„Transparenz und eine kritische Öffentlichkeit schaffen!“
Die Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt kritisiert auf der Fachkonferenz „In der Lobby brennt noch Licht“ die Problemfelder des Lobbyismus
BERLIN. Um die Strukturen und Arbeitsweisen von Lobbyisten transparenter zu machen, veranstaltet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche heute und morgen unter dem Titel „In der Lobby brennt noch Licht“ die bislang größte Fachtagung zum Thema Lobbyismus. Wie Lobbyisten politische und mediale Strukturen nutzen, um ihre Interessen auf die politische Agenda zu setzen und wie eine wirksame Transparenz hergestellt werden könnte, das sind die Leitfragen der Konferenz. Mehr als 250 hochrangige Wissenschaftler, Politiker, Journalisten und Top-Lobbyisten debattieren über das brisante Thema.
In ihrem Eröffnungsreferat benennt die Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt benennt mehrere Problemfelder, die das Zurückdrängen des Lobbyeinflusses auf die Politik so schwer machen:
Problem 1: Ungleiche Waffen
„Wenn Wirtschaftsverbände ihre ökonomische Macht ausspielen und schlimme Konsequenzen für Arbeitsplätze und Staatsfinanzen an die Wand malen“, habe dies eine ganz andere Brisanz, als wenn ein Elternverein bessere Bildungschancen fordert, sagt die Richterin. Selbst die Gewerkschaften seien verglichen mit Wirtschaftslobbyisten recht schwach. Ihnen fehlt ein „schlagkräftiges Druckmittel: Der politische Streik ist in der Bundesrepublik verboten, und mit der Abwanderung von Arbeitnehmern können sie kaum drohen. Aber mit der Abwanderung von Arbeitsplätzen geht das sehr wohl.“ Gestützt würden solche Prophezeiungen oftmals von Instituten und Organisationen, die von der Privatwirtschaft gesponsert seien. „So besteht die Gefahr, dass Interessen nicht nach ihrem Gehalt, sondern der Schlagkraft der Instrumente zu ihrer Durchsetzung gewichtet werden und sich danach politische Prioritäten ausrichten. Von einem Interessenausgleich kann dann nicht mehr die Rede sein“, meint die Richterin. Dem zu widerstehen sei aber die Aufgabe von Regierenden und Abgeordneten.
Problem 2: Subtile Methoden
Die Palette subtiler Methoden der Lobbyisten sei groß, sagt Hohmann-Dennhardt: „Sich die Gunst von Politikern wie Journalisten mit Kongressen in schönem Ambiente bei exzellenter Bewirtung zu erwerben, ist dabei nur eine Variante. Noch erfolgversprechender ist es aber, sich die Bedürfnisse der Politik, die Schwächen, Eitelkeiten und Profilierungswünsche von Politikern zu Nutze zu machen.“ Ansatzpunkte gäbe es in der Fülle der parlamentarisch zu behandelnden Themen genug. Hier seien oftmals Fachleute gefragt, die den Abgeordneten bei der Einordnung und Bewertung der Themen helfen. Doch neutrale Fachleute seien schwer zu finden, „weil viele Experten längst schon für bestimmte Interessentengruppen gutachtlich tätig geworden sind und dort auf den Honorarlisten stehen“, erklärt Christine Hohmann-Dennhardt.
Noch subtiler laufe der Einfluss durch externe Berater, Expertenrunden oder Kommissionen. Die seien „en vogue“, weil sich ein schlanker Staat und der Abbau des öffentlichen Dienstes gut machten. Jedoch habe der Einsatz von Beratern ein zunehmendes betriebswirtschaftliches Effizienzdenken in den staatlichen Einrichtungen und Institutionen zur Folge. „Dabei nimmt man stillschweigend in Kauf, dass der eingekaufte Sachverstand von Eigeninteressen geleitet ist, oder man setzt das staatliche Interesse mit den privaten Interessen, die hinter dem eingeholten externen Rat stehen, einfach gleich“, kritisiert die Bundesverfassungsrichterin. Externer Rat sei zwar gut, aber solchen Externen die Ausarbeitung politischer Projekte und Vorgaben für das gesetzgeberische Handeln zu überlassen, bedeute in Interessenabhängigkeiten abzugleiten und die eigene politische Verantwortung abzugeben.
Problem 3: Personelle Verflechtungen
Abgeordnete in den Aufsichtsräten von Unternehmen seien ebenso wie die sich zur Wahl stellenden Verbandsvertreter eine seit langem praktizierte Variante, hat Hohmann-Dennhardt beobachtet. Das werfe aber Fragen nach der Unabhängigkeit des politischen Mandats auf. Zwar kämen die Leihbeamten in den Ministerien, ein Personalaustauschprogramm zwischen Politik und Wirtschaft, harmlos und wechselseitig bereichernd wie ein Schüleraustauschprogramm daher, entpuppte sich aber als fragwürdiges Unterfangen, weil die externen Beamten weiterhin auf der Gehaltsliste ihrer Unternehmen stünden. „Und immer undurchsichtiger wird, wer eigentlich Urheber für welche Vorlagen oder Gesetzesentwürfe ist und verantwortlich gemacht werden kann“, sagt die Richterin.
Sie fordert, dass Rollenwahrung, Distanzeinhaltung, verantwortliche eigene Aufgabenerfüllung und Unbestechlichkeit für Parlament und Regierung als die Maxime gelten sollen. Zudem könnten Transparenz, die Pflicht zur Offenlegung von Nebentätigkeiten und Finanzierungsquellen der Parlamentarier weiter helfen, den Lobbyeinfluss auf ein Normalmaß zurückzuschrauben. Auch die Medien seien in ihrer Kontroll- und Wächterfunktion gefragt. Kritische Recherchen und breite Berichterstattung können bewirken, „dass Politiker sich bewusster werden, welchen Einflüssen sie eigentlich ausgesetzt sind“, glaubt Christine Hohmann-Dennhardt.
„In der Lobby brennt noch Licht… Lobbyismus als politisches Schatten-Management“ – weitere Informationen und Materialien zur Fachkonferenz.