Die Brückenbauerin
Eigentlich wollte Christina Elmer als Wissenschaftsjournalistin in Fernsehen und Hörfunk arbeiten. Während des Journalistik- und Biologie-Studiums waren die Redakteure von Wissenschaftssendungen wie Quarks&Co und den Reportagen der BBC ihre Vorbilder. Dass sie einmal eine d e r Datenjournalismus-Expertinnen in Deutschland wird – das war eigentlich nicht der Plan. „Ich hätte damals definitiv nicht daran gedacht, dass ich einmal Redakteurin für Datenjournalismus bei Spiegel Online sein würde.“
Auf den zweiten Blick ist Christina Elmer Lebenslauf allerdings viel geradliniger, als es zunächst scheint. Immerhin hatten vor zehn Jahren ohnehin erst wenige Journalistik-Studenten und Volontäre den Onlinejournalismus als Ziel vor Augen. „Onlinejournalismus war damals noch nicht so reich an Formaten und Anwendungen wie heute, und ich habe mich nie als reine Schreiberin verstanden“, sagt Christina Elmer. Ihr Volontariat beim WDR helfe ihr aber gerade bei Online-Texten bis heute: „Denn wer fürs Hören schreiben kann, hat auch mit Artikeln weniger Probleme, die unter Zeitdruck gelesen werden und besonders verständlich sein müssen.“
Gleichgültig in welcher Mediengattung, ein Ziel von Christina Elmer war es immer, relevanten Journalismus zu machen: Es sollten Themen sein, die den Menschen etwas bedeuten. Oder Informationen, die so wichtig sind, dass sie öffentlich zugänglich gemacht werden sollten. Und auch das führte dann irgendwie ganz logisch zum Datenjournalismus.
Die Initialzündung hierfür brachte ein Seminar bei Brant Houston während des Studiums in Dortmund. Elmer war angesteckt von der Methodik des Pioniers im „Computer Assisted Reporting“, aus strukturierten Daten Ansatzpunkte für journalistische Geschichten zu destillieren. Und so war es wiederum fast folgerichtig, dass Christina Elmer nach dem Volontariat als Redakteurin in der ersten Datenjournalismus-Redaktion Deutschlands begann, bei RegioData der dpa. „Wegweisend“, nennt sie ihre damalige Arbeit in einem Team aus fünf gleichgesinnten Kollegen: „Dabei kann man sich unglaublich gut austauschen und voneinander lernen, der kreative Prozess ist einfach viel reichhaltiger im Team. Natürlich arbeite ich heute auch bei jedem größeren Projekt im Team, aber in einem eigenen Ressort geht natürlich mehr.“
Als das dpa-Team nach drei Jahren wieder verkleinert wurde, war die Auswahl für Datenjournalisten bereits etwas größer, und Christina Elmer wechselte mit der dpa-Infografik als Zwischenstation in das Team Investigative Recherche des stern. Auch ihr bisher letzter Schritt in die Online-Welt des Spiegel ergibt Sinn. Denn Datenjournalisten haben viele Visualisierungsmöglichkeiten, die sich besonders in Online-Medien gut ausspielen lassen.
Doch die Entwicklung ist für Christina Elmer noch lange nicht am Ende – weder für ihre tägliche Arbeit, noch für das Feld insgesamt. Für die Zukunft hat sie sich zum Ziel gesetzt, den Datenjournalismus in der Redaktion auszubauen, zu verstärken und mit allen Ressorts mehr Projekte anzuschieben: „Thematisch würde ich gerne ein paar Themen knacken, für die es aktuell noch keine Daten gibt, oder wo Daten zurück gehalten werden. Vor allem im Bereich Politik und Umwelt gibt es einiges zu tun für Datenjournalisten.“ Und das gelte auch jenseits des eigenen Hauses: Beim Datenzugang, bei den Redaktionen selbst und bei den finanziellen Bedingungen für Journalisten gebe es überall Entwicklungsbedarf.
Seit vielen Jahren ist sie daher auch in der Aus- und Weiterbildung von Datenjournalisten engagiert. Was für sie selbstverständlich ist, ist für viele Journalisten noch ungewohnt: Recherchen mit ergebnisoffener Datenanalyse zu beginnen, um zunächst ein möglichst objektives Grundverständnis für die Thematik zu entwickeln. „Es wäre seltsam, anders an Themen heran zu gehen“, sagt sie. Und auch damit ist sie dann dichter am ursprünglichen Berufswunsch als gedacht. Denn nicht nur in dieser Herangehensweise ist es vom ursprünglichen Ziel des Wissenschaftsjournalismus‘ zum Datenjournalismus nicht mehr weit.