Ohne Plan, Geld und Sprachkenntnisse zog Brigitte Alfter mit 19 Jahren von Wuppertal nach Dänemark, genauer gesagt ins 1800-Seelen-Dörfchen Skals. Der Liebe und der Abenteuerlust wegen. Ein mutiger Schritt, der Wegweiser für Alfters Karriere als Journalistin war.

Denn nationale Grenzen überschreitet die heute 48-Jährige bei ihrer Arbeit inzwischen regelmäßig – um dort zu sein, wo politische und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden. Alfters Interesse gilt den Machtstrukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, unabhängig vom Ort des Geschehens. Dabei setzt sie seit Jahren auf internationale Teamarbeit – und betreibt „cross-border Journalismus“ mit unterschiedlichen Teams aus einem europäischen Recherchenetzwerk. Auf diesem Gebiet ist sie bislang eine von wenigen Pionieren.

Bestes Beispiel ist das Projekt Farmsubsidy. Vor wenigen Jahren machte sich Brigitte Alfter auf die Spuren des großen Geldes, der Agrarsubventionen der Europäischen Union. Nach Recherchen in Dänemark wollte sie für jedes EU-Land herausfinden, welcher Landwirt wie viel von dem gut 55 Millarden Euro großen Steuerkuchen bekam. Aber die EU-Kommision mauerte und vertagte den Zugriff auf die Daten – das Informationsfreiheitsgesetz der EU war zu diesem Zeitpunkt erst wenige Jahre alt. Mit der Blockade fand sich Alfter nicht ab und ging wieder einen neuen Weg. Zusammen mit Journalisten aus verschiedenen Ländern, Aktivisten und Forschern baute sie ein Netzwerk auf, das auf Grundlage der jeweils nationalen Informationsfreiheitsgesetze nun doch an die Datensätze herankam. Veröffentlicht wurden sie für 27 EU-Mitgliedsstaaten. Das Ergebnis: Zu den Profiteuren gehörten keineswegs nur kleine Bauern, sondern vor allem große Konzerne. Farmsubsidy.org brachte ihr internationales Ansehen in der EU-Berichterstattung.

Dass man oft unkonventionelle Wege gehen muss, um zum Ziel zu kommen, lehrten Brigitte Alfter vielleicht schon ihre ersten Jahre in Dänemark. Damals, noch weit weg vom Journalismus, begann sie, in der Schokoladenfabrik im Dorf zu arbeiten. Denn für diesen Job brauchte man weder Dänischkenntnisse noch eine Ausbildung, verdiente aber Geld. Zwei Jahre später fing sie eine Ausbildung als Automechanikerin an. Nicht ihr Traum, aber ein Beruf, der auf dem Land immer gebraucht wird. Außerdem konnte sie ihren politischen Interessen nachgehen, wenngleich das zunächst auf den Verband der Automechanikerlehrlinge und den Elternbeirat beschränkt blieb. Sechs Jahre später bewarb sie sich an der ältesten und größten dänischen Journalistenschule. Nachdem Alfter dann einige Zeit im Lokaljournalismus gearbeitet hatte, suchte sie sich die nächste Herausforderung: Sie ging als EU-Korrespondentin für vier Jahre nach Brüssel und war so ganz dicht am europäischen Machtzentrum.

Diese Anpassungsfähigkeit, die sich in Alfters Lebenslauf spiegelt, passt bis heute zu ihrer Einstellung zum Journalismus. Sie ist eine Vorreiterin für Veränderungen und neues Methodendenken für die Berichterstattung, das den Bedingungen und Möglichkeiten der Zeit enstpricht. Inzwischen arbeitet sie freiberuflich und geht investigativen Projekten nach wie etwa bei www.wobbing.eu, das Recherchen mit Hilfe der Informationsfreiheitsgesetze unterstützt. Methoden wie Datenjournalismus und Crossborder Journalismus will sie weiterentwickeln, im Herbst soll ein Buch dazu herauskommen. Das alles klingt dann schon mehr nach einem großen Plan als damals, beim ersten Sprung über die Grenze. Die Abenteuerlust aber ist bis heute geblieben.