Laudatio zur Verleihung des Leuchtturm 2005
Leuchtturmpreisträger 2005: Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann. Sonderpreis für Bildblog.de
Laudator: Wolfgang J. Schaupensteiner, Oberstaatsanwalt
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie erwarten von mir bitte keine tief schürfenden und entsprechend langatmig-langweiligen Ausführungen über An- und Einsichten zu dem von Missverständnissen nicht immer freien Verhältnis von Strafjustiz und Medien.
Sie dürfen von mir aber anlässlich der heutigen Preisverleihung eine Laudatio erwarten, in welcher – so der DUDEN, “die Leistungen und Verdienste der Preisträger hervorgehoben werden” – eine Lobrede also.
Und Sie erwarten zu Recht, dass diese Rede kurz ausfällt.
Ihre Erwartungen möchte ich gerne erfüllen. Und wer hat es nicht gerne, wenn ihm ein Staatsanwalt auch mal “entgegenkommt”, selbstverständlich unverbindlich und kostenlos.
Ich für meinen Teil bin der Einladung von Herrn Dr. Leif, die diesjährigen Preisträger zu loben, gerne gefolgt. Gibt dies doch ganz beiläufig auch Gelegenheit ein wenig von dem Selbstverständnis moderner Justiz “rüber zu bringen”, das entgegen verbreiteter – und manches Mal leider bestätigter – Vorurteile zunehmend, wenn auch nicht allüberall, geprägt ist von mehr Transparenz und argumentativer Darstellung justizieller Verfahrensabläufe.
Hierzu zählt vor allem auch ein neuer Umgang mit den Medien – natürlich in den Grenzen des Presserechts -, dessen “beredte” Form das “Hintergrundgespräch” darstellt
(das vorrangig der Information dient und nicht der Imagepflege der StA) und dessen Mediator der Justiz-Pressesprecher ist.
Meine Damen und Herren,
die Fernsehautoren Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann sind die Preisträger des Medienpreises “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen”, die die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche in diesem Jahr zum vierten Mal vergibt !
Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann haben diesen Preis wahrlich verdient. Und das nicht nur für die hervorragende Dokumentation “Milliarden-Monopoly – Die verschwiegenen Geschäfte der Oppenheim-Esch-Holding”, für die sie heute den Leuchtturm-Preis erhalten.
Beide Autoren zeichnen sich seit vielen Jahren durch ihre Recherchen im Dunkelfeld der Korruption aus und haben beispielsweise auch bei ihrer Berichterstattung zum Kölner Müllskandal ihr investigatives Handwerk eindrucksvoll demonstriert.
Sie gehören damit zu der wahrlich nicht besonders großen Gruppe von Journalisten, die erfolgreich den angeblichen Zwängen des Medienbetriebes widerstehen, die da heißen: Beschleunigung, Vereinfachung, Verflachung.
Das sind die Rahmenbedingungen, die alles andere sind, nur nicht Wegbereiter für eine seriöse Berichterstattung, schon gar nicht in Sachen Korruption. Denn die mediale Darstellung von der alltäglichen Bestechung und den heimlichen Türöffnern der Korruption, wie den anonymen Großspenden, schwarzen Konten, Beraterverträgen und die als “white corruption” bezeichnete heimliche Alimentierung von Abgeordneten, verlangt vor allem eines: Intensive Befassung, also Zeit.
Daneben erfordert seriöse Korruptionsberichterstattung Fachwissen. Denn Sach- und Fachkompetenz erleichtert nicht nur den Zugang zu Informationen, sondern sie ist auch wichtige Voraussetzung für die zutreffende Bewertung der Fakten.
Die planvolle und systematische Sammlung und gewissenhafte, soll heißen Ergebnis offene und unvoreingenommene Prüfung von Sachverhalten sowie eine genaue Darstellung der handelnden Personen und deren Einordnung in die Ereignisse ist die nötige Voraussetzung für eine fundierte Berichterstattung.
Alles Fachwissen nützt jedoch nichts ohne die beständige Pflege von Kontakten, die vertrauensvolle und kompetente Kooperation mit Informanten und Whistleblowern. Sie ist der Kern jeder Korruptionsrecherche. Ohne aussagebereite Insider und ohne anonyme Hinweisgeber (die bislang ergiebigste Erkenntnis-Quelle!) kämen nur die wenigsten Korruptionsskandale an die Öffentlichkeit.
Zu guter Letzt braucht die seriöse Korruptionsberichterstattung auch Autoren, die längst verschüttete Tugenden der Recherche in sich tragen: Ausdauer bis zur Hartnäckigkeit, Konzentration gepaart mit Systematik, nicht nachlassender Fleiß und vor alledem Verlässlichkeit.
All das – Fachwissen, sorgfältige Quellenpflege und die nötigen journalistischen Tugenden (die auch einem Ermittler gut zu Sicht stünden) – haben Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann mit ihrer aktuellen Dokumentation “Milliarden-Monopoly” unter Beweis gestellt, die heute vom Netzwerk Recherche daher zurecht ausgezeichnet wird und die in Köln für viel Wirbel gesorgt hat.
Nicht die reißerische Skandalisierung war das Ziel des 45-minütigen Features, sondern Aufklärung über das Unfassbare, der Bericht über die engen personellen und finanziellen Verzahnungen im Korruptionsdreieck von Politik, Wirtschaft und Öffentlicher Verwaltung. Die Autoren haben ein Kölner Skandalon nüchtern, schlüssig und doch kaum glaublich seziert.
Den Autoren ist es bravourös gelungen, komplizierte, faktenreiche Sachverhalte nachvollziehbar zu machen und obendrein auch noch überaus spannend zu präsentieren.
Sie haben damit leider den wunderschönen, weil einprägsamen und alle Vorurteile bestärkenden Reporterspruch widerlegt, wonach “nichts eine gute Story schneller verdirbt als ein paar Tatsachen”.
Die Autoren gingen in ihrer Dokumentation den verschwiegenen Geschäften der Oppenheim-Esch-Holding in Köln nach und zeigten, mit welchen Methoden jahrelang milliardenschwere Deals mit der Kommune eingefädelt wurden. Ein System, von dem Kritiker behaupten, dass es den Investoren konkurrenzlose Renditen auf Kosten des Steuerzahlers ermöglichte.
Der Film löste in Köln eine intensive Diskussion aus, in deren Mittelpunkt die Frage stand, warum die Stadt den millionenschweren Auftrag für den Bau neuer Messehallen ohne europaweite Ausschreibung an den Oppenheim-Esch-Fonds vergab.
Die Autoren rechneten vor, dass die Stadt 360 Millionen Euro hätte sparen können, wenn sie die Messe-Erweiterung durch Kommunalkredite selbst finanziert hätte, statt sich auf den Miet-Deal mit Oppenheim-Esch einzulassen.
Dies taten sie so überzeugend, dass die Staatsanwaltschaft anbiss und die Ermittlungen gegen den Kölner OB Schramma und andere wegen Verdachts der Untreue aufnahm.
Wie viele Autoren mögen solch eine professionelle Bestätigung ihrer umfassenden und gewissenhaften Recherche vorweisen können?
Wir haben mit Hilfe des Features Einblick in eine andere Welt erhalten. Ob dabei auch Bestechung im Spiele war, werden die Strafverfolger zu klären haben. Die Bilder jedenfalls sagten manches Mal mehr als alle Worte, die Protagonisten und ihr Auftreten erinnerten geradezu schmerzhaft an Mafia-Klischees von dicken Männern mit dicken Zigarren, patenhafter Selbstinszenierung und eitles Spreizen.
Mit ihrem Film haben Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann eindrucksvoll gezeigt, dass journalistische Tiefenbohrungen mit Präzision und Ausdauer zu Korrekturen von Fehlentwicklungen führen können.
Und sie haben durch ihre Arbeit dazu beigetragen, Vorbehalte aus der Justiz gegenüber Journalisten abzubauen.
Unbestritten ist, dass die Kooperation zwischen den Fachleuten in Justiz und Politik und den Journalisten noch verbessert werden kann und muss. Der Vorwurf der unkontrollierten Verdachts-Berichterstattung auf der einen Seite begegnet der Erfahrung über bürokratische Verschlossenheit und Informationsverdünnung auf der anderen Seite.
Dabei ist eine gedeihliche Zusammenarbeit am Ende eine
“win-win-Situation”.
Um Korruption in diesem Land wirksam zu bekämpfen, bedarf es noch großer Anstrengungen und das Abarbeiten zahlreicher Baustellen.
Zunächst bleibt der Gesetzgeber aufgefordert, seine Hausaufgaben zu machen und neben anderen Maßnahmen ein bundesweites Korruptionsregister einzuführen, aber auch ein Unternehmensstrafrecht, wie es etwa in den USA und in Mitgliedsstaaten der EU bereits erfolgreich eingesetzt wird, und die durch die UN-Konvention von 2003 geforderte Gleichstellung von Amtsträgern und Abgeordneten im Korruptions-Strafrecht umzusetzen.
Auf Seiten der Justiz steht eine Vielzahl an Wirtschaftskriminellen einer viel zu geringen Zahl an Wirtschaftskriminalisten gegenüber. Die Personaldecke der Ermittlungsbehörden ist oft sehr dünn.
Darüber hinaus mangelt es an einer zentralen Informationssammlung und -auswertung. Und die Organisationsstrukturen der Ermittlungsbehörden mit der Zersplitterung ihrer örtlichen Zuständigkeiten sind längst nicht mehr zeitgemäß.
Dies ist auf journalistischer Seite durchaus ähnlich.
Es gibt beim Thema Korruption keine Ressort übergreifenden Recherchen. Es gibt keine zentrale Informationssammlung. Häufig mangelt es auch an Kontinuität in der Korruptionsberichterstattung. Gerade Folgeberichte sind nach meiner Erfahrung für die Informanten und aussteigewilligen Mitläufer und Täter d e r Nachweis, dass sich Presse wie Strafverfolger einem Sachverhalt ernsthaft annehmen und diesen zur Aufklärung bringen wollen. Das ermutigt sie, ihr Wissen weiterzugeben.
Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann zeigen diese Kontinuität seit Jahren und profitieren von den Netzwerken, die sie sich so aufgebaut haben. Sie profitieren auch von einem Sendeformat wie der WDR-Story, die als eine von nur wenigen Sendungen ihren Autoren noch die Möglichkeit zu umfassenden, gründlichen Recherchen und der Umsetzung dieser Recherchen in spannende journalistische Produkte bietet.
Die deutsche Medienlandschaft könnte mehr Formate wie die “Story” gebrauchen, vor allem aber mehr Autoren wie Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann, die sich nicht damit zufrieden geben, bei der Konkurrenz abzukupfern oder Presserklärungen von Betroffenen unkritisch zu übernehmen, die vielmehr den Dingen auf den Grund gehen wollen und denen Missstände wie Korruption nicht egal sind,
Autoren, für die Recherche nicht lästige Pflichterfüllung, sondern Leidenschaft ist.
Autoren eben, die den Leuchtturm-Preis des Netzwerk Recherche wirklich verdient haben.