Laudatio zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2015

Austerpreisträger: Heckler & Koch
Laudator: Hauke Friederichs, freier Journalist (Spezialgebiete sind Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie Rüstungsexporte)

Sehr geehrter Damen und Herren,

seit 13 Jahren wird die Verschlossene Auster verliehen. Zu den Preisträgern gehören einflussreiche Politiker, große Konzerne und eine der ältesten Institutionen überhaupt, die katholische Kirche. In diesem Jahr geht die Verschlossene Auster an eine kleine Nummer, zumindest wenn man nur nach den Zahlen geht.
Heckler & Koch, ein Mittelständler aus Baden -Württemberg. Rund 650 Angestellte arbeiten für die Firma aus dem beschaulichen Oberndorf am Neckar. 2013 erzielte Heckler & Koch ein Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern von 36,3 Millionen Euro. Keine beeindruckenden Zahlen.

Eine kleine Nummer? Nicht ganz!

Denn der Mittelständler aus der Provinz ist im internationalen Rüstungshandel ganz groß. Die Firma zählt zu den wichtigsten Herstellern von sogenannten Kleinwaffen in der westlichen Welt. Heckler & Koch ist stolz auf seine Produkte. Ein Sturmgewehr bewirbt das Unternehmen so: „Optimal in der Handhabung, im Gewicht und der Feuerdichte im Nahkampf, sowie für ein schnelles, präzises und durchschlagskräftiges Einzelfeuer im Fernkampf.“

Das Unternehmen liefere seine Waffen an „Militärs, Sicherheitskräfte und Sondereinsatzkommandos der NATO und befreundeter Staaten“, so lautet zumindest die offizielle Version. Doch tatsächlich ist die Kundenliste sehr viel länger. Und viele Staaten die in den vergangenen Jahren darauf standen, stehen massiv in der Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen, die ihre Sicherheitskräfte begangen haben.
Einige Beispiele dafür sind: Ägypten, Bahrain, Mexiko, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate. In Saudi-Arabien schmückt eine Waffe von Heckler & Koch sogar das Wappen des Grenzschutzes, wie ich auf einer Recherchereise erstaunt festgestellt habe.

In den Konfliktgebieten dieser Welt ist Heckler & Koch so bekannt wie an friedlicheren Orten Daimler Benz. Es gibt wohl keinen Krieg auf der Welt, in dem nicht mit Gewehren, Pistolen oder Granatwerfern von Heckler & Koch getötet wird. Für Journalisten gibt es also gute Gründe, sich die Geschäfte von Heckler & Koch genau er anzusehen, die Wege der Waffen zu verfolgen, die Abnehmer intensiv unter die Lupe zu nehmen.

Schließlich sind Kleinwaffen die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts. Das sagen nicht die üblichen Verdächtigen aus der Friedensbewegung, sondern das sagt der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Im Fall von Heckler & Koch sind investigative Journalisten besonders gefordert. Denn in den vergangenen sieben Jahren tauchten Waffen aus Oberndorf in Ländern auf, in denen sie nicht hätten sein dürfen. Deutsche Zollbeamte und Staatsanwälte ermitteln. Angestoßen wurden die meisten dieser Ermittlungen durch Medienberichte.

Über die Exporte an Länder wie Saudi¬‐Arabien und die Ermittlungen der Staatsanwälte spricht Heckler & Koch so gut wie nie. Pressekonferenzen veranstaltet HK ebenso wenig wie Medientage. Und ganz selten sind die Verantwortlichen zu Interviews mit Journalisten bereit, die nicht für eines der Rüstungsfachblätter arbeiten und damit selber zur Branche gehören.

Ganz selten werden kritische Rechercheure in der Zentrale in Oberndorf empfangen. Ich hatte einmal diese Ehre – zumindest fast. Denn kurz vor dem vereinbarten Termin wurde ich wieder ausgeladen. Das Unternehmen sagte den vereinbarten Besuch mit folgender Begründung ab: „Nach der Untersuchung / Großrazzia durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart am 10.11.2011 ist die Funktionsfähigkeit des Unternehmens deutlich gestört. Unsere Geschäftsführer haben alle Hände voll zu tun, die Produktion wieder ans Laufen zu bringen und Strukturen wiederherzustellen. Außerdem empfehlen unsere Anwälte, derzeit keinerlei Aussagen gegenüber den Medien zu treffen. “

Das war wenigstens einmal richtig ehrlich. Ansonsten reagiert das Unternehmen häufig nicht auf Anfragen – oder lässt seine Rechtsanwälte von Bub, Gauweiler und Partner antworten. In dieser Münchner Kanzlei ist Peter Gauweiler von der CSU als Partner aktiv.

Die Juristen antworten auf die Fragen von Journalisten meist recht knapp – dafür schicken sie lange, teilweise mehrseitige Stellungnahmen zur „Rechtslage“ mit. Und sie weisen gern freundlich auf die Risiken hin, die Berichterstatter eingehen, sollten diese von der journalistischen Sorgfaltspflicht abweichen – zumindest von dem, was Heckler & Koch unter Sorgfaltspflicht versteht. „Sollte Ihre Berichterstattung unter Verletzungen dieser Anforderungen falsche Tatsachenbehauptungen über unsere Mandantschaft oder deren Geschäftstätigkeit bzw. widerrechtliche Verdächtigungen gegen Beteiligte enthalten, müssen sich nicht nur mit umfangreichen äußerungsrechtlichen Schritten rechnen. (…)“ Und weiter: „Wir hoffen in beiderseitigem Interesse, dass ihre Berichterstattung hierfür keine Veranlassung geben wird.“

Und um ganz sicher zu gehen, beschwerte sich Heckler & Koch auch noch bei der Chefredaktion der ZEIT, über den Fragesteller, der mehrfach über Heckler & Koch geschrieben hatte, und warf ihm „wenig objektive Berichterstattung“ vor. Andere Kollegen haben ähnliches erlebt. Einige wurden auch verklagt.

Wenig überraschend ist daher, dass Heckler & Koch nicht nur bei seinen Exporten wenig auskunftsfreudig ist. Auch kritische Fragen zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sind beim diesjährigen Empfänger der Verschlossenen Auster genauso wenig willkommen wie öffentlich geäußerte Zweifel an der Qualität seiner Gewehre. Dabei gibt es auch dazu berechtigten Anlass.

Schließlich hat der Preisträger momentan ein großes Imageproblem:
Das Sturmgewehr G36, die Standartwaffe der Bundeswehr und anderer Armeen, zeige Schwächen bei „schussinduzierter Erwärmung und bei extremen Temperaturen“. So klagt der wichtigste Kunde, das deutsche Verteidigungsministerium. Das aktuelle Sturmgewehr G 36 habe keine Zukunft in der Truppe. In aller Öffentlichkeit wurde wochenlang über die Waffen von Heckler & Koch diskutiert. Das ist das Unternehmen nicht gewöhnt. Öffentlichkeit und Waffengeschäfte, das geht bei Heckler & Koch nicht zusammen.

Schwere Zeiten sind das für die Oberndorfer. Als einen der Hauptverantwortlichen für ihre Probleme scheint Heckler & Koch die Medien ausgemacht zu haben: Die Firma klagt über „medial verbreitete Pauschalbehauptungen“ und eine „Vielzahl undifferenzierter Negativberichte “. Zwar haben viele Rüstungsunternehmen ein notorisch schlechtes Verhältnis zu Journalisten. Doch Heckler & Koch hat der Pressefeindlichkeit der Rüstungsbranche noch eine besondere Note beigefügt.

Zwei wichtige Vertreter des Unternehmens, Andreas Heeschen, der Hauptinvestor, sowie Niels Ihloff, damals Geschäftsführer, haben im November 2013 beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) vorgesprochen . Sie sollen dem MAD-Chef vorgetragen haben, dass Heckler & Koch durch Kampagnen unterschiedlicher Personen gezielt diskreditiert werde. So seien in den Medien als Verschlusssache eingestufte Unterlagen aufgetaucht. Und es erfolge eine negative Berichterstattung über das Unternehmen.

Vieles deutet darauf hin, dass die Vertreter des Gewehrbauers um die Hilfe des Geheimdienstes baten, um Informanten der Journalisten auffliegen zu lassen, den Rechercheuren so ihre Arbeit zu erschweren und letztlich kritische Berichterstattung zu unterbinden. Diese Probleme sollten vom Geheimdienst irgendwie gelöst werden.

Das sorgte nicht nur bei uns Journalisten für Empörung. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kritisierte Heckler & Koch dafür, sich an den MAD gewandt zu haben.

Heckler & Koch hat in einer Erklärung nicht bestritten, dass die Geschäftsführer beim MAD-Präsidenten vorstellig wurden. Auf eine „aktive Ausspähung von Journalisten durch den militärischen Abschirmdienst“ habe man aber nicht gedrungen. Warum die Herren beim Geheimdienstchef waren, verrät Heckler & Koch allerdings nicht.

Fest steht, dass Unterstützer von Heckler & Koch im Ministerium versucht haben, die Berichterstattung über die Schwächen des G36 zu verhindern. Sie waren stets loyal gegenüber Heckler & Koch, nicht loyal gegenüber dem Staat oder den Soldaten im Auslandseinsatz, die über die Qualitätsprobleme ihres Standartgewehrs aus der Presse erfuhren. Diese Beamten haben eine lange Liste mit Artikeln angelegt, die sich mit dem Gewehrbauer beschäftigen. Sie soll belegen, dass eine Kampagne gegen Heckler & Koch läuft. Darauf finden sich auch Texte, die über illegale Gewehrexporte berichteten – nicht über die schlechte Trefferleistung des G36 bei Hitze.

Ein Spitzenbeamter behauptete sogar, ausländische Geheimdienste könnten hinter der angeblichen Kampagne stecken. Dem MAD reichten diese Verschwörungstheorien nicht aus, um Ermittlungen gegen Journalisten einzuleiten. Dessen Präsident erklärte sich für nicht zuständig. Heckler & Koch musste auf die Hilfe des Militärgeheimdienstes verzichten.

Dennoch, allein dass Unternehmensvertreter beim MAD vorsprechen, bei einem Geheimdienst, der für den Schutz der Bundeswehr geschaffen wurde, ist wohl einzigartig in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Verschlossene Auster hat das Unternehmen damit mehr als verdient.

Mit dem Preis will Netzwerk Recherche schließlich ein Signal setzen gegen das Totschweigen und Vertuschen, für Transparenz und freie Medienberichterstattung. Mit Totschweigen und wohl auch mit dem Vertuschen kennt unser Preisträger sich besonders gut aus. Beides scheint geradezu zur DNA dieses Unternehmens zu gehören.

Der Preis wird in Oberndorf wohl als weiterer Beleg für eine Schmutzkampagne gegen das Traditionsunternehmen gewertet.

Hier ist nun ein kleiner Hinweis in eigener Sache angebracht: Der Militärische Abschirmdienst ist auch für Nachforschungen in Sachen Verschlossene Auster absolut nicht zuständig. Nachfragen aus Oberndorf in dieser Sache beim MAD wären also völlig unnötig.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.