„Muster erkennen, Struk­turen ver­stehen“

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 25. Juli 2014 | Lese­zeit ca. 3 Min.

Vier Fragen an… Volker Stol­lorz, freier Jour­na­list mit Schwer­punkt Medizin

Volker Stol­lorz (Foto: Raphael Hünerfauth)

1. Welche beson­deren Her­aus­for­de­rungen stellen sich für den Daten­jour­na­lismus in Deutsch­land?
Ich sehe – vor allem in meiner Rolle als Medi­zin­jour­na­list – drei Dinge, die zu ver­bes­sern wären. Ers­tens: Trans­pa­renz. Wäh­rend es in den Län­dern wie den USA Pro­jekte wie Dol­lars for Docs von Pro­Pu­blica gibt, wo Zah­lungen von Phar­ma­firmen an Ärzte ver­öf­fent­licht werden, um Inter­es­sen­kon­flikte erkennen zu können, sind solche Daten in Deutsch­land nicht zugäng­lich. Viel­leicht wird so etwas ab 2016 mög­lich, aber feh­lende Daten und man­gelnde Trans­pa­renz sind in der gesamten Medizin hier­zu­lande ein Pro­blem. Zwei­tens: Team­bil­dung. Die Kom­pe­tenzen im Daten­jour­na­lismus sind meist ver­teilt auf meh­rere Per­sonen. Es braucht aber Koor­di­na­tion und Struk­turen für eine Team­bil­dung, zur Aus­wer­tung dif­fi­ziler Daten­sätze und zum Geschichten finden und auf­be­reiten. Drit­tens: Bewusst­seins­bil­dung. Im Zusam­men­hang mit der Ver­füg­bar­keit von Daten muss sich ein stär­keres Bewusst­sein für die Macht von Daten ent­wi­ckeln – und dafür, wie sich damit Geschichten auf ori­gi­nelle Art erzählen lassen.

2. Wo können Wis­sen­schaftler und Jour­na­listen zusam­men­ar­beiten?
Der größte Unter­schied zwi­schen einem Data-​Wis­sen­schaftler und Jour­na­listen besteht wohl darin, dass der Wis­sen­schaftler darin kom­pe­tent ist, Struk­turen und Muster in Daten zu erkennen, wäh­rend der Jour­na­list stärker auf Aus­reißer und eine mög­liche Skan­da­li­sie­rung fokus­sieren wird. Man kann sagen, dass sich beide Kom­pe­tenzen berühren und befruchten können und sollten, aber Wis­sen­schaftler und Jour­na­listen letzt­end­lich unter­schied­liche Rollen ein­nehmen. Sta­tis­ti­sche Kennt­nisse und Pro­gram­mier-​Kniffe helfen bei der Ord­nung von Daten­sätzen und ver­kürzen Pro­jekt­zeiten enorm. Als Jour­na­list habe ich viel­leicht eher die Chance, ein Risiko zu wagen, weil ich unab­hängig von Akteuren im System agieren kann.

3. Wie sollte man den Daten­jour­na­lismus in Deutsch­land för­dern?
Ich sehe ein paar Pro­bleme in der För­de­rung in Deutsch­land. Das eine ist ein Res­sour­cen­pro­blem: Es gibt für Daten­jour­na­lismus zu wenig Geld, Zeit und Man­power. Es wäre gut, wenn man Kom­pe­tenz-​Zen­tren oder Ein­heiten mit Expe­ri­mental-​Cha­rakter ein­richten würde, die pro­fes­sio­nelle Daten­aus­wer­tung rou­ti­ne­mäßig betreiben und damit Erfah­rungen haben. Da hinkt Deutsch­land im inter­na­tio­nalen Ver­gleich hin­terher. Wenn man Men­to­ring-​ oder Partner-​Pro­jekte bilden könnte, die in Redak­tionen Kom­pe­tenzen auf­bauen helfen, wäre das schon ein Fort­schritt. Dafür muss aber auch das Bewusst­sein für das Poten­zial von Daten­jour­na­lismus in den Redak­tionen wachsen. Vor allem, weil das Geld ver­mut­lich ander­weitig gespart oder rein­ge­holt werden muss. Guter Daten­jour­na­lismus kostet nun einmal Geld.

4. Wo sind die Grenzen des Daten­jour­na­lismus vor dem Hin­ter­grund der jüngsten Daten­schutz­de­batten?

Die Debatte um Daten und Daten­schutz ist hoch­kom­plex, auch in der Medizin. Meine Grenzen als Jour­na­list liegen an dem Punkt, wo ein­zelne Pati­enten als solche iden­ti­fi­zierbar werden könnten. Natür­lich kann man durch Aggre­ga­tion von Daten­sätzen de-​anony­mi­sieren, aber für mich zählt nicht der ein­zelne Name und seine Behand­lung, son­dern Ziel meiner Bericht­erstat­tung ist die Qua­lität der Behand­lung und der gene­rellen medi­zi­ni­schen Qua­lität in Deutsch­land. Daten­jour­na­lismus kann Muster erkennen, Struk­turen ver­stehen, Qua­lität erkennen und schlechte Insti­tu­tionen finden. Die Ver­ant­wor­tung des Jour­na­listen liegt auch darin, dass man nicht ein­fach in den Daten wühlt, son­dern dass man einen sorg­fäl­tigen Umgang mit den Daten und den Regeln des Daten­schutzes pflegt. Hier müssen jeweils Qua­li­täts­stan­dards erar­beitet werden.

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