Skepsis im Blick und immer auf der Hut, seine Augen sehen müde aus: Lorenz Matzat hat an diesem Tag schon einen Vortrag und einige Fachgespräche hinter sich Nur noch einige Minuten, dann hat er schon den nächsten Termin. Und doch redet er ruhig und mit Bedacht. Und während seine Zuhörer noch vor einigen Jahren eher ungläubig über seine Ideen staunten, kommt heute eher die Frage nach der Vorgehensweise. 2012 wurde Lorentz Matzat vom medium magazin als einer der journalistischen Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Doch wie wird man eigentlich zu einem Vorreiter des Datenjournalismus?

Am Anfang stand für Lorentz Matzat zunächst ein Studium zum Diplom-Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt der Drogenpolitik. Daneben eschäftigte er sich mit Computerlernen – also damit, wie Computerprogramme dem Menschen beim lernen helfen können. Erstmals mit solcher Technik in Berührung gekommen, war Matzat begeistert von dem Potential und den Möglichkeiten der Interaktion zwischen Mensch und Maschine.

Als Matzat, immer noch begeistert von den Möglichkeiten moderner Technik, aufmerksam die Datenjournalismus-Szene in Amerika studierte, musste er erstaunt feststellen, dass in Deutschland noch kaum Datenjournalismus betrieben wird. Stattdessen herrschte in den Redaktionen eine Angst vor dem Unbekannten, den Kosten, der eigenen Unfähigkeit mit solch neuen Methoden umzugehen.

Nach einem Volontariat begann Matzat zunächst als freier Journalist und Medienpädagoge tätig zu werden. Wie aber wird ein Geisteswissenschaftler zum Experten in einer journalistischen Disziplin, die auf technischem Fachwissen basiert? Entsprechende Kurse gab es in Deutschland noch nicht. . Die einzige Chance: Der Zusammenschluss mit Gleichgesinnten. Zusammen mit Marco Maas gründet Matzat die Datenjournalismus-Agentur „OpenDataCity“. Als Plattform für Fachkollegen und als Beratungsstelle für Redaktionen in Sachen Datenjournalismus gestartet, ist die Agentur zu einer echten Größe in der Szene geworden. Ihr erster großer Coup: die Geschichte Verräterisches Handy für Zeit Online zur Vorratsdatenspeicherung. Durch die, von dem Grünenpolitiker Malte Spitz eingeklagten Verbindungsdaten der Telekom ließ sich ein ziemlich genaues Bewegungsprofil samt ein- und ausgehender SMS und Telefonate erstellen – und das abstrakte Problem der Vorratsdatenspeicherung wurde für jedermann im Netz anschaulich begreifbar.

Doch das Projekt warf auch neue Fragen auf: Wie darf und soll Datenjournalismus mit privaten und geschützten Daten umgehen? Für Matzat ist dies eine Abwägungsfrage. Dient es dem gesellschaftlichen Wohl, Erkenntnisse zu erlangen, die anders nicht einsehbar sind, sei es im Einzelfall legitim, Missstände aufzudecken, indem man formale und juristische Grauzonen nutzt – ähnlich wie es schon bisher im investigativen Journalismus üblich ist. Dennoch gelte der Grundsatz: „Private Daten schützen, öffentliche Daten nutzen.“

Die Entwicklungen im Journalismus schreiten dank Leuten wir Matzat voran, doch noch schneller ist die Entwicklung in der Technik. Gesellschaft, Gesetzgebung oder Journalismus können nicht so schnell verarbeiten, was an Technik regelmäßig erscheint. Dazu passt es, dass Pionier Matzat sich zusätzlich auch mit dem Einsatz von Drohnen im Journalismus beschäftigt. Bekanntlich haben Drohnen keinen guten Ruf. Doch Daten-Überflieger Matzat sieht darin mehr als unbemannte Flugobjekte, die in die Privatsphäre eindringen können und zum Werkzeug skrupelloser Morde werden. Mit sensiblen Sensoren ausgestattet, wäre es etwa möglich, damit Umweltdaten zu sammeln und so Missstände aufzudecken. So könnte eine U-Boot ähnliche Drohne genutzt werden, um die Wasserqualität an Abflussrohren zu messen.

Die Technikaffinität im Journalismus erscheint aber vielerorts noch unterentwickelt. Lorenz Matzat hingegen sieht die Zukunft in der Nutzung von Hightech im Journalismus. OpenDataCity hat er inzwischen verlassen, um sein eigenes Projekt lokaler.de zu starten – ein Service, der Datensätze in Relation zu Geokarten setzten kann.

Doch noch ist sein Ziel, den Datenjournalismus im deutschsprachigen Raum fest zu verankern, nicht erreicht. Also wird er weiter regelmäßig über den Datenjournalismus referieren, Medienhäuser beraten und von einem Termin zum nächsten eilen.