„Wir spre­chen ja auch nicht vom ‚Tele­fon­jour­na­lismus‘“

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 16. Juli 2014 | Lese­zeit ca. 4 Min.

Vier Fragen an… Miguel Paz

Miguel Paz (Foto: Raphael Hüner­fauth)

1. Welche beson­deren Her­aus­for­de­rungen stellen sich für Daten­jour­na­listen in Deutsch­land?
Jour­na­listen welt­weit und eben auch in Deutsch­land müssen ver­stehen, dass Daten­jour­na­lismus ein Teil davon ist, wie Jour­na­lismus heute funk­tio­niert. Eigent­lich ist es nur eine Metho­do­logie, ein Werk­zeug, das wir zwar Daten­jour­na­lismus nennen, sich aber auf alle ver­schie­denen jour­na­lis­ti­schen Sparten anwenden lässt. Sei es im Sport­jour­na­lismus oder im Gesund­heits­jour­na­lismus. Irgend­wann, wird man gar nicht mehr über „den“ Daten­jour­na­lismus spre­chen, son­dern über die Werk­zeuge, die er dem Jour­na­listen zur Ver­fü­gung stellt. Wir spre­chen ja auch nicht vom „Tele­fon­jour­na­lismus“. Ein­fach, weil es ganz normal ist, ein Telefon zu ver­wenden. Dahin auch mit dem zu kommen, was wir heute Daten­jour­na­lismus nennen, sollte das Ziel sein. Denn Daten­jour­na­lismus führt zu einem bes­seren Jour­na­lismus – das sollten die Redak­tionen ver­stehen und vor­leben. Außerdem sind die Zeiten des Jour­na­listen als ein­samem Wolf ohnehin vorbei – so unro­man­tisch das klingen mag. Wir müssen uns zu Team­playern ent­wi­ckeln. Und wenn wir vor einem Berg an Daten sitzen, dann muss einer im Team sein, der sie ent­schlüs­seln kann.
2. Wie sollte man Daten­jour­na­lismus in Deutsch­land för­dern?
Das wich­tigste ist, nie­manden abzu­schre­cken. Und das würde schnell pas­sieren, wenn man hin­geht und sagt: „Hey, du musst jetzt pro­gram­mieren.“ Jour­na­listen, die aus den Geis­tes­wis­sen­schaften kommen und Schwie­rig­keiten mit Mathe­matik haben, kommen mit sol­chen Aus­sagen schwer zurecht. Aber nehmen wir mal an, jemand sitzt vor einem gewal­tigen Berg an Daten und muss Infor­ma­tionen daraus ziehen, dann hilft es, wenn man sagt: „Pass auf, ich kann dir eine Formel zeigen, mit der sparst du bei deiner Suche fünf Stunden. Fünf Stunden, die du ein­setzen kannst, um ander­weitig zu recher­chieren.“ Oder man bringt jemandem ein kleines biss­chen bei und dann noch ein kleines biss­chen, sodass dieser jemand nicht mehr so abhängig von Experten ist. Was ich damit sagen will: Es kommt darauf an, stück­weise vor­zu­gehen und dabei daran zu denken, was ein Jour­na­list tat­säch­lich für
seine Arbeit braucht. Darauf kommt es an – und nicht darauf, was ihm ein Profi-​Pro­gram­mierer gerne bei­bringen würde. Auf der anderen Seite gibt es natür­lich Jour­na­listen, die sich über­haupt nicht mit Daten aus­ein­ander setzen wollen oder können. Dann ist es sinn­voll, in Teams zusammen zu arbeiten, in denen jeder seinen Teil zu einer gelun­genen Geschichte bei­trägt.

3. Wo könnten Daten­jour­na­listen mit Wis­sen­schaft­lern zusam­men­ar­beiten?
Direkt bei der Erstel­lung eines Arti­kels. Sozio­logen kennen sich bei­spiels­weise gut mit Umfragen, Sta­tistik und anderen Ana­ly­se­formen aus. Eigent­lich passt jeder Wis­sen­schaftler, der so etwas kann, gut in eine Redak­tion. Wobei Sozio­logen natür­lich noch einen Vor­teil haben: Sie können uns ver­stehen helfen, was eigent­lich das Inter­esse der Rezi­pi­enten ist. Und dann sind da natür­lich die Pro­gram­mierer. Wobei es bei denen eigent­lich gar nicht so sehr darauf ankommt, welche Pro­gram­mier­spra­chen sie können oder ob sie tat­säch­lich stu­diert haben. Ein Pro­gram­mierer ist ein krea­tiver Pro­blem­löser. Er erkennt ein Pro­blem und findet einen effek­tiven Weg, es zu lösen.

4. Gibt es Grenzen für Daten­jour­na­lismus – gerade im Hin­blick auf die Daten­schutz­de­batte?
Eigent­lich mag es nicht, über Grenzen oder Limits im Jour­na­lismus zu spre­chen. Natür­lich sollte man die Pri­vat­sphäre von Men­schen respek­tieren. Aber womög­lich macht es auch keinen Sinn zu fragen, was die Grenzen von Daten­jour­na­lismus sind. Denn der ist ja nur ein Werk­zeug. Die bes­sere Frage wäre nach den Limits, die Jour­na­listen haben, wenn sie diese Werk­zeuge anwenden. Und die sind die­selben wie sonst auch: Man muss nach den glei­chen Qua­li­täts­stan­dards arbeiten und seine Fakten immer über­prüfen. Über Grenzen zu reden ist da müßig. Wir sollten uns eher darauf kon­zen­trieren, die Tech­no­logie zu ver­stehen, mit der wir arbeiten. Denn von der hängen wir heute zu hun­dert Pro­zent ab.

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