­frei­heit eine Hoff­nung.

Es gibt nur noch wenige Jour­na­listen in der Türkei, die es wagen, das zu berichten, was sie für geboten halten. Zu groß sind die Repres­sionen durch den Staat. Die Kol­legen der Tages­zei­tung Cumhur­riyet sind eine solche Aus­nahme. Sie schreiben, was nicht in Ord­nung ist im Staate des Prä­si­denten Erdogan.

Can Dündar, der Chef­re­dak­teur, muss womög­lich einen hohen Preis dafür bezahlen. Ein Gericht in Istanbul hat ihn und den Haupt­stadt­kor­re­spon­denten Erdem Gül zu mehr­jäh­rigen Haft­strafen ver­ur­teilt. Die Zei­tung hatte über geheime Waf­fen­lie­fe­rungen des tür­ki­schen Geheim­dienstes an Isla­misten in Syrien berichtet. Das wer­tete die tür­ki­sche Justiz als Geheim­nis­verrat. Knapp sechs Jahre soll Dündar ins Gefängnis, Gül für fünf Jahre. Vor dem Gerichts­ge­bäude über­lebte Can Dündar nur knapp einen Anschlag.

Cumhur­riyet lässt sich nicht mundtot machen. Gerade eben hat sie auf Grund­lage der Panama Papers berichtet: In diesen Unter­lagen tau­chen tür­ki­sche Geschäfts­leute auf, dar­unter auch solche, die Prä­si­dent Erdogan nahe­stehen. Es dau­erte nicht lange, da klin­gelte das Telefon, einer dieser Geschäfts­leute war wohl dran. Und wenn sich in der Türkei ein Erdogan-​Nahe­ste­hender beschwert, dann klingt das so. „Ich werde euch bekämpfen. (…) Ihr Huren­söhne, macht keinen Killer aus mir.“

Das Netz­werk Recherche zeichnet Can Dündar, stell­ver­tre­tend für seine Redak­tion, mit dem „Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tungen“ aus. Der Mut und die Stand­haf­tig­keit des Chef­re­dak­teurs und seiner Kol­legen ver­dienen größte Aner­ken­nung. Can Dündar trotzt der poli­ti­schen Repres­sion, er hat keine Angst vor dem Gefängnis. Unter schwie­rigsten Umständen kämpft er für die Pres­se­frei­heit.

Drei Monate saß Can Dündar bereits in Unter­su­chungs­haft. Erst dann erklärte das tür­ki­sche Ver­fas­sungs­ge­richt seine Haft für rechts­widrig und ord­nete seine Frei­las­sung an. Noch ist das Urteil gegen ihn nicht rechts­kräftig, noch ist er in Frei­heit. Und so ist es mög­lich, dass er zu uns kommt.

Wir freuen uns sehr, dass Sie, lieber Can Dündar, den Leucht­turm per­sön­lich ent­ge­gen­nehmen.

Light­house-​Award Ceremony

In Ger­many, when we‘re tal­king about freedom of the press, we’re tal­king about something that is self-​evi­dent, a matter of course. For our col­le­agues in Turkey however, freedom of the press is only a faint hope.
There are only a very small number of jour­na­lists left in turkey who are brave enough to report on what they see as necessary. Govern­ment oppres­sion is simply too over­whel­ming. The col­le­agues of the Tur­kish daily Cumhur­riyet are part of this excep­tion, wri­ting all about the prac­tices of the Erdogan govern­ment.
Can Dündar, editor-​in-​chief of Cumhur­riyet will likely pay a high price for this repor­ting. A court in Istanbul sen­tenced Dündar and Ankara-​cor­re­spon­dent Erdem Gül to several years in prison. The news­paper had published a report con­tai­ning evi­dence that the Tur­kish intel­li­gence ser­vices sup­plied wea­pons to Isla­mists in Syria, which the Tur­kish courts deemed as reve­a­ling of state secrets. Dündar is to serve close to six years in prison, Gül is to serve five. Directly in front of the court­house Dündar nar­rowly sur­vived an attempt on his life.
Cumhur­riyet is not allo­wing itself to be silenced however. Just recently, the news­paper reported on the Panama Papers: in these docu­ments Tur­kish busi­nessmen turn up—some even close to Erdogan. And sure enough, the tele­phone rang with one of these Tur­kish busi­nessmen on the line. In Turkey, when an Erdogan crony com­plains, it usually goes along the lines of “I’m going to fight you. (…) you sons of bit­ches don’t want to make me into a killer.”
Net­werk Recherche is awar­ding Can Dündar, repre­senting his staff back in Turkey, with the “Light­house Award for Distin­guished Achie­vements in Publi­shing.” The cou­rage and stead­fast­ness of the editor-​in-​chief and his col­le­agues deserve the grea­test appre­cia­tion. Can Dündar con­ti­nues to defy poli­tical oppres­sion, and isn’t afraid of impri­son­ment. Even in the most chal­len­ging of cir­cums­tances, Dündar has strug­gled relent­lessly on for freedom of the press.
Can Dündar was detained for three months wit­hout trial before the Tur­kish con­sti­tu­tional court declared his detention unlawful and ordered his imme­diate release. As long as his sen­ten­cing remains idle, Dündar remains free. Thus has it been pos­sible for him to join us here.
We are delighted that you, Mr. Dündar are able to accept the Light­house Award from us in person.

Lau­datio von Martin Schulz

(Eng­lish ver­sion here)

Leucht­turm­preis­träger 2016: Can Dündar für die mutigen Recher­chen seiner Zei­tung sowie für seinen Kampf um die Pres­se­frei­heit
Lau­dator: Martin Schulz, Prä­si­dent des Euro­päi­schen Par­la­ments

Ham­burg, 8. Juli 2016 – es gilt das gespro­chene Wort –

Ver­ehrter Herr Preis­träger des dies­jäh­rigen Leucht­turms,
lieber Can Dündar,
sehr geehrter Herr Minis­ter­prä­si­dent Scholz, lieber Olaf
ver­ehrter Herr Lutz Marmor,
sehr geehrte Damen und Herren,

Can Dündar ist ein mutiger und ein cha­ris­ma­ti­scher Mann. Ein Mensch, der für seine Über­zeu­gungen ein­tritt und der dafür einen hohen Preis zahlen musste. Jemand, der wegen seines Rück­grats bedroht, fast ermordet und schließ­lich ins Gefängnis gesperrt wurde.

Herr Dündar, ange­sichts der Gefahr, der Sie aus­ge­setzt waren, sind wir umso glück­li­cher, dass Sie heute hier in Ham­burg bei uns sein können, um diesen Preis ent­gegen zu nehmen.

Anrede,
ich erin­nere mich noch sehr gut daran, wie vor fast 25 Jahren pro­gnos­ti­ziert worden ist, dass wir das Ende der Geschichte erreicht hätten: ein gol­denes Zeit­alter der Demo­kratie, der Libe­ra­lität und der Grund­rechte würde nun anbre­chen hieß es damals von Francis Fuku­yama und tota­li­täre Ten­denzen wären his­to­risch erle­digt. So hieß es.

Selten ist eine Pro­gnose schneller Lügen gestraft worden: denn auf unserem euro­päi­schen Kon­ti­nent gibt es eine Rück­kehr zum neuen Auto­ri­ta­rismus und er findet neue Anhänger.
· Grenzen sind in Europa wieder gewaltsam ver­schoben worden.
· Eine ganze Welt­re­li­gion wird unter Gene­ral­ver­dacht gestellt.
· Medi­en­ver­treter und Künstler sind Ver­däch­ti­gungen und schlimmen Dro­hungen aus­ge­setzt und
· es gibt eine stärker wer­dende Bewe­gung, die am liebsten gleich die ganze EU abwi­ckeln will.

Diese Liste ließe sich fort­setzen, aber sie ist keine zufäl­lige Samm­lung von Punkten, son­dern das Genannte steht in einem inneren Zusam­men­hang. Wäh­rend noch bis vor ein paar Jahren viele Radi­kale und Popu­listen sich nicht auf einen gemein­samen Nenner einigen konnten, haben sie ihn nun gefunden. Der Feind steht für die Apo­lo­geten der Spal­tung fest: Es ist Europa!
Europa, als Modell für eine im Inneren libe­rale und tole­rante Gesell­schaft, die Viel­falt zu ihrem Wesens­kern macht.
Europa, das in seinen Außen­be­zie­hungen auf Dialog und prä­ven­tive Kon­flikt­ver­mei­dung setzt.

Das Kon­zept Europas, das wir als Lehre aus der schlimmen ersten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts ent­wi­ckelt haben, basiert auf dem Schutz der Grund­rechte und nie­mand kann Mit­glied in dieser Union werden, ohne es voll­um­fäng­lich zu akzep­tieren. Aber mehr noch: mit der All­ge­meinen Erklä­rung der Men­schen­rechte exis­tiert eine uni­ver­selle und glo­bale Wer­te­ord­nung, die es uns erlaubt, Kritik an den inneren Zuständen in anderen Län­dern zu üben, ohne dass dies eine uner­laubte Ein­mi­schung ist.

Dieses Kon­zept, das uns zumin­dest auf unserem Kon­ti­nent über Jahr­zehnte den Frieden mög­lich und unsere Gesell­schaften sicher und wohl­ha­bend gemacht hat, wird nun immer mehr in Frage gestellt. Das erlebe ich im Euro­pa­par­la­ment, wo um die hun­dert Abge­ord­nete tag­täg­lich ver­su­chen, ihren Hass zu sähen und das euro­päi­sche Modell lächer­lich zu machen. Aber auch in immer mehr Regie­rungs­zen­tralen auf unserem Kon­ti­nent gibt es den Wunsch, die eigene Nation wieder in den Mit­tel­punkt zu rücken und dabei das Streben nach gemein­samen Lösungen zu ver­nach­läs­sigen. Wir erleben das bei dem Wider­willen gegen eine gemein­same Migra­ti­ons­po­litik, bei der Ter­ror­ab­wehr und der Bekämp­fung der Steu­er­flucht.

Die Wie­der­ent­de­ckung des Natio­na­lismus – der im Gegen­satz zum Patrio­tismus andere Nationen her­ab­wür­digt – geht meist einher mit der For­de­rung oder der tat­säch­li­chen Beschnei­dung von Grund­rechten. Die illi­be­ralen Ten­denzen sind ein glo­bales Phä­nomen und wir finden es im Denken von Donald Trump genauso wie von Vla­dimir Putin oder Recep Erdogan. Und neben dem beschrie­benen Hass auf das euro­päi­sche Modell, das – als wäre dies etwas Schlimmes! – als feminin, öko­lo­gisch und homo­se­xuell denun­ziert wird, zielen die Angriffe viel­fach auf Jour­na­listen.

Jour­na­listen sind die ersten, die atta­ckiert werden und diese Angriffe sind viel­fach erst die Fan­fare, um den Umbau der Gesell­schaft in Rich­tung Auto­ri­ta­rismus ein­zu­leiten, bei dem dann das Jus­tiz­system, Par­la­mente, der Kul­tur­be­trieb und anderes unter die Knute kommen.

In der Türkei wurde nicht nur Can Dündar mit seinem Kol­legen Erdem Gül ver­haftet, son­dern die Medien ins­ge­samt wurden drang­sa­liert und Abge­ord­nete im In- und Aus­land geraten genauso wie Künstler zuneh­mend unter Druck.

In der Türkei sind immer noch viele Jour­na­listen unter Arrest oder sie werden mit aben­teu­er­li­chen Begrün­dungen ange­klagt. Stell­ver­tre­tend will ich heute nur Erol Önde­roglu nennen, der als Ver­treter von Reporter ohne Grenzen aktiv für die Frei­las­sung von Can Dündar gekämpft hat. Ich appel­liere ein­dring­lich an die Zustän­digen in der Türkei, end­lich damit auf­zu­hören, Jour­na­listen zu ver­folgen und zu bedrohen.

Die Pres­se­frei­heit ist eines der vor­nehmsten Grund­rechte und wer die Axt daran anlegt, der trifft nicht nur die Presse, son­dern er räumt gleich die Demo­kratie, die Rechts­staat­lich­keit und Plu­ra­lität ab.

Anrede,
aber so, wie wir mit aller Schärfe die Angriffe auf Jour­na­listen und Medien durch Regie­rungen zurück­weisen müssen, ist doch min­des­tens ebenso bedroh­lich, wenn ver­meint­lich ein­fache Bürger mit wut­ver­zerrtem Gesicht über die angeb­liche Lügen­presse schimpfen und ent­spre­chende Pla­kate bei Demons­tra­tionen schwenken. Diese soge­nannten Wut­bürger ver­letzen ekla­tant die Spiel­re­geln und das darf man ihnen nicht durch­gehen lassen. Denn: Jeder Angriff auf einen Jour­na­listen oder auf Medien ist ein Angriff auf die Gesell­schaft als Ganzes und des­halb darf das nie­mals akzep­tiert werden.

Dabei geht es selbst­ver­ständ­lich nicht darum, Kritik am poli­ti­schen System, an der EU oder an bestimmten poli­ti­schen Ent­schei­dungen zu ver­hin­dern – im Gegen­teil: dass Medien frei arbeiten können und Jour­na­listen keine Sorgen um ihr Wohl­ergehen haben müssen, ist grund­le­gende Bedin­gung der Demo­kratie!

Des­halb wäre ich froh, wenn aus Anlass der heu­tigen Preis­ver­lei­hung ein Moment des Inne­hal­tens folgen würde. Wenn wir wieder einen Kon­sens her­stellen könnten und den Umgang mit­ein­ander erneut zivi­li­sieren würden. Denn auch die ver­bale Gewalt im Netz, in den Dis­kus­si­ons­foren und den soge­nannten sozialen Netz­werken führt immer mehr zu einer Ent­gren­zung der Gewalt aus den Netzen hinaus. Aber es darf eben keine rechts­freien Räume oder No-​Go-​Areas geben.

Anrede,
Can Dündar ist ein Vor­bild. Ein „Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tung“ und mit ihm wird zu Recht die gesamte Redak­tion der Cumhu­riyet aus­ge­zeichnet. Das ist gut so und diese Aus­zeich­nung ist eine klare Bot­schaft aus der Pres­se­stadt Ham­burg an die Regie­rungs­zen­trale in Ankara. Ich hoffe, diese Bot­schaft wird ver­standen.

Herr Dündar, ich gra­tu­liere Ihnen zu dem heu­tigen Preis und wün­sche Ihnen per­sön­lich und Ihrer Redak­tion alles erdenk­lich Gute.

Herz­li­chen Dank für die Auf­merk­sam­keit.

Ham­burg, 8th July 2016 – the spoken word shall be bin­ding

Mr. Reci­pient of this year’s Light­house Award, dea­rest Can Dündar,
Mr. Governor Scholz, dea­rest Olaf,
Mr. Lutz Marmor,
Ladies and Gen­tlemen,

Can Dündar is a brave and cha­ris­matic man. Here is a person who has paid a high price for his con­vic­tions. Someone who was threa­tened, almost mur­dered, and thrown in prison, all because of his grit: his strong will, pas­sion, and per­se­ver­ance.

Mr. Dündar, in light of the danger you have faced, we are all the more pleased and delighted that you are able to be here in Ham­burg today to accept this award.

I can still remember very cle­arly, how almost 25 years ago it was pre­dicted by Francis Fuku­yama that we had rea­ched the end of the story: the dawn of the golden age of democracy, libe­ra­lism, and fun­da­mental rights. Tota­li­ta­rian ten­den­cies were now in the books; no more than his­tory. Or so it was said.

Rarely has a pre­dic­tion been proved wrong so fast: namely, on our European con­ti­nent there has been a regres­sion to the new autho­ri­ta­ria­nism, easily attrac­ting new fol­lo­wers.
– Bor­ders have once again been vio­lently res­huf­fled.
– An entire world reli­gion is being called into suspi­cion.
– Media out­lets and artists are exposed to suspi­cion and threats, and
– There is an ever stronger movement that would gladly phase the entire EU out.

The list goes on and on. But it isn’t a random assort­ment of points, but rather the afo­re­men­tioned occur­rences are deeply intert­wined. Until recently, many right wing extre­mists and popu­lists could not unite on an idea toge­ther. But alas, they have found a source of unity. The enemy is cer­tain: it is Europe!

Europe, a model of a pro­gres­sive and tole­rant society to its very core. Europe, in whose for­eign rela­tions dia­logue and con­flict pre­ven­tion are essen­tial pil­lars.

The con­cept of Europe that we deve­loped from the les­sons of the atro­ci­ties of the first half of the twen­tieth cen­tury is based upon the pro­tec­tion of fun­da­mental human rights. No one may become a member of this union wit­hout having fully and uncon­di­tio­nally embraced this corn­er­s­tone of the European Union. Fur­ther­more, there is a uni­versal and global system of values that comes hand in hand with this general asser­tion of human rights, which allows cri­ti­cism of the inner­most con­di­tions of other coun­tries to be exer­cised wit­hout ever beco­ming an unau­tho­rized intru­sion.

This con­cept, which has allowed for peace to blossom and has ensured the secu­rity and well-​being of our socie­ties, is coming ever-​more into ques­tion. I expe­ri­ence this in the European Par­lia­ment, where around 100 repre­sen­ta­tives try daily to spread their hate, and to make a laug­hing stock of the European model.

In many govern­ment admi­nis­tra­tions across our con­ti­nent, there is the incre­a­singly pre­va­lent wish for their nation to be in the spot­light, the­reby aban­do­ning the con­cept of sol­ving con­flicts in part­nership with one ano­ther. We are seeing this take hold in the unwil­ling­ness of nations to hold common poli­cies on immi­gra­tion, counter-​ter­ro­rism, and tax-​eva­sion.

The redis­co­very of natio­na­lism — which unlike patrio­tism, degrades other nations—comes often with the challenge to and vio­la­tion of fun­da­mental human rights. These regres­sive ten­den­cies are a global phe­no­menon, chiefly evi­dent in the opi­nions and desired poli­cies of Donald Trump, Vladamir Putin, and Recep Erdogan. Next to this explicit hate for the European model, which has been derided—as if these are bad things—as femi­nine, envi­ron­mental, and homo­se­xual—the attacks on jour­na­lists have begun to pile up.

Jour­na­lists are almost always the first ones to be atta­cked by the throngs of right wing extre­mists. First it starts as fan­fare, ensu­ring the restruc­tu­ring of society towards autho­ri­ta­ria­nism, and then among others, the justice system, par­lia­ment, and cul­ture get sucked in as well.

In Turkey, it wasn’t just Can Dündar and his col­le­ague Erdem Gül who were arrested, the entire media land­s­cape was bul­lied into sub­mis­sion. Now, it is not only Tur­kish mem­bers of par­lia­ment who are being threa­tened and put in danger, but mem­bers of for­eign par­lia­ments too, com­pa­rable to the repres­sion of artists in the country.

In Turkey there are still many more jour­na­lists under arrest or on trial, facing ludi­crous and pre­pos­terous charges. Con­cre­tely I’ll only name Erol Önde­roglu, who, as a repre­sen­ta­tive of Repor­ters Wit­hout Bor­ders worked tire­lessly for the release of Can Dündar . I the­re­fore urgently appeal to the respon­sible par­ties to end the sen­se­less witch-​hun­ting of jour­na­lists in Turkey.

Freedom of the press is one of the fore­most fun­da­mental human rights, and those who take an axe to it not only strike the press, but also at the heart of democracy, rule of law, and plu­ra­lity.

None­theless, while we must deplore and reduce govern­ment attacks on jour­na­lists and media out­lets, just as dan­ge­rous is when ordi­nary citi­zens, filled with rage, rant about the alle­gedly crooked and deceitful press, and demons­trate with these exact hate filled words. These so called enraged citi­zens bla­tantly vio­late and dis­re­gard the rules of enga­ge­ment. We cannot simply stand by and allow these vio­la­tions to happen, because every attack on a jour­na­list or on the media is an attack on the society as a whole, and that is simply unac­cep­table.

This is very cle­arly not an attempt to hinder cri­ti­cism of a poli­tical system or of the EU, but rather the oppo­site: chiefly that media out­lets should be allowed to work freely, and that jour­na­lists should not have to worry about their well-​being while uphol­ding a corn­er­s­tone of democracy.

The­re­fore, I would be very happy if, to the occa­sion of today’s Awards ceremony we could do the fol­lo­wing: to estab­lish a con­sensus with one ano­ther again, and to treat each other in a civi­lized manner. Because verbal abuse on the internet, in dis­cus­sion forums, and on the so-​called social net­works almost always ine­vi­tably leads to the removal of the boundary bet­ween the internet and rea­lity. However this does not mean that there should be areas off limits or places wit­hout basic rights on the internet.

Can Dündar is a per­fect example of a “beacon of light for out­stan­ding publi­shing efforts” and with him we honor also the staff of Cumhu­riyet in full. It is best this way, and this award is a clear mes­sage from the press-​city of Ham­burg to the govern­ment admi­nis­tra­tion in Ankara. I hope that this mes­sage is under­stood.
Mr. Dündar, I would like to extend my con­gra­tu­la­tions to you, and I wish you and your staff nothing but the best.

Thank you for your atten­tion.

Dan­kes­rede von Can Dündar / Accep­tance Speech by Can Dündar

Ladies and gen­tlemen,

I sin­ce­rely thank Mr. Pre­si­dent, Martin Schulz for his kind speech tre­a­sured with a strong sense soli­da­rity that I must say I am very honored to receive. I also extend my many thanks to my German col­le­agues for awar­ding me such a pres­ti­gious prize.

I came here from a country known as one of the world’s big­gest pri­sons for jour­na­lists.

We have 35 jour­na­lists behind bars today; many others are wai­ting for their turn.

I was one of them 6 months ago; a pri­soner of thought whose only crime was tel­ling the truth to his rea­ders…

If you’re a jour­na­list in Turkey, you dig your grave with your pen, with every honest word you write…

Every sen­tence you frame, every docu­ment you bring to light, every lie you expose gets you closer to impri­son­ment or even death.

My paper lost 5 of its finest wri­ters in hor­rible attacks in the last 30 years. But we did not give up the fight to carry on their legacy and the tra­di­tion of bra­very in the face of oppres­sion.

Being a jour­na­list is more dan­ge­rous than ever nowa­days, but, more pres­ti­gious than ever as well…

Because, in the lack of a strong oppo­si­tion, orga­nised civil society, and influ­en­cial, impar­tial insti­tu­tions , media is one of the rare tools to safe­guard the truth against lies, press freedom against cen­sorship, and a democratic society against isla­mo­fachism.

Yes­terday at the boat trip, a jour­na­lism stu­dent asked me about the risks of being a jour­na­list in Turkey.

Reve­a­ling the truth may put you in prison there… But at the same time it may bring you to Ham­burg, to get Leucht­turm Award, from inves­ti­ga­tive jour­na­lists here, who care for the suf­fe­ring of their col­le­agues in every corner of the world.

Taking the risk of tel­ling the truth, espe­cially if your efforts are being sup­pressed, echoes one’s voice to all, by making you a part of a big family of jour­na­lists with a bur­ning ambi­tion to fight against the oppres­sion in the name of democracy.

İn prison, I felt the strong pre­sence of the family of wri­ters from Cer­vantes to Zweig from Dost­oy­evsky to Nazım Hikmet who were exiled, punished, impri­soned, because of their beliefs, their wri­tings… But in the end, huma­nity remem­bers their names, not those of their judges’ or pro­se­cu­tors’.

And today, I feel the soli­da­rity of a family of jour­na­lists, from Netz­werk Recherche to Repor­ters Wit­hout Bor­ders, who are ready to sup­port the freedom of press and expres­sion ever­y­where in the World.

İf we do not want a World governed by Le Pen, Farage, Putin, Erdoğan, Trump, a World, threa­tened by rai­sing natio­na­lism and racism, we have to get toge­ther, sup­port each other’s struggle, and coor­di­nate our efforts to be stronger against repres­sive govern­ments.

We need to find new ways to give voice to those stripped of one, to com­mu­ni­cate with each other, to over­come cen­sorship.

We should follow-​up with cen­sored sto­ries and shed a brighter light on them.

We need exchange pro­grammes bet­ween jour­na­lism schools to sow the seeds of much needed trans­na­tional soli­da­rity in the pro­fes­sion,

We should print articles from impri­soned jour­na­lists and refuse to leave them alone.

Inter­na­tional soli­da­rity is a pri­ce­less pro­tec­tion, for a jour­na­list under attack by his or her govern­ment.

As Mr Schulz said this award is a mes­sage to the govern­ment of Ankara:

“Do not count on the German govern­ment’s backing against the core values of democracy. We’re here to defend the freedom of press…”

And it’s a mes­sage to all freedom figh­ters in Turkey:

“You’re not alone…”

Thank you for giving us that sense of soli­da­rity.

Thanks for your endu­ring sup­port, from now on, we’ll be dig­ging with our words, not our graves, but a tunnel to take us out of the World’s big­gest prison, to a free future…

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