Bundestransparenzgesetz: Bündnis übergibt Entwurf an die Bundesregierung
Genau zehn Jahre nach der Einführung des bundesweit fortschrittlichsten Transparenzgesetzes in Hamburg hat ein zivilgesellschaftliches Bündnis, dem auch Netzwerk Recherche angehört, seinen Entwurf für ein Bundestransparenzgesetz vorgelegt. Der IT-Beauftragte der Bundesregierung und Staatssekretär im Innenministerium Markus Richter nahm den Gesetzentwurf des Bündnisses am 6. Oktober 2022 entgegen.
„In Sachen Transparenz und Informationsfreiheit hinkt der Bund den Ländern deutlich hinterher“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender des Netzwerk Recherche. „Bislang ist das Informationsfreiheitsgesetz für Bürger*innen und Journalist*innen abschreckend. In der Praxis merken wir jeden Tag, wie weit wir von einer echten Informationsfreiheit entfernt sind. Bisher ist zu diesem demokratisch wichtigen Vorhaben aber offenbar nichts passiert, deshalb greifen wir der Regierung gerne unter die Arme“, sagt Drepper. Mit dem Entwurf sollen Behörden verpflichtet werden, von sich aus Informationen wie Gutachten und Studien oder Verträge der öffentlichen Hand online zu veröffentlichen.
Dem Bündnis sei es wichtig gewesen, einen Entwurf aus der Zivilgesellschaft vorzulegen. „Das Transparenzgesetz ermöglicht die wirksame Kontrolle der Exekutive“, erklärt Arne Semsrott von der Transparenzplattform FragDenStaat. Es sei daher wichtig für die Demokratie, dass die Transparenzregeln nicht von der Ministerialbürokratie selbst kämen. „Die Erfahrungen aus Hamburg zeigen aber auch, dass die Behörden selbst von klaren Transparenzregeln profitieren.“
„Deutschland braucht ein wirksames Transparenzgesetz, denn die bestehenden Informationsfreiheitsgesetze IFG und UIG werden zu oft von staatlichen Stellen missbraucht und können missbraucht werden, um berechtigte Informationsanliegen abzublocken. Nötig ist ein Paradigmenwechsel von der Holschuld der Bürger*innen zur Bringschuld des Staates“, erklärt Hartmut Bäumer, der Vorsitzende von Transparency International Deutschland. „Es ist essentiell für unsere Demokratie, dass sich staatliches Handeln durch Nachvollziehbarkeit legitimiert. Demokratie im Allgemeinen und der Kampf gegen Korruption im Besonderen leben von Transparenz, an der es bei uns auch im internationalen Vergleich mangelt.“
„Bisher müssen Bürgerinnen und Bürger einen Hindernis-Parcours aus Zuständigkeiten, Fristen, möglichen Widerspruchsverfahren und Gebühren überwinden, um an Informationen zu kommen“, ergänzt Marie Jünemann, Bundesvorständin von Mehr Demokratie. „Wenn Behörden bestimmte Informationen künftig von sich aus online stellen müssen, wird das auch den längst überfälligen Schub in Richtung Digitalisierung der Verwaltungen bringen.“
Hintergrund:
Der Gesetzentwurf wurde erarbeitet von Mehr Demokratie, der Open Knowledge Foundation mit ihrer Transparenzplattform FragDenStaat, der Journalist*innenorganisation Netzwerk Recherche, Transparency International Deutschland, sowie der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit. Unterstützt wird er außerdem von den Organisationen Abgeordnetenwatch, Lobbycontrol, Wikimedia Deutschland und dem Deutschen Journalisten-Verband. Kommentare und Anregungen von Bürger*innen sind über eine Online-Beteiligungsplattform eingeflossen, auf der der Gesetzesvorschlag zur Debatte stand.
Weitere Informationen: transparenzgesetz.de
Pressefoto (Abdruck honorarfrei bei Nennung der Fotografin: Franziska Senkel / Netzwerk Recherche)