Paul Myers (Foto: Raphael Hünerfauth)

Paul Myers Arbeit beginnt mit dem immer gleichen Satz: „Finde jemanden für uns.“ Wenn die Recherche für die meisten Journalisten beendet ist, zu schwierig, zu wenig Hinweise, dann fängt sie für Myers erst an. 

Myers ist Internetexperte, Rechercheur und Trainer bei der BBC. Früher wäre er ein klassischer Mann der zweiten Reihe gewesen. Jemand, der im Archiv wühlt, während die Journalisten die großen Geschichten schreiben und den Ruhm ernten. Aber heute hält jemand wie Myers Vorträge in Deutschland, Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden, mit hunderten Zuhörern.

Auch an diesem Freitagnachmittag steht Myers auf einer Bühne, die Sitze vor ihm sind bis auf den letzten besetzt. Myers trägt ein St.-Pauli-Trikot, am Bauch spannt es ein wenig. Ein Zuschauer hat Bedenken: Müsse Myers denn nicht erwähnen, dass jedes Mal, wenn jemand mit Hilfe von google recherchiert, die NSA mithöre? Stimmt, sagt Myers. Einmal habe er eine Geschichte über britische Verteidigungspolitik recherchiert. Er war der IP-Adresse des Verteidigungsministeriums auf der Spur, als sein Handy anfing zu klingeln. Eine halbe Minute klingelte es, bis er auf Google ging und in die Tastatur tippte: „I’m a researcher at the BBC.“ Myers grinst: „Dann ging das Telefon aus.“ Ungläubige Pause. Das Publikum lacht.

Es sind solche Geschichten, die Myers Popularität ausmachen. Seit der digitalen Revolution suchen Verlage nach Internetspezialisten – und seit der NSA-Affäre sehnen sich Journalisten nach Leuten, die Gelassenheit und Sachverstand in die Debatte einbringen.

Myers strahlt beides aus, vielleicht weil sein Weg alles andere als geradlinig war. Früher bedruckte er Band-T-Shirts und organisierte Ausstellungen für die britische Band The Smiths. Mitte der 90er Jahre fing er bei der BBC an – als „news information researcher“: Das bedeutete damals, Zeitungsartikel auszuschneiden und zu archivieren. Mittlerweile ist Myers ein gefragter Mann, in- und außerhalb der BBC. Neben seinen Vortragsreisen ist Myers in der hauseigenen Academy für die Rechercheausbildung des Nachwuchses zuständig.

Dabei ist Myers Legastheniker. Er tut sich schwer, Texte zu lesen und zu viele Informationen zu verarbeiten. Für die Arbeit als Rechercheur sieht er das als Vorteil. Er selbst kenne viele Kollegen mit Leseschwäche: Sie könnten mehrere Spuren gleichzeitig verfolgen – im Gegensatz zu den Kollegen, die sich zu sehr auf Details versteiften. Für Myers ist Recherche wie eine Schnitzeljagd. Eine Spur führt zur nächsten, von Google über Facebook zu Twitter, zum inoffiziellen Archiv des Internets, der Wayback-Machine, und zurück. Wer nur eine Spur verfolgt, kommt nicht ans Ziel.

Wer wissen will, mit welchen Tricks und Web-Hilfsmitteln Paul Myers seine Suche-Mosaike vervollständigt, kann sich die Research-Links auf seiner Homepage anschauen.