Laudatio zur Verleihung des Leuchtturm 2004
Leuchtturmpreisträger 2004: Dr. Volker Lilienthal vom Evangelischen Pressedienst (epd)
Laudator: Prof. Dr. Dieter Dörr, Direktor des Mainzer Medien-Instituts und Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK)
Der stellvertretende Ressortleiter von epd medien, Dr. Volker Lilienthal, ist der Preisträger des Medienpreises “Leuchtturm” der Journalisten-Vereinigung „Netzwerk Recherche“, der dieses Jahr zum dritten Mal vergeben wird. Es ist mir eine Ehre und eine große Freude, die Laudatio halten zu dürfen.
Volker Lilienthal hat diesen Preis wahrlich verdient. Nicht nur wegen seiner hervorragenden Beiträge zu den ZDF-Kooperationen mit Dritten, mit denen er – um seine Überschrift aufzugreifen – klar gezeigt hat, worum es wirklich geht. Aber gerade auch deshalb.
Der im besten Sinne grundlegende Artikel „Ausverkauf“, der in der epd medien vom 13.3.2004 erschien, ist penibel recherchiert, machte anhand von Fallbeispielen deutlich, wie solche Kooperationen eingefädelt wurden und zeigt vor allem auf, wie durch solche kommerziellen Nebentätigkeiten nicht nur die Programmautonomie gefährdet, sondern die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschädigt wird.
Lassen Sie mich einige kurze Gedanken dazu beitragen.
Auch mich beschleicht nicht nur bei derartigen Kooperationen, sondern auch bei manchen Sendungen in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF manchmal die Befürchtung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag aus den Augen verliert. So sind sowohl im Ersten als auch im Zweiten Fernsehprogramm manche Angebote enthalten, die Beispiele für eine um sich greifende Trivialisierung, Kommerzialisierung und Boulevardisierung darstellen. Dies macht es den Anhängern einer Public Service-Idee, zu denen Volker Lilienthal ganz ohne Zweifel gehört, alles andere als leicht, die Vorteile eines unabhängigen, föderalen und gemeinnützigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu belegen und zu verteidigen.
Insoweit möchte ich mit Nachdruck darauf hinweisen, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein besonderer Programmauftrag übertragen und er zum Garanten für die Erfüllung der Voraussetzungen gemacht wurde, die die Rundfunkfreiheit an ein duales Rundfunksystem stellt. Nur wenn und soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Aufgabe, ein umfassendes, Unterhaltung, Bildung, Information und Politik berücksichtigendes Programm in vollem Umfang erfüllt, das die gesamte Bandbreite gesellschaftlichen Lebens und die kulturelle Vielfalt widerspiegelt, sich an alle richtet und für alle erreichbar ist, sind die Voraussetzungen der Rundfunkfreiheit gewahrt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – dies wird leider manchmal auch von Verantwortlichen des Systems selbst verkannt – wird demnach im Interesse der Informationsfreiheit, der kulturstaatlichen Aufgabe und der Demokratie in die Pflicht genommen, um insgesamt ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes mediales Angebot zu gewährleisten. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Programm tatsächlich dem des kommerziellen privaten Rundfunks zunehmend angleicht sich schleichend selbstkommerzialisiert, läuft er Gefahr, seinen Programmauftrag zu verfehlen und somit auch seine Legitimation, auch seine Gebührenlegitimation zu verlieren. ARD und ZDF haben auch in Zeiten der Digitalisierung und der wachsenden technischen Möglichkeiten dem Angebot der Privaten ein Kontrastprogramm entgegenzusetzen, mit welchem der klassische Rundfunkauftrag erfüllt wird. Der Unterschied zwischen den beiden Säulen im dualen Rundfunksystem muss deutlich erkennbar sein und bleiben.
Insoweit sind zunächst die Rundfunkanstalten und die sie tragenden Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen gefordert. Darüber hinaus sind, insbesondere wenn Anzeichen einer Selbstkommerzialisierung und Trivialisierung sich mehren, die kritische Öffentlichkeit, also auch und vor allem die Journalisten aufgerufen. Dieser Aufgabe hat sich Volker Lilienthal in vorbildlicher Weise gestellt hat. Die Thematik einer drohenden Selbstkommerzialisierung durch solche Kooperationen hat er beharrlich weiterverfolgt und zwar so lange, bis Einsicht eingekehrt ist. Zu diesem Neuanfang beim ZDF haben seine Artikel, die von den Medien und in der Öffentlichkeit aufgegriffen wurden, entscheidend beigetragen. Dies belegt – und dies freut mich ganz besonders in einer Zeit des Infotainments – dass beharrlicher, gut recherchierter Journalismus Früchte trägt und etwas zu bewirken vermag. Noch erfreulicher ist, dass die Korrektur durch das ZDF im Zusammenwirken von Intendant und Gremien selbst erfolgte. Dies zeigt, dass das Modell eines von der Gesellschaft in Form ihrer relevanten Gruppen selbst verwalteten Rundfunk besser ist als sein Ruf, auch wenn es manchmal des kritischen Anstoßes von Außen bedarf. Ein solcher Anstoß ist aber nur dann von Erfolg gekrönt, wenn die kritische journalistische Begleitung auf einer genauen Recherche beruht und im besten Sinne fundierten Journalismus darstellt.
Volker Lilienthal, das belegt sein bisheriges Wirken, bietet Gewähr dafür. Er hat Journalistik und Germanistik mit herausragendem Erfolg studiert. Daher verwundert es nicht, dass die Lektüre seiner Artikel nicht nur neue Erkenntnisse mit sich bringt, sondern auch sprachlich stets Vergnügen bereitet. Mit seiner Promotion in Neuer Deutscher Literaturwissenschaft über Literaturkritik als politischer Lektüre hat er seine wissenschaftliche Beharrlichkeit unter Beweis gestellt und Beharrlichkeit benötigt man wahrlich auch bei der journalistischen Recherche. Sein Weg als Journalist hat ihn von einem Volontariat bei der Neuen Westfälischen und einem weiteren in der Presseabteilung des Rowohlt Verlages über die Neue Presse in Hannover und das Medien Fachmagazin Copy zur epd geführt.
Auch dort darf man sich übrigens zu Recht freuen: Aus meiner Sicht wird mit der Preisvergabe an Volker Lilienthal auch die ausgezeichnete Arbeit von epd medien gewürdigt. In einer Zeit gerade auch dort knapper werdender finanzieller Mittel ist es beileibe keine Selbstverständlichkeit, dass beide große Kirchen mit ihren Pressediensten dem engagierten Medienjournalismus eine solche Plattform zur Verfügung stellen. Möge dieser Preis sie bestärken in diesem engagierten Bemühen, zur Qualität des Journalismus beizutragen.
Volker Lilienthal weiß diese Plattform trefflich zu nutzen. Aber nicht nur dies:
Mit seinen Lehraufträgen an der Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt trägt er zur fundierten Ausbildung des journalistischen Nachwuchses bei. Seine journalistische Arbeit hat ihn, der mit allen Medienthemen bestens vertraut ist, schon mehrere Preise eingetragen. Ich nenne nur beispielhaft den Deutschen Preis für Medienpublizistik der Freunde des Adolf-Grimme-Preises 1991 und den Hans-Bausch-Mediapreis des Süddeutschen Rundfunks 1997 sowie den 2. Preis „Bester wissenschaftlicher Zeitschriftenaufsatz“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2004. Seine gründlichen und beharrlichen Recherchen über den Evangelischen Pressedienst in der NS-Zeit haben eine besondere Ehrung beim Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik 2002 erfahre. Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass Volker Lilienthal ein Leuchtturm des Medienjournalismus ist, der wie kein zweiter den Preis des Netzwerks recherche in diesem Jahr mit seinen fundierten Artikeln zum Thema der Selbstkommerzialisierung verdient hat.