Newsletter Netzwerk Recherche 247 vom 25.07.2025

veröffentlicht von Franziska Senkel | 25. Juli 2025 | Lesezeit ca. 11 Min.

Liebe Kolleg:innen,

als ich mit 18 Jahren aus der Schule in den Lokaljournalismus schlitterte, gehörte die tiefgehende Recherche nicht gerade zur Lieblingsdisziplin des Chefs. Gewinnspiele hatten oft die höhere Priorität, so mein Eindruck. Dennoch zogen ein Nachrichtenredakteur und ich im Alleingang los und deckten Missstände im Lokalen auf. Goutiert wurde das – intern – nicht, aber die Recherchen hatten regional ihre Wirkung.

Seither träume ich davon, etwas auf die Beine zu stellen, was Lokaljournalist:innen in ähnlichen Situationen unterstützt – und bin sehr glücklich darüber, dass wir die Idee jetzt umsetzen können. Fellowships, mit denen Lokaljournalist:innen bis zu sechs Monate intensiv recherchieren können, mit großartigen Mentor:innen an der Hand, und ein Recherche-Support mit telefonischer Erreichbarkeit für alle Lokaljournalist:innen im Lande. Das alles ist Teil unseres neuen Arbeitsschwerpunkts bei Netzwerk Recherche.

Denn wir sind überzeugt: Der Lokaljournalismus ist ein unverzichtbarer Grundpfeiler unserer Demokratie. Gerade jetzt. Deshalb wollen wir das uns Mögliche tun, um ihn zu stärken.

Wer eine lokal relevante und rechercheintensive Themenidee hat, aber der Redaktionsalltag oder die Auftraggeber:innen nicht genügend Zeit für die Recherche lassen, kann sich noch bis zum 24. August hier bewerben. Parallel arbeiten wir bereits am Aufbau des Recherche-Supports. Bitte helft uns, das neue Projekt bekannt zu machen und erzählt es weiter!

Eure
Stefanie Dodt

Stefanies Tipps des Monats

Land unter im Rems-Murr-Kreis

Meine Tipps sind – um beim Thema zu bleiben – diesmal spannende Geschichten aus dem Lokaljournalismus. In dem fünfteiligen Doku-Podcast „Land unter“ arbeitet der Zeitungsverlag Waiblingen den extremen Starkregen und das Hochwasser im Rems-Murr-Kreis vor einem Jahr auf und analysiert die Auswirkungen bis heute.

Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern

Eine Recherche von Katapult MV zeigt, dass eine bekannte Neonazigruppen aus Schleswig-Holstein ihren Weg nach Mecklenburg-Vorpommern gefunden hat. Der „Aryan Circle Germany“ gilt als eine der gewaltbereitesten Neonazigruppen in Deutschland und sucht gezielt nach jugendlichem Nachwuchs.

Verschwundene Kinder in Berlin und Potsdam

Die Angst vieler Eltern wird im Jahr 2015 grausame Wirklichkeit für zwei Familien: Ihre Kinder verschwinden beim Spielen – erst Elias (6) in Potsdam, dann Mohamed (4) in Berlin. Wochen und Monate vergehen, ehe die Polizei in den Videoaufzeichnungen einer Moabiter Dartskneipe auf Bilder des Täters stößt. Die Märkische Allgemeine widmet dem Fall den True Crime Podcast „Der Fall Elias und Mohamed“ (€) in sechs Teilen.

Aus dem Netzwerk Recherche

Fellowship Lokale Recherche

Wir haben das im Editorial erwähnte neue Fellowship für Lokaljournalist:innen ausgeschrieben, mit dem wir tiefgehende Recherchen mit mindestens 7.000 Euro fördern. Zum Fellowship gehören Webinare zu methodischen Fragen, individuelle Betreuung und Begleitung sowie Vernetzungsmöglichkeiten. Fragen und Antworten zum neuen Fellowship haben wir in einem FAQ zusammengefasst. Die Bewerbungsfrist endet am 24. August 2025.

Programm für die SciCAR 2025 veröffentlicht

Am 5. und 6. September 2025 ist es wieder so weit: Die SciCAR bringt in Dortmund Journalist:innen und Wissenschaftler:innen zusammen, um gemeinsam über datengetriebenen Journalismus, interdisziplinäre Projekte und neue Erzählformen zu diskutieren. Ob investigative Recherche, wissenschaftliche Methoden oder gesellschaftlich relevante Datengeschichten – die SciCAR ist der Ort für alle, die an der Schnittstelle von Wissenschaft und Journalismus arbeiten (möchten). Jetzt wurde das Programm veröffentlicht. Darin finden sich Workshops und Sessions zur Datenrettung und Datenanalyse mit KI-Werkzeugen, zu fortgeschrittenen Methoden sowie besonders reichhaltigen Datenquellen. Dabei geht es um politische Trends und die Energiewende, Gesundheitsdaten, Online-Umfragen und vieles mehr. Das komplette Programm, die Anmeldung und weitere Informationen findest du unter nrch.de/scicar.

Kostenfreier Workshop-Tag: Inspiration Day 2025

Acht innovative Projekte, darunter drei aus dem Grow-Förderprogramm, präsentieren am 15. Oktober 2025 in Potsdam-Babelsberg inhaltliche und technische Lösungen für Herausforderungen in der Medienbranche. Gerda-Gründer Jacob Queißner zeigt, wie er sein Lokalmagazin ohne großes Budget startete. Das Schweizer WAV-Kollektiv lädt zu einer investigativen Reise durch die Finanzindustrie ein. Podcasterin Laura Vorsatz erklärt, welche KI-Tools wirklich helfen – und wo der Mensch unersetzlich bleibt. Der kostenlose Workshop-Tag für lokale und überregionale Redaktionen sowie freie Journalist:innen wird veranstaltet von MIZ, Netzwerk Recherche und mabb. Hier geht’s zur Anmeldung.

NR-Recherchestipendien – Zweite Bewerbungsrunde 2025

Ihr plant eine investigative Recherche zu Umwelt-, Klima- oder Biodiversitätsthemen? Dann bewerbt euch bis zum 30. September auf unsere Recherchestipendien, die wir in Zusammenarbeit mit Olin gGmbH und Ecosia vergeben. Die Stipendiat:innen werden mit bis zu 5.000 Euro gefördert und von Mentor:innen aus dem Netzwerk unterstützt. Fragen zur Bewerbung oder zum Ablauf? Dann seid beim Info-Call am 2. September dabei! Alle Infos findet ihr hier.

Mentale Gesundheit im Journalismus: Gesprächsreihe abgeschlossen

Mit Runden Tischen in Stuttgart und München ist die von der Helpline initiierte Gesprächsreihe zu mentaler Gesundheit im Journalismus zu Ende gegangen. An den insgesamt sieben Veranstaltungen nahmen mehr als 90 redaktionelle Führungskräfte, Betriebsratsmitglieder sowie Menschen aus dem Personalwesen teil und tauschten sich über Strategien zum Umgang mit Belastungen am Arbeitsplatz aus. Dabei wurde deutlich, dass die Dringlichkeit des Themas in vielen Häusern erkannt wurde. Häufig mangelt es jedoch an Strategien und konkreten Angeboten für Betroffene. Die Erkenntnisse aus den Gesprächen sollen der gesamten Branche in Form von möglichst praxisnahen Handreichungen zur Verfügung gestellt werden.

Neuer Schwung für die Medienpolitik

Es wird Zeit für eine neue Initiative, um all die medienpolitischen Projekte, die in den letzten Jahren liegengeblieben sind, voranzubringen. Dazu zählen die Stärkung des Lokaljournalismus, gute Bedingungen für die Recherche und Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus. Deshalb unterstützt Netzwerk Recherche die Gründung des Interessenverbands Informierte Öffentlichkeit (InInfo), der unter anderem zu diesen Themen arbeiten soll. Die Initiator:innen – darunter die Schöpflin Stiftung, der Media Forward Fund, das Medienhaus Correctiv und die Online-Plattform Steady – suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine:n Bundesgeschäftsführer:in für den Aufbau des neuen Verbands.

Eigenanzeige

GIJN Deutsch

Internationale Recherche des Monats: Mit Masken, Waffen und Gewalt

Bewaffnete und vermummte Männer springen aus nicht gekennzeichneten Fahrzeugen, Latinos werden von ihren Arbeitsplätzen – oder während sie an der Bushaltestelle warten – abgeführt. Das Investigativmedium Bellingcat hat Razzien gegen Migrant:innen in Los Angeles genauer untersucht. Die Recherche deckt Muster bei den Razzien auf, die darauf hindeuten, dass der Staat auf eine Strategie der Gewalt und harter Repressionen setzt.

Kostenloser Online-Kurs zu digitaler Sicherheit

Online-Bedrohungen nehmen zu – und oft sind Journalist:innen nicht ausreichend gewappnet, um sich vor diesen zu schützen. Im Onlinekurs „Digitale Sicherheit für Journalist:innen in Krisenzeiten“, der gemeinsam vom Knight Center for Journalism in the Americas und dem Global Investigative Journalism Network (GIJN) angeboten wird, könnt ihr die wichtigsten Aspekte digitaler Sicherheit lernen. Der Kurs ist kostenlos.

Inside Syria: Wie man den Fall einer Diktatur recherchiert

Auf der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz im Juni diskutierten vier Journalist:innen über die Frage, wie man nach dem Sturz Assads in Syrien recherchieren und trotz eingeschränkter Pressefreiheit journalistisch arbeiten kann. Die GIJN-Redakteurin Alexa van Sickle hat sich das Panel angeschaut und die wichtigsten Erkenntnisse und Tipps zusammengefasst.

Nachrichten

Media Forward Fund fördert Lokaljournalismus

Der Media Forward Fund (MFF) fördert sechs gemeinwohlorientierte Medienprojekte mit insgesamt 1,5 Millionen Euro. Aus 113 Bewerbungen im DACH-Raum wählte die Jury drei Projekte im Bereich „Wissenschafts- und Datenjournalismus (SCI)” aus. In der allgemeinen Förderlinie „GEN” konnten drei Lokalmedien überzeugen: das Schweizer Lokalmedium Bajour, das Berliner Projekt loky und die digitale Dorfzeitungen Spatz. Damit setzt der MFF ein klares Zeichen für Lokaljournalismus und Transformation. Die nächste Förderrunde startet am 11. August 2025, Bewerbungen sind bis zum 22. August möglich.

Unbezahlte Redaktionspraktika immer noch weitverbreitet

In der Debatte um mangelnde Vielfalt im deutschen Journalismus wird immer wieder kritisiert, dass man sich den Einstieg in den vermeintlich schönsten Beruf der Welt leisten können muss – zum Beispiel wegen unbezahlter Praktika. Menschen aus finanzschwachen Elternhäusern haben es entsprechend schwer, in der Branche Fuß zu fassen. Laut Recherchen des Journalisten Oskar Vitlif sind die meisten Redaktionspraktika auch weiterhin nicht vergütet – den Bekenntnissen der Medienhäuser zur Stärkung der Vielfalt zum Trotz. Seine nicht repräsentative Erhebung von Daten aus fast 450 Redaktionen und Medienorganisationen zeigt zudem große Unterschiede bei der Höhe der Bezahlung. Allen, die ein redaktionelles Praktikum suchen, sei ein Blick in Vitlifs Datenbank empfohlen.

Studienteilnehmer:innen gesucht

Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg werden Journalist:innen mit „Erfahrungen im digitalen Raum“ (insbesondere digitalen Anfeindungen) gesucht. Die Online-Umfrage dauert fünf Minuten und erfolgt anonym.

Veranstaltungen, Preise & Stipendien

Stipendium für Tech-Journalist:innen der Hamburg Media School

Das Wirtschaftsmagazin t3n und die Hamburg Media School vergeben gemeinsam ein Stipendium für Tech-Journalist:innen, die den berufsbegleitenden Master Digitaler Journalismus studieren. Neben dem Erlass der Studiengebühren umfasst das Stipendium eine individuelle Förderung durch t3n. Wer als freie:r Journalist:in über Technik, Wissenschaft oder Digital Business berichtet oder mit neuen Technologien im Journalismus experimentiert, kann sich noch bis zum 15. August 2025 bewerben. Außerdem wurde die Frist für das Stipendium der Hapag-Lloyd Stiftung (für freie Journalist:innen im berufsbegleitenden Master) auch bis zum 15. August 2025 verlängert.

Hauptstadtjournalismus und Bundespolitik kennenlernen

Die Journalist:innen-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung bietet auch in diesem Jahr ihr Hospitanzprogramm bei der SPD-Bundestagsfraktion an. Zwei Sitzungswochen lang lernen die Teilnehmenden den politischen Betrieb in der Hauptstadt sowohl aus journalistischer als auch aus politischer Perspektive kennen. Alle Infos zum Programm und zur Bewerbung findest du hier. Bewerbungsschluss ist der 17. August 2025.

Stipendium für Journalist:innen mit Migrationsbiografie

Die Deutschlandstiftung Integration und der Spiegel vergeben zum dritten Mal das Geh-deinen-Weg-Journalismus-Stipendium. Das Stipendium richtet sich an deutschsprachige Nachwuchsjournalist:innen (21-29 Jahre) mit eigener oder familiärer Migrationsbiografie. Das einjährige Stipendium ist eine ideelle Förderung. Stipendiat:innen erhalten Unterstützung in Form von Mentoring, Seminaren und Hospitanzen. Außerdem sollen die Vernetzung untereinander und die Kontakte in die deutsche Medienlandschaft die Stipendiat:innen nachhaltig auf ihrem journalistischen Karriereweg stärken. Das Programm beginnt im Januar 2026, Bewerbungsschluss ist der 31. August 2025.

Tutzinger Radiotage

Seit über 20 Jahren begleiten die Tutzinger Radiotage die Entwicklung des Radios. Dieses Jahr fragt die Konferenz „Zwischen KI und Authentizität: Wie echt bleibt das Radio?“. Zudem geht es um die Stärke regionaler Berichterstattung. Die Tagung richtet sich an Medienschaffende in Praxis und Ausbildung aus den Bereichen Audio und Radio. Die Radiotage finden vom 15. bis 17. September 2025 in Tutzing statt. Zur Anmeldung geht es hier.

Tickets für Reporter:innen-Workshop jetzt erhältlich

Das Programm des Reporter:innen-Workshop 2025 steht fest – und ab sofort gibt es Tickets zu kaufen. Bei der Veranstaltung sprechen u. a. Louis Klamroth (Hart aber Fair), Marie Bröcking (Correctiv) und Ronen Steinke (SZ) sowie Melanie Amann (Spiegel) und Ulf Poschardt (Die Welt). Eine Übersicht über alle Panels gibt es hier, Tickets gibt es hier. Der Reporter:innen-Workshop findet am 26. und 27. September 2025 in den Räumlichkeiten des Spiegel in Hamburg statt.

Erich-Klabunde-Preis für sozialpolitischen Journalismus

Bewerbungen für den Erich-Klabunde-Preis des DJV Nord sind ab sofort möglich. Der Preis zeichnet sozialkritisch bzw. -politisch herausragende journalistische Arbeiten aus, die einen besonderen Bezug zu Hamburg haben. Dazu zählen Reportagen, Serien und Hintergrundberichte als Text und/oder Bild, die in den letzten zwei Jahren vor Ausschreibungsbeginn am 15. Juli 2025 veröffentlicht worden sind. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert. Bewerbungsfrist ist der 30. September 2025.

Digitale Innovations- und Resilienzakademie

Wie können Journalist:innen und Medienhäuser auf die massiven Veränderungen durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz reagieren? Die Digitalie Innovations- und Resilienzakademie von Vocer in Kooperation mit der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein beschäftigt sich mit neuen Anforderungen und Risiken für Lokaljournalist:innen. Das kostenfreie Angebot umfasst fünf Module: Zwei Präsenz-Module in Schlwesig-Holstein und drei Online-Workshops. Das Programm beginnt am 26. September und endet am 5. Dezember 2025. Eine Anmeldung ist bis zum 31. August 2025 möglich.

Tickets für Podcast-​Konferenz jetzt erhältlich

Bei der Podcast-​Konferenz „So Many Voices“ von hauseins kommen Podcast-​Macher:innen für Workshops zusammen und diskutieren Zukunftsfragen der Branche. Die Konferenz findet am 21. und 22. November 2025 in München statt. Die insgesamt 160 Tickets sind nun verfügbar.

Fortbildungen

GIJN-Deutsch Editor Sarah Ulrich mit ihren afrikanischen Kolleginnen im Publix.

Besuch im Publix

Diesen Monat waren Journalistinnen aus verschiedenen afrikanischen Ländern über das Goethe-Institut in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt bei uns im Publix in Berlin zu Besuch, um mit GIJN-Deutsch Editor Sarah Ulrich über Herausforderungen für Lokal- und investigativen Journalismus, Qualitätsstandards für Recherche sowie Herausforderungen für weibliche Medienschaffende zu sprechen. Wir haben uns sehr über den spannenden, zweistündigen Workshop und Austausch gefreut!

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