Laudatio von Roland Rino Büchel

Laudatio zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2012

Austerpreisträger: Féderation Internationale de Football Association (FIFA) und ihren Präsidenten Sepp Blatter
Laudator: Roland Rino Büchel, ehemalige FIFA-Mitarbeiter und heutige Schweizer Nationalrat

Laudator Roland Rino Büchel  (Fotograf: Raphael Hünerfauth)

Laudator Roland Rino Büchel
(Fotograf: Raphael Hünerfauth)

Grüezi mitenand
Das Netzwerk Recherche vergibt die elfte „Verschlossene Auster“ an einen Schweizer Verein mit einem ideellen Zweck.
Wenn es um Nichtigkeiten geht, ist dessen Vorsitzender sehr eloquent und alles andere verschlossen. So weiss bald jedes Kind, dass er mehr als zwei Monate zu früh zur Welt kam, nur halb so schwer war wie ein normales Baby und offenbar genau darum ein zäher Bursche wurde.
Als Chef trifft er die wichtigen Entscheidungen zusammen mit 23 „Engeln” und „Teufeln”. Das sage nicht ich, das sagt er selbst. Es sind die Bezeichnungen, die „Le Président” seit einem guten Jahr verwendet, wenn es um seine 23 Vorstandskollegen geht.
Wer aber ist ein Engel, und wer ist ein Teufel? Das ist die entscheidende Frage. Doch die will „Le Président” partout nicht beantwortet haben.
Im Gegenteil, er hat schon acht Millionen Franken aufbringen lassen und dazu die teuersten Anwälte engagiert, um die Namen von korrupten Mitgliedern seines Exekutiv-Komitees unter dem Deckel zu halten. Somit erscheinen ein paar Teufel weiterhin als Engel. Vor den Teufeln hat er Angst, Engel kann man auch mal fallen lassen.
Dies im Moment zum Innenleben der Institution, die jedes Jahr ohne sonderlichen Aufwand einen Milliardenbetrag einnimmt.
Für den Preis kommen nun nicht mehr alle Vereine nach Artikel 60 ff des Schweizer Zivilgesetzbuchs in Frage. Davon gibt es übrigens weit mehr als 100‘000.
Bei uns existiert ein Bonmot: „Was haben drei Schweizer gemacht, wenn sie eine Stunde zusammengesessen sind? – Logisch, sie haben einen Verein gegründet.”
Ich verrate Ihnen noch nicht, welcher Verein mit der Auster ausgezeichnet worden ist. Ich sage Ihnen zuerst, wer sie nicht erhalten wird. Gewonnen hat keines der zahlreichen Jodelchörli aus einem Bergdorf. Gewonnen hat auch kein Kaninchenzüchterverein. Das Werk des Marburger Künstlers Ulrich Behner geht nicht an keinen Quartierkegelclub.
Die Auster geht an einen multinationalen Konzern. Die Struktur des Unternehmens sei diejenige von einem mit Gangstern durchsetzten „Gentlemen’s Club”, sagt der Rechtsprofessor, der sich seit Monaten mit dessen Innenleben befasst. Der Vorsitzende des Clubs, „Le Président”, spricht hingegen von einer „Familie”.
Buchautor Thomas Kistner, der heute unter uns ist, denkt dabei an eine etwas spezielle, sizilianische Familienform. Er nennt das Kind beim Namen und den „Gentlemen’s Club” deshalb schlicht „Mafia”. Der Gentlemen’s Club muss sich diese Bezeichnung aufgrund der Faktenlage gefallen lassen.
Dabei will die Familie doch nur Gutes tun und die Welt verbessern. Das hat sie sich auf die Fahne geschrieben. Und sogar in das Logo. „For the Game. For the World.” Der Anführer des Clans hat seine Ambitionen auf den Friedensnobelpreis schon mehrmals kundgetan.
Wer den unzähligen Verlautbarungen des 76jährigen Familienoberhauptes Glauben schenkt – als Beispiel sei das lange Interview in der Schweizer Wochenzeitschrift „Weltwoche” Nummer 49 vom Dezember 2010 genannt – kann nicht mehr den geringsten Zweifel haben: seine Organisation ist dazu bestimmt, unseren Planeten zu retten.
Müsste die Auster oder deren „Grosse reine Perle” den Friedensnobelpreis nicht schon längst erhalten haben?
Was noch nicht ist, kann noch werden. Seit einigen Tagen gibt es eine Vereinbarung – den so genannten „Handschlag für den Frieden” – zwischen der heutigen Preisträgerin und dem „Nobel Peace Centre”.
Dieses hat einen deklarierten Hauptzweck, nämlich „to promote familiarity with the lives and work of the Nobel Peace Prize laureates”, also das Leben und das Wirken der Nobelpreisträger bekannt zu machen.
Nochmals: Der Friedensnobelpries ist das Lebensziel des Präsidenten der heutigen Preisträgerin. Und nicht die „Verschlossene Auster”.
Schliesslich wird „Le Président” auf der bekannten Forbes-Liste der 70 allerwichtigsten Personen dieser Welt nur knapp hinter dem Dalai Lama, dem CEO von Apple und dem russischen Präsidenten geführt.
Die „Grosse reine Perle”, hat nicht nur Ambitionen. Sondern auch Qualitäten. Sie kann gut „Danke” sagen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Der Journalist, der das genannte Interview für die Weltwoche führte, steht heute im Sold der Auster. Er darf sich „Direktor für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit” nennen und ist für deren umfangreiche PR-Aktionen verantwortlich.
Bei den wirklich relevanten Fragen jedoch, da amtet der ehemalige Journalist quasi als Zuhalter. „Zuhalter”, habe ich gesagt. Das Wort hat kein „ä”. Trotzdem, ein paar journalistische Grundsätze über Bord werfen und sich ein bisschen prostituieren, das muss man schon, wenn man sich entscheidet, „his Master’s Voice” zu werden und sein Einkommen zu verzehnfachen.
In jüngster Zeit hat der Gentlemen’s Club nicht nur die PR-, sondern auch die Lobbyarbeit ausgebaut. Einer der Gründe für die Hysterie im Umfeld der „Grossen reinen Perle” mag ein „offener Brief” gewesen sein. Ich schrieb ihn am 11. Januar 2011 als Antwort auf die diversen Interviews, welche die „Grosse reine Perle”, alias „Le Président”, damals um den Jahreswechsel gegeben hatte.
Noch am Tag, als mein Schreiben im Briefkasten des Gentlemen’s Club landete, sandte jener eine Einladung an sämtliche 246 eidgenössischen Parlamentarier.
Der Anlass war ein Flop. Nur jeder zwanzigste Abgeordnete wollte dem Hausjuristen der ehrenwerten Gesellschaft zuhören, als er im nobelsten Berner Hotel darlegte, wie wichtig sie für die Schweiz sei. Er verschwendete keinen Gedanken darüber, dass sie auch ein Reputationsrisiko für unser Land bedeuten könnte.
Insgesamt war die Welt noch in Ordnung. Und die „Grosse reine Perle” ging davon aus, dass die Politik wie gewohnt nach ihrer Pfeife tanzen würde. Die ehrenwerte Gesellschaft liess uns Schweizer Volksvertreter sogar wissen, dass sie – was für ein Glück für uns alle – nicht über dem eidgenössischen Recht stünde.
Wenn die Clanmitglieder oder Angestellte jener Milliardenfirma also eine kriminelle Tat begehen, müssen sie genauso ins Gefängnis wie zum Beispiel die Lebensmittel-Verkäuferin, welche das gleiche Delikt begeht…
Was ist seither passiert?
Mein parlamentarischer Vorstoss mit dem Auftrag an das Sportministerium, die Korruptionsprobleme im Sport resolut anzupacken und Lösungen zu präsentieren, wurde im Nationalrat ohne eine einzige Gegenstimme angenommen.
Dann wurde die Sache in der zweiten Kammer und in der Verwaltung verschleppt. Das war unklug.
Umso härter kam der Keulenschlag aus Strassburg. Der Europarat verabschiedete vor fünf Wochen eine Resolution. Sie basiert auf einem präzisen 21seitigen Bericht und zielt mitten ins Herz der heutigen Preisträgerin.
Das Papier kommt in 124 akribisch aufbereiteten Punkten zu einem vernichtenden Urteil. Der Europarat verlangt, dass im Gentlemen’s Club ein für alle Mal aufgeräumt wird und stellt sogar die Wahl dessen Oberhauptes zur Diskussion.
Was schreibt Europa zur Korruption innerhalb der Institution? Ich zitiere aus der Resolution, die fast einstimmig verabschiedet wurde:
„Selbstregulierung ist sehr wichtig. Aber wenn die Probleme nicht aufhören, sollten Regierungen einschreiten. Autonomie ist für die Interessen des Sports da, nicht für die Interessen von skrupellosen Individuen”, lauten die unmissverständlichen Worte aus Strassburg.
Jetzt wissen Sie, in welchem Gesellschaftsbereich die Auster tätig ist, nämlich im Sport.
Es ist noch nicht lange her, da hatte die „Grosse reine Perle” standhaft behauptet, dass es in der Auster keine Korruption gäbe.
Die bereits vor vier Jahren gerichtsfest bewiesenen Schmiergeldzahlungen von mehr als 140 Millionen Franken, die zu einem grossen Teil an die Perlen der „Verschlossenen Auster” gingen, änderten nichts am Selbstverständnis der „Grossen reinen Perle”.
Dass diese von Demokratie nicht viel hält, ist augenscheinlich. „Wenn ein Diktator einer ist, der diktiert, dann bin ich ein Diktator”, sagte die „Grosse reine Perle” jüngst in verschiedenen TV-Interviews.
Wie kam es dazu, dass der Diktator im letzten Jahr plötzlich anfing, von himmlischen und höllischen Gestalten zu fabulieren? Der Grund ist klar: Eine der 23 Perlen wollte selbst zur „Grossen Perle” werden, und zwar diejenige, welche der Diktator einst seinen „Bruder” nannte. Das war zu viel des Unguten. Darum wurde aus dem „dear brother” ein etwas weniger dearer „devil”.
Die Wahl zur „Grossen Perle” fand übrigens heute auf den Tag genau vor einem Jahr statt. Der als „Teufel” bezeichnete Herausforderer hatte sich wenige Tage vorher unter mysteriösen Umständen zurückgezogen.
Bevor ich Ihnen mehr über das Innenleben der Auster sage, gibt es etwas zu Slobodan. Ich war gerade darin vertieft, diese Zeilen in den Computer zu tippen, als der junge Mann sich im Zug zu mir setzte. Er kam vom Muskeltraining und fragte mich im typischen Slang der Jungen: „Hey Mann, was hackst Du da in Deine krasse Maschine?”
Ich antworte, dass ich daran sei, eine Laudatio auf die „Verschlossene Auster” zu verfassen. Weil er wissen wollte, was so ein „Lauda-Ding” denn sei, versuchte ich, es zu erklären. Dabei rutschte mir der Name der Preisträgerin heraus.
Wegen dieser Unachtsamkeit wusste ein junger Mann schon ein paar Tage vor Ihnen, wer heuer mit der „Verschlossenen Auster” ausgezeichnet wird.
„Hey Mann, Du machst Deinen „Lauda-Toni” nicht für eine normal verschlossene Auster, wo jeder knacken kann”, schoss es aus ihm heraus. Er klopfte mir dabei anerkennend und etwas gar fest auf die Schulter. „Hey, Deine Muschel ist krass eine voll integral verschlossene Auster.”
Der Begriff gefällt mir. Ich kürze ihn ab und verwende nur die Anfangsbuchstaben von „Voll Integral Verschlossene Auster”. Ich nenne den Preisträger von jetzt an VIVA. Das Copyright gehört Slobodan.
Schauen wir uns den nicht gewinnorientierten Verein, der die Auster erhalten wird, etwas genauer an:
Die „Voll Integral Verschlossene Auster”, also die VIVA, zählt einen Präsidenten und 23 ehrenamtliche Spitzenfunktionäre in ihren Reihen. Das wissen Sie schon. Zudem hat die VIVA 390 Angestellte in der Administration. In der letzten Woche waren viele von ihnen in Ungarn.
Schon im Vorfeld schienen sich die Perlen auf den Aufenthalt dort zu freuen. Die Ankündigung auf der Webseite der VIVA lautete: „Die Perle an der Donau, wie Budapest auch genannt wird, bietet der VIVA eine malerische Kulisse für ihren 62. Kongress, bei dem die 208 Mitgliedsverbände über weitreichende Reformen in den Bereichen Good Governance, Compliance und Ethik befinden werden.”
– “Reformen”
– “Good Governance”
– “Compliance”
– “Ethik”
Das sind gar grosse Begriffe für die patriarchalisch geführte VIVA, die es seit 108 Jahren gibt.
In Budapest wurde beschlossen, bald zum ersten Mal eine weibliche Perle in den Altherrenzirkel aufzunehmen. Wenn man die VIVA in diesem Tempo weitermachen lässt, werden frühestens unsere Urenkel etwas von ernsthaft gelebter Good Governance und Ethik in der VIVA spüren.
Nur nebenbei: Kennen Sie das schweizerische „Unwort des Jahres 2010″? – „VIVA-Ethikkommission”.
Wechseln wir von der Pseudoethik zur konkreten Raffgier. Wie vergolden sich die Perlen der VIVA ihre Nasen?
Die VIVA schüttete im letzten Jahr 96.8 Millionen Dollar an Löhnen, Zahlungen an Ehrenamtliche und Boni (67.3 + 29.5 = 96.8 Mio) aus. Das macht bei 414 Personen 233‘000 Dollar pro Kopf.
Nimmt man die Luxus-Sozialleistungen der VIVA dazu, dann weist die Rechnung sogar 118.5 Millionen Dollar aus (89 + 29.5 = 118.5 Mio). Das macht im Schnitt 286‘000 Dollar pro Person.
Nicht übel für einen nicht gewinnorientierten Verein mit extremen steuerlichen Privilegien und einem ideellen Zweck.
Für den Europarat sind solche Vergütungen schlicht jenseits von Gut und Böse. Wenn wir etwas genauer hinschauen, kommt es noch dicker.
Seit 2004 wird in aller Stille viel Geld für so genannt „kurzfristig fällige Leistungen” ausbezahlt. Das sind zum allergrössten Teil Boni für die „Grosse Perle” und deren 23 Mitperlen. In den letzten acht Jahren hat der nicht gewinnorientierte Verein VIVA seinem ehrenamtlichen Vorstand und dem Präsidenten, der nach eigener Darlegung keinen Lohn nimmt, sondern nur eine „Entschädigung” erhält, mehr als 100 Millionen Dollar an Boni zukommen lassen.
Früher gab es keine Bonuszahlungen. Da liessen sich die Perlen von aussen mit Sauerstoff versorgen.
„Oxygène”, also Sauerstoff, so nennen Insider die Schmiergeldzahlungen von 140‘785‘618 Franken und 93 Rappen, welche die damals führende Sport-Agentur zahlreichen Sportfunktionären während zwölf Jahren zuschanzte. Heimlich und über allerlei verschlungene Wege.
Eine Frage interessiert mich brennend: Wer nahm die 93 Rappen?
Empfänger schwarzen Geldes gab es nicht nur unter den 23 VIVA-Perlen. Es waren, das belegen Gerichtsakten, auch Perlen des Preisträgers von 2008 darunter: Offenbar konnten heute noch stimmberechtigte Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees dank des verabreichten Sauerstoffs besser atmen!
Logisch, dass die Schmiergeldagentur Konkurs ging. Die Luft war ihr ausgegangen. Nach dem Tod jener „Sugar-Mama” aus dem schönen Schweizer Städtchen Zug musste ein neuer Sauerstoff-Lieferant her. Die VIVA fand eine hausinterne Lösung.
Ein solches Husarenstück war nur möglich, weil die TV- und Marketingrechte der Schmiergeldagentur nach deren Konkurs auf geradezu wundersame Art an die VIVA gingen. Anstatt in die Konkursmasse, wie es sich gehört hätte.
Dank dieser neuen milliardenschweren Lizenz zum Gelddrucken konnten allein in den letzten beiden Jahren mehr als 60 Millionen Dollar für „kurzfristig fällige Leistungen” ausgeschüttet werden.
„Le Président” und jedes einzelne seiner 23 ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder bedienen sich – im Schnitt – mit jährlich rund einer Million Dollar aus der VIVA-Kasse.
Haben diese neuen Boni die alten Schmiergeldzahlungen ersetzt? Ein Schelm, wer einen Zusammenhang sieht und Böses dabei denkt.
Zum Schluss muss ich Ihnen noch zwei wichtige Dinge mitteilen:
a) wer die Auster gewonnen hat und
b) dass wir Schweizer manchmal Mühe haben, das „V” wie „Vögeli” vom „F” wie Fussball zu unterscheiden.
Die diesjährige „Verschlossene Auster”, oder die gemäss Slobodan „Voll Integral Verschlossene Auster” geht an die Féderation Internationale de Football Association.
Oder kurz gesagt: Die VIVA geht an die FIFA.

Pressefotos (honorarfrei für Berichterstattung zur Verleihung der Verschlossenen Auster bei Nennung der Fotografen)

Verschlossene Auster, Laudator Roland Rino Büchel  (Fotograf: Raphael Hünerfauth)

Verschlossene Auster, Laudator Roland Rino Büchel
(Fotograf: Raphael Hünerfauth)

Verschlossene Auster, Laudator Roland Rino Büchel (Fotograf: Sebastian Stahlke)

Verschlossene Auster, Laudator Roland Rino Büchel
(Fotograf: Sebastian Stahlke)

Verschlossene Auster 2023 für Verleger Holger Friedrich

Der Negativpreis „Verschlossene Auster“ von Netzwerk Recherche für den Informationsblockierer des Jahres geht in diesem Jahr an Holger Friedrich, den Verleger der Berliner Zeitung. Die Journalist:innenvereinigung zeichnet ihn für seinen erschreckenden und zerstörerischen Umgang mit dem journalistischen Informantenschutz aus.

Als der frühere Bild-Chefredakteur Julian Reichelt im Frühjahr 2023 Friedrich interne Informationen anbot, kontaktierte Friedrich anschließend Reichelts früheren Arbeitgeber, den Axel-Springer-Verlag. Friedrich informierte Springer über den eigentlich vertraulichen Vorgang. Damit habe er den Quellenschutz gebrochen – eines der Grundprinzipien des Journalismus, argumentiert Netzwerk Recherche in der Begründung für die Auszeichnung.

„Die Verschlossene Auster verleihen wir normalerweise an Menschen, die Informationen zurückhalten. Den Bruch des Quellenschutzes durch Holger Friedrich halten wir jedoch für so gravierend, dass wir in diesem Jahr eine Ausnahme machen und Friedrich mit dem Negativpreis der Verschlossenen Auster auszeichnen“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender des Netzwerk Recherche. Weiterlesen

Verschlossene Auster 2021 geht an die Hohenzollern

Foto: Raphael Hünerfauth

Die Verschlossene Auster 2021 geht an die Hohenzollern. Mit dem Negativpreis zeichnet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Organisation begründet die Vergabe des Preises an die Adelsfamilie mit dem Umgang von Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Journalist:innen und Wissenschaftler:innen. Diese werden von ihm und seinen Vertretern mit Dutzenden von Klagen überzogen – was die Freiheit der Berichterstattung und die öffentliche Diskussion über grundsätzliche Fragen der deutschen Geschichte bedroht. Der Historiker Martin Sabrow, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam bezeichnete das Verhalten der Hohenzollern als „Unkultur der Einschüchterung“.

„Über Gerichte und Anwaltsschreiben versucht der Sprecher der Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen, Berichterstattung zu beschneiden, die sich um die historisch bedeutsame Frage dreht, ob seine Vorfahren dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet haben und ob er damit zu Recht oder zu Unrecht auf Entschädigung für enteignete Immobilien und Kunstwerke streitet“, heißt es in der Begründung von Netzwerk Recherche. Die Einladung zur Entgegennahme des Preises auf der nr21–Online-Konferenz – und damit zur Gegenrede –, nahmen die Hohenzollern nicht an. Sie teilten schriftlich mit: „Der Begründung Ihrer Entscheidung ist hinzuzufügen, dass das Vorgehen von Georg Friedrich Prinz von Preußen sich zu keiner Zeit gegen eine Berichterstattung als solche, sondern gegen die Verbreitung von Falschinformationen innerhalb von einzelnen Berichterstattungen richtete, da die Meinungsbildung auf Grundlage korrekter Information ein Privileg unserer demokratischen Gesellschaft darstellt.“

In ihrer Laudatio auf den Preisträger sagte Sophie Schönberger, Professorin für Kunst- und Kulturrecht an der Universität Düsseldorf, über Historiker:innen und Journalist:innen: „Nicht wenige äußern sich mittlerweile lieber gar nicht mehr, aus Sorge sonst Post vom Anwalt zu bekommen und möglicherweise auch gerichtlich belangt zu werden.“ Schönberger hat rund 80 Klagen des Hauses Hohenzollern dokumentiert. Sie sagte, Georg Friedrich Prinz von Preußen habe ein Klima erzeugt, „in dem die freie Meinungsäußerung Selbstbeschränkungen unterliegt“. Sein Fall zeige: Das Recht könne „instrumentalisiert werden, um eine öffentliche Debatte zu ersticken“.

Bayerische Staatsregierung erhält Verschlossene Auster 2019

Die Verschlossene Auster 2019 geht an die Bayerische Staatsregierung. Mit dem Negativpreis zeichnet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (nr) den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Begründung des nr-Vorstands: Die Staatsregierung, getragen von einer Koalition aus CSU und Freien Wählern, blockiert weiterhin die Einführung eines Informationsfreiheitsrechts, wie es in den meisten Bundesländern schon existiert. Außer in Bayern fehlt das Recht zur Einsicht in behördliche Akten nur noch in Sachsen und Niedersachsen – dort ist es aber immerhin in Planung.

„Vor allem die CSU wehrt sich beständig dagegen, die Aktenschränke der Exekutive zu öffnen. Dabei geht es natürlich um Macht“, sagte Arne Semsrott, Projektleiter für FragDenStaat.de bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, in seiner Laudatio auf den Preisträger. Vor einem halben Jahr hätte die frisch gewählte bayerische Regierung die Möglichkeit gehabt, ihr Dasein als Transparenzschlusslicht zu beenden, so Semsrott: „Die Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler, hatten in ihrem Wahlprogramm ein Informationsfreiheitsgesetz versprochen. Am Ende der Verhandlungen gab es im Koalitionsvertrag allerdings eine Leerstelle.“

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Verschlossene Auster 2018 für den Bürgermeister von Burladingen

Der Negativpreis “Verschlossene Auster” von Netzwerk Recherche für den Informationsblockierer des Jahres geht in diesem Jahr an den Bürgermeister von Burladingen in Baden-Württemberg. Der AfD-Politiker Harry Ebert erhält die Auszeichnung für seinen selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit der örtlichen Presse.

Weil Harry Ebert die Berichterstattung der Lokaljournalisten nicht gefiel, überzog er sie mit einem regelrechten Strafkatalog: Er verweigerte sich Interviews, ließ Anfragen unbeantwortet und wies städtische Mitarbeiter an, nicht mit der Presse zu sprechen. Er ließ im Amtsblatt der Stadt gegen die örtlichen Journalisten wettern und drohte mit dem Entzug von Abonnements, falls eine unliebsame Reporterin nicht abgezogen werde. Weiterlesen

Verschlossene Auster 2017 für die Regenbogenpresse

Die Verschlossene Auster, der Negativpreis von Netzwerk Recherche für den Informationsblockierer des Jahres, geht 2017 an drei Verlage der Regenbogenpresse. Ausgezeichnet werden die Funke Mediengruppe (für die Magazine „Die Aktuelle, „Das Goldene Blatt“, „Frau aktuell“), die Hubert Burda Media Holding (für die „Freizeit Revue“) und die Bauer Media Group (für „Das Neue Blatt“, „Freizeitwoche“, „Neue Post“, „Das Neue“). Sie erhalten den Preis auch stellvertretend für die übrigen Verlage der Branche.

Nach Ansicht von Netzwerk Recherche untergraben die Preisträger das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Medien: Mit irreführenden Schlagzeilen, falschen oder erfundenen Texten, fehlender Nachfrage bei den Betroffenen, Manipulationen von Fotos und nicht selten der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Die Bereitschaft zur freiwilligen Korrektur von falscher Berichterstattung fehlt häufig.

Mit der Auszeichnung wird auch gewürdigt, dass die Verlage nur äußerst ungern Auskunft geben zu Form, Machart und Inhalt ihrer Magazine. Auf Anfragen von Netzwerk Recherche haben sie wochenlang nicht geantwortet. Erst wenige Tage vor der Preisverleihung am 10. Juni reagierten sie schriftlich. Ihre Stellungnahmen werden auf der Webseite von Netzwerk Recherche veröffentlicht. Eine Teilnahme an der Preisverleihung lehnten alle drei Verlage ab.

Die Antworten der „ausgezeichneten“ Verlage:


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Stellungnahme der Bauer Media Group

Stellungnahme der Bauer Media Group zur Verschlossene Auster 2017:

Rund 15 Millionen Deutsche lesen Woche für Woche Yellow-Titel. Leserinnen und Leser machen dieses Segment somit zu einem der größten und erfolgreichsten im Land.
Wir nehmen unsere Leserinnen und Leser ernst, verstehen ihre Wünsche und bedienen professionell ihre Bedürfnisse nach gut gemachter Unterhaltung.
Diese Form des unterhaltenden Journalismus als besonders kritikwürdig einzustufen und sich damit über Abertausende von Kolleginnen und Kollegen sowie Millionen von Leserinnen und Lesern zu erheben, empfinden wir als anmaßend.

Stellungnahme der Funke Mediengruppe

Stellungnahme der Funke Mediengruppe zur Verschlossene Auster 2017:

Den Negativ-Preis “Verschlossene Auster” nehmen wir nicht gerne, aber mit Respekt für Ihre Entscheidung entgegen.

Sogenannte Yellows decken unserer Überzeugung nach ein weit verbreitetes gesellschaftliches Bedürfnis ab. Die Nachfrage nach diesen Titeln zeigt das sehr deutlich: Menschen interessieren sich immer für Menschen. Yellows sind ein wichtiger Bestandteil unserer vielfältigen Presselandschaft. Wir richten die Themen entsprechend der Erwartungen unserer Leserinnen und Leser aus. Es ist für uns aber auch selbstverständlich, dass dieser primär unterhaltende Journalismus geltenden rechtlichen und natürlich auch ethischen Maßstäben entsprechen muss.

Wir stellen uns gerne der sachlichen Debatte zu diesem Thema. In einer Diskussion, deren Ausgang von Vornherein festzustehen scheint, sehen wir allerdings, wie wir Ihnen bereits Mitte Mai telefonisch signalisiert haben, wenig Sinn. Nach einer Möglichkeit, einen offenen und inhaltlich differenzierten Dialog über die Bedeutung des unterhaltenden Journalismus, seine Praktiken und seine Wirkungen zu führen, sollten wir gemeinsam suchen.

Stellungnahme der Hubert Burda Media Holding

Stellungnahme der Hubert Burda Media Holding zur Verschlossene Auster 2017:

Gegenüber Freizeit Revue wurden in der jüngeren Vergangenheit keine Beschwerden vom Deutschen Presserat ausgesprochen. Auch unter dem Aspekt „Wahrheitsschutz“ ist nicht ersichtlich, weshalb Freizeit Revue in den Verdacht unzutreffender Berichterstattung oder unzulänglicher Recherche geraten ist. In jüngerer Vergangenheit mussten weder Gegendarstellungen gedruckt, noch Richtigstellungen veröffentlicht werden. Ebenso weisen wir den Vorwurf der Manipulation von Bildmaterial zurück.

Sofern von der Berichterstattung betroffene Personen der Auffassung sind, bestimmte Veröffentlichungen würden ihre Persönlichkeitsrechte verletzen, so artikulieren sie sich in der Regel über ihre Rechtsvertreter und lassen ihre Ansprüche dort formulieren. Die erhobenen Ansprüche werden von der Redaktion und dem presserechtlichen Hausjustitiariat anschließend geprüft und – sofern die Einwände berechtigt sind – befriedigt. Soweit eine Verletzung der „Privatsphäre“ geltend gemacht wird, prüfen die Verantwortlichen dabei äußerst genau, ob Aspekte des überwiegenden öffentlichen Interesses Vorrang genießen. Dass die in der Abwägung zu setzenden Schwerpunkte angesichts der unterschiedlichen Interessenlage der Betroffenen einerseits und den Medien andererseits, mitunter abweichend beurteilt werden, liegt in der Natur der Sache.

Begründung zur Vergabe der Verschlossene Auster 2017

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Sie darüber informieren, dass der Vorstand von Netzwerk Recherche am Wochenende beschlossen hat, mit dem jährlich verliehenen Negativ-Preis “Verschlossene Auster” in diesem Jahr Redaktionen und Verlage zu würdigen, die für die Inhalte der sogenannten “Regenbogenpresse” verantwortlich sind.

Der Preis geht deshalb (stellvertretend auch für die anderen Verlage und Redaktionen, die in diesem Medienbereich aktiv sind) an

  • die Funke Mediengruppe (für die Magazine “Die Aktuelle”, “Das goldene Blatt”, “Frau aktuell”)
  • die Hubert Burda Media Holding (für das Magazin “Freizeit Revue”)
  • die Bauer Media Group (für die Magazine “Das neue Blatt”, “Freizeitwoche”, “Neue Post”, “Das Neue”).

Mit diesem Preis soll eine breite Öffentlichkeit auf diese u.E. sehr zweifelhafte und umstrittene Form des “Journalismus” hingewiesen werden, der offenbar das Geschäftsmodell dieser Magazine darstellt – u.a. mit irreführenden Schlagzeilen auf dem Cover, immer mal wieder falschen oder erfundenen Beiträgen im Innenteil, nicht selten Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Manipulationen von Fotos, fehlender Nachfrage bei “Betroffenen”, keiner Bereitschaft zur freiwilligen Korrektur bei falscher Berichterstattung.

Die Folgen dieser Art des “Journalismus” sind bekannt: Hohe Verkaufszahlen am Kiosk für Ihre Blätter. Aber eben auch regelmäßige Beschwerden beim Presserat, gerichtlich erzwungene Gegendarstellungen, wütende und berechtigte Proteste von Personen, die Gegenstand der Berichterstattung sind. Weiterlesen

Verschlossene Auster: “Behörden Spiegel” geht ins Rennen

Die Verschlossene Auster, der nr-Preis für den Informationsblockierer des Jahres, ist auch 2015 heiß begehrt – sogar in Medienkreisen: Die Zeitung “Behörden Spiegel” hat sich in den vergangenen Tagen mächtig ins Zeug gelegt, um sich als Kandidat zu qualifizieren. Sie verweigerte den Kollegen von Netzpolitik.org die Akkreditierung zum von ihr organisierten “Europäischen Polizeikongress”. Die Begründung: Das Pressekontingent sei “mittlerweile ausgebucht”. Doch das war offenbar gelogen: Journalisten, die sich danach um die Akkreditierung bemühten, erhielten sie ohne Probleme. Von uns darauf angesprochen, verwies uns ein Mitarbeiter des “Behörden Spiegel” auf eine Erklärung, die jedoch keine unserer Fragen beantwortete. Die Ablehnung gegenüber Netzpolitik.org blieb bestehen – offenbar wollte man die kritischen Journalisten von Netzpolitik.org nicht dabeihaben beim Europäischen Polizeikongress. Das findet anscheinend sogar das Innenministerium blöd – und das kennt sich nun wirklich aus mit Info-Blockaden, als zweifacher Auster-Preisträger. Vielleicht will das Ministerium aber auch einfach mal anderen den Vortritt lassen.

Die Auster geht auf Tournee

Die „Verschlossene Auster“ in der Ausstellung „Unter Druck! Medien und Politik“. Foto: Teena Ihmels

Die „Verschlossene Auster“ in der Ausstellung „Unter Druck! Medien und Politik“. Foto: Teena Ihmels

Die Verschlossene Auster, der Negativpreis von Netzwerk Recherche für den Informationsblockierer des Jahres, ist eines der Exponate der soeben eröffneten Ausstellung “Unter Druck! Medien und Politik”. Sie wird bis 9. August 2015 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen sein, anschließend im Haus der Geschichte in Bonn.

Hintergrund ist die Verleihung der Auster 2013 an den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Er hatte sich zunächst geweigert, den Journalisten Daniel Drepper und Niklas Schenck Auskunft über die Medaillen-Zielvorgaben für die Olympischen Spiele zu geben. Durch eine Klage gelang es den Kollegen, das Ministerium zur Auskunft zu zwingen. Für ihre Hartnäckigkeit wurden sie mit dem Wächterpreis belohnt. Netzwerk Recherche hatte die Recherchen mit einem Stipendium unterstützt. Weiterlesen

„Verschlossene Auster“ 2010 geht an die Katholische Kirche

Bischofskonferenz nimmt die Auszeichnung für die Informationsblockaden der Kirche entgegen

Es wurde vertuscht, verleugnet und verheimlicht: Die Verschlossene Auster, der Kritik-Preis der Journalistenvereinigung netzwerks necherche e.V. (nr) für den “Informationsblockierer des Jahres”, geht 2010 an die Katholische Kirche für ihren Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Stellvertretend für sie nimmt Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, den Preis entgegen. Weiterlesen

„Verschlossene Auster“ 2008 an das IOC

Negativ-Preis geht in diesem Jahr an das Internationale Olympische Komitee – und stellvertretend an seinen Vizepräsidenten Thomas Bach

Hamburg/Wiesbaden. Die Verschlossene Auster, der Kritik-Preis des Netzwerks Recherche für den „Informationsblockierer des Jahres“, geht 2008 an das Internationale Olympische Komitee (IOC) und stellvertretend an Thomas Bach, den langjährigen Vizepräsidenten des IOC. Das IOC duldet seit vielen Jahren Korruption und Interessenskonflikte bei der Vergabe der Spiele. Es versucht sich zu reformieren, aber tut zu wenig, um Hinweisen und Indizien für solche Vorfälle nachzugehen und sie aufzuklären. Genehme Journalisten werden von einzelnen Verantwortlichen bevorzugt bedient. Weiterlesen

„Verschlossene Auster“ 2005 an Gerhard Mayer-Vorfelder

DFB-Präsident erhält „Auszeichnung“ des Netzwerks Recherche für seine restriktive Informationspolitik

Die „Verschlossene Auster“, der Kritik-Preis der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche für Info-Blocker, geht in diesem Jahr an den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Gerhard Mayer-Vorfelder. Er erhält den Preis für seine restriktive Informationspolitik bei der Bundestrainer-Suche und der DFB-Schiedsrichteraffäre sowie für seine sachlich unbegründete Klagefreudigkeit gegenüber dem Südwestrundfunk (SWR). Der Sender hatte sich in einer Satire mit dem Multifunktionär beschäftigt. Weiterlesen