Recherchieren unter Reichen
Von Frederike Holewik, JONA
Als Journalist hat man keinen Aston Martin, mit dem vorfährt, selten ein Armani-Kleid, um über den roten Teppich zu laufen. Die wenigsten kennen die Benimmregeln der High Society und des Jetsets. Wie also erhalten sie Zutritt zu diesen Kreisen und kommen ihren reichen Protagonisten näher? Und wer sind eigentlich die Reichen?
Julia Friedrichs porträtierte für ihr Buch „Wir Erben“ vermögende Menschen. Sie wollte wissen, was hinter der Zahl von sechs Billionen Euro Privatvermögen in Deutschland steckt – und vor allem wer. Bei Dennis Gastmann stand zu Beginn seines Buches „Geschlossene Gesellschaft“ die Idee, dem Armutsbericht der Bundesregierung einen „Reichtumsbericht“ gegenüberzustellen.
Beide haben ihre Recherche mit einfachem E-Mail-Kontakt begonnen, mussten aber bald ernüchtert feststellen, dass sie darauf nur wenig Resonanz bekamen. Man müsse langsam in die Kreise der Leute kommen und sich Vertrauen erarbeiten, sind sich beide einig. Wie funktioniert das?
Der Name eines Verlags oder einer Publikation könne Türen öffnen, da er Seriosität suggeriere, sagt Gastmann. Aber das bediene keine Interessen bei seinen Protagonisten: „Ich kann sie weder reich noch berühmt machen.“ Trotzdem sprachen sie mit ihm; einige seien einfach eitel, andere hätten Spaß an der Ironie. Für viele habe so ein Interview auch einen therapeutischen Charakter, ergänzt Friedrichs. Doch um bis in das Atelier von Rolf Sachs und in das Feriendomizil von Werner Kieser zu gelangen, brauchte es vor allem gute Kontakte.
Den Reichen nahe zu kommen sei zeitintensiv, denn der Weg führt zumeist über Mittelsleute wie Luxusimmobilienmakler, Hausmeister von Yachten oder Leiter von Eliteinternaten. Dafür würde es sich lohnen, meinen beide Autoren. Die Reichen kennen sich oftmals seit ihrer Jugend, wer einmal Zugang zu ihren Kreisen gewonnen hat „wird rumgereicht“, meint Gastmann. Relativ leicht zu erreichen seien Reiche auch über ihr soziales Engagement , oder wenn sie etwas verkaufen wollten.
Bei dem einen oder anderen Getränk an der Bar sei seine journalistische Tätigkeit und Rechercheabsicht bei seinen Protagonisten öfter in Vergessenheit geraten, erzählt Gastmann. Dabei hatten weder er noch Friedrichs ihren Beruf verschleiert, offen ihre Pläne in langen Anschreiben dargestellt. Geholfen habe es trotzdem, das Mikro wegzulegen und anschließend mit Gedächtnisprotokollen zu arbeiten. Später sei er sein Manuskript aber auch mit der Hausjuristin des Verlags nochmal durchgegangen, sagt Gastmann.
Sich in den Kreisen der Reichen zu bewegen sei schwierig, durch Etikette und Budget. „Der Smoking war mein Tarnzeug“, berichtet Gastmann. Ansonsten reiste er mit Bus und Bahn an die Jetset-Hotspots, übernachtete in Hostels anstatt in Hotelanlagen, aß aus der Dose anstatt vom Sternekoch. „Ich habe aber auch gemerkt, dass ein Getränk abzulehnen die Stimmung versaut.“ Darauf müsse man eingehen, auch wenn es „nicht ganz sauber“ ist. Es seien eben Vertrauensgeschichten. Friedrichs nickt: Diese zu finden sei immer eine Mischung aus Hartnäckigkeit und Glück.