„Jour­na­lismus ist kein Ver­bre­chen“

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 5. Juli 2014 | Lese­zeit ca. 4 Min.

Antonia Rados: Von der Quo­ten­frau zur Kriegs­re­por­terin

Eröff­nungs­rede „Von der Quo­ten­frau zur Kriegs­re­por­terin“ mit Antonia Rados (Foto: Wulf Roh­wedder)

„Stellen Sie sich vor, Sie wären jetzt rund 3.000 Kilo­meter süd­lich von hier,“ so die RTL-​Aus­lands­kor­re­spon­dentin in ihrer Eröff­nungs­rede. „Sie wären in Kairo. Die Polizei sam­melt alle unsere Handys ein, wir werden alle ver­haftet und sehen uns im Gefängnis wieder. Denn wir, Sie alle und ich, wir sind die ‚Ter­ror­zelle NDR/nr‘.“ So geschehen mit den Kol­legen von Al Jazeera, die nichts anderes gemacht haben, als zu recher­chieren und zu berichten, von der ägyp­ti­schen Justiz aber als „Ter­ror­zelle Mar­riott“, benannt nach dem Kai­roer Hotel, in dem sie arbei­teten, zu Gefäng­nis­strafen zwi­schen sieben und zehn Jahren ver­ur­teilt wurden. Jour­na­lismus als Ver­bre­chen. Aber, so Antonia Rados: „Jour­na­lismus ist kein Ver­bre­chen.“

Die Kri­mi­na­li­sie­rung von Jour­na­listen findet überall auf der Welt statt. In demo­kra­ti­schen Staaten zwar weniger, aber auch hier werden Maul­körbe erteilt, auch hier findet eine Dis­kri­mi­nie­rung statt. Und es seien nicht nur Men­schen wie Edward Snowden, die ver­folgt und ange­klagt werden, son­dern eben auch die berich­tenden Jour­na­listen und ihre Ange­hö­rigen. Bei­spiel: Die Ver­haf­tung des Lebens­ge­fährten vom Guar­dian-​Jour­na­listen Glenn Green­wald auf dem Lon­doner Flug­hafen.

Rados arbei­tete von 1978 bis 1991 für den Öster­rei­chi­schen Rund­funk als Aus­lands­kor­re­spon­dentin in Chile, Somalia, Süd­afrika und im Iran. Danach wurde sie Son­der­kor­re­spon­dentin beim WDR (siehe Kasten). Nach ihrem Wechsel zu RTL berich­tete sie aus den Kri­sen­ge­bieten welt­weit. Kein Wunder also, dass Netz­werk Recherche die mehr­fach aus­ge­zeich­nete Jour­na­listin als „so etwas wie eine große Dame der Kriegs-​ und Kri­sen­be­richt­erstat­tung“ adelt. Dabei begann ihre Kar­riere beim ORF als „Quo­ten­frau“, einer reinen Männer-​Erfin­dung. „Ich bekam eine Fest­an­stel­lung, weil der Sender eine Frau brauchte. Ich wollte aber keine Quo­ten­frau sein, es wurde mir auf­ge­zwungen.“

Rück­bli­ckend muss die Alibi-​Quo­ten­frau aber fest­stellen: „Viele Repor­tagen hätte ich nicht machen können, wenn ich nicht fest­an­ge­stellt gewesen wäre.“ Die Quote hätte ihr bei den Aus­lands­ein­sätzen „Rücken­de­ckung durch den Sender“ gegeben. Und nach einem kleinen, nach Mei­nung des Autors über­flüs­sigen Schlenker gegen Karl Kraus („Frauen als Repor­te­rinnen im Krieg seien ein mehr­fa­ches Ver­bre­chen.““) schlägt sie gekonnt wieder den Bogen, zu den Arbeits­be­din­gungen von Repor­te­rinnen und Repor­tern in Kriegs-​ und Kri­sen­ge­bieten: Die Kri­mi­na­li­sie­rung des Jour­na­lismus findet überall statt. Dabei gebe es sogar einen Unter­schied bei männ­li­chen und weib­li­chen Bericht­erstat­tern. Wäh­rend Jour­na­listen als „Ter­ro­risten oder Spione“ dis­kri­mi­niert und ver­folgt würden, genüge dieses bei Jour­na­lis­tinnen ein­fach nicht. Belei­di­gungen wie von Arafat in einem Inter­view („Sie reden wie eine zio­nis­ti­sche Agentin.“) werden – bei einem anderen Inter­view im Nahen Osten – noch getoppt mit der Nach­frage: „Who is this pro­sti­tute?“

Antonia Rados über Repor­te­rinnen in vielen Länder: „Es genügt nicht, eine Mata Hari zu sein, son­dern oben­drein auch noch eine Hure. Frauen werden beson­ders mies behan­delt.“ Doch sie wolle nicht zu viel jam­mern, denn es gäbe noch eine Gruppe von Aus­lands­jour­na­listen, denen es noch schlimmer ginge, die es bei ihrer Bericht­erstat­tung weitaus schwerer hätte – die Blogger und die große Gruppe von Freien Jour­na­listen. „Sie sind in der stän­digen Gefahr, mit einem Fuß im Gefängnis zu sein.“ Und da die Freien eben frei seien und meist keine Redak­tion im Rücken hätten, die sich für sie ein­setzen könnte, wäre deren Arbeit in Kri­sen­ge­bieten viel leichter in eine kri­mi­nelle Ecke zu rücken.

Aber gerade des­halb gelte welt­weit: „Jour­na­lismus ist immer noch alles andere als ein Ver­bre­chen.“

Bei der Abmo­de­ra­tion der Rede bat Kuno Haber­busch (nr) noch um 4’30 Minuten Geduld, um aller anderen Krisen-​ und Kriegs­re­porte zu gedenken, die bei ihren Aus­lands­ein­sätzen gestorben sind oder ermordet wurden. Gezeigt wurde das ein­drucks­volle Por­trät des Hes­si­schen Rund­funks über die im April in Afgha­ni­stan ermor­dete Foto­grafin Anja Niedring­haus.

Und den­noch und des­halb: Es bleibt nach Eröff­nung dieser 14. Jah­res­kon­fe­renz die Zuver­sicht „Your’ll never walk alone“ – auch oder gerade, wenn als Quo­ten­frau gestartet wird.

 

 

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