Laudatio von Ulrich Kienzle
Laudatio zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2002
Austerpreisträger: Bundesinnenminister Otto Schily
Laudator: Ulrich Kienzle, ehemaliger ZDF-Moderator
Nur Dummköpfe ändern ihre Meinung nicht .Mit diesem wunderbaren Goethesatz habe ich immer ihre politischen Häutungen gegenüber meinem Kollegen Hauser verteidigt.
Der war natürlich sauer, weil Sie den Konservativen ein wahlwirksames Thema geklaut haben. Sie haben rechtzeitig die Bedeutung des Themas begriffen. Jedenfalls vor den Hamburger Sozialdemokraten und vor den Französischen Sozialisten. Deshalb ist es kein Wunder, dass man heute Innere Sicherheit so steigert: Beckstein- Schill- Schily
Sie waren jedenfalls häufig schneller als Beckstein und sie haben Ihre Postulate auch immer besser formuliert. Das meine ich durchaus als Kompliment. Zum ersten Mal nachdenklich geworden bin ich, als Sie Frontal ein Interview verweigerten. Das ist schon lange her. Es ging um Ihre umstrittene Äußerung ,,das Boot ist voll“. Dazu hätten wir gerne ein bisschen mehr von Ihnen gehört. Ihr Pressesprecher hat uns damals den Rat gegeben ,doch einfach die ,,ZEIT‘ zu lesen.
Das war eine ungewöhnlich freche Antwort . Aber: sie war wenigstens ehrlich. Kein Drumherumgerede, keine Ausflüchte. Eminenz wollten einfach nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt glaubte ich noch an einen Zufall. Aber denkste! Es sprach sich unter Kollegen herum, unter Linken und Rechten, im Bundesinnenministerium sitzt ein großer Schweiger. Er schwieg Frontal gegenüber, Report Mainz, Panorama und Monitor. Journalisten fragten und Magazinjournalisten wunderten sich.
Die meisten Minister leiden ja an Logorrhoe. Sie halten ihren Wortdurchfall schon für Information. Die cleveren haben einen Spin-Doctor, der sie verkauft. Statt eines Spin-Doctors hat Otto Schily seinen Pressesprecher Lingenthal, der versucht seinen Minister zu verstecken Ein irritierender Vorgang
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Und Frau Däubler-Gmelin. Ausgerechnet Sozialdemokraten verweigerten sich kritischen Medien. Und sie ließen das angekündigte Informations-Freiheitsgesetz in den Schubladen. Bald wurde klar: dahinter steckt Methode.
Dieses Verhalten, das übrigens nicht unbedingt von Selbstbewusstsein strotzt, markiert das Ende einer jahrzehntelangen Informationskultur.
Die Vorgänger haben noch Rede und Antwort gestanden, wenn häufig auch widerwillig, aber sie haben geantwortet.
Es ist übrigens mal wieder eine Medienmanipulationsmethode, die aus den USA kommt. Bill Clinton war der erste, der seinen Wahlkampf ausschließlich über Talk-Shows geführt hat. Kritische Journalisten hat er links und rechts liegen lassen .Leider hat er damit Erfolg gehabt. Bei uns ist das Phänomen unter dem Begriff „Christiansenierung“ der Politikberichterstattung bekannt geworden.
Ich sage das übrigens ohne jeden polemischen Unterton gegenüber der Kollegin. Die Politiker gehen verständlicherweise lieber In eine Talk-Show als sich kritischem Journalismus zu stellen.
Es ist auf jeden Fall angenehmer sich mit der geretteten Berliner Reiterstaffel ablichten zu lassen als kritische Fragen von Monitor zur frisierten Polizeistatistik zu beantworten. Die Medienexperten haben dafür einen Fachausdruck: Agenda-setting-Politik und Agenda-cutting-Politik.
Das ist noch lange nicht das Ende der Pressefreiheit wie einige Kollegen fast weinerlich beklagen. Es ist aber das Ende einer jahrzehntelang gepflegten Informationskultur. Dass ausgerechnet Sozialdemokraten das exekutieren gehört zur Ironie der Geschichte. Die Zersplitterung der Medien erlaubt wieder eine fast höfische Günstlingswirtschaft und Gefälligkeitsjournalismus.
Wer nett ist bekommt ein Interwiew, wer nicht nett ist wird bestraft. Das ist nicht der Untergang des Magazinjournalismus und des Recherchenjournalismus. Er befindet sich heute zwar in einer Notwehrsituation, aber Krisen haben auch ihr Gutes. Und ein erster selbstbewusster Schritt wäre der Verzicht auf Interviews mit bestimmten Ministern und eine Verschärfung der Tonart in den Stücken. Das dient eher der Klarheit der Beiträge.
Von Ihnen, Herr Schily, kein Interview zu bekommen, gilt inzwischen als journalistisches Statussymbol. Es ist schon fast eine Frage der Ehre von Ihnen als Interviewer abgelehnt worden zu sein. Sie haben sich also ganz unfreiwillig um den Recherche-Journalismus verdient gemacht.
Das müsste Sie eigentlich stutzig machen. Dass Sie die Chuzpe hatten hierher zukommen ,spricht für Sie. Vielleicht fühlen Sie sich in der Rolle vielleicht doch nicht ganz so wohl, wie es gelegentlich scheint. Wie sagte doch Goethe: Nur Dummköpfe ändern Ihre Meinung nicht.
Anmerkung: […] = Skript leider nicht vollständig