Der Inter­dis­zi­pli­näre

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 3. Sep­tember 2014 | Lese­zeit ca. 3 Min.

„Ich bin Infor­ma­tiker geworden, weil ich ein­fach faul bin“, erzählt Kris­tian Kersting. Schon als Kind hat er sich gerne davor gedrückt, sein Zimmer auf­zu­räumen. Und fand die Vor­stel­lung toll, irgend­je­mandem oder irgend­etwas bei­zu­bringen, die Arbeit für ihn zu erle­digen.

Was wie ein lus­tiger Kind­heits­traum klingt, tut Kersting heute tat­säch­lich in gewisser Weise: Das For­schungs­ge­biet des Infor­matik-​Pro­fes­sors ist das Data Mining, die Extrak­tion von Wissen aus großen und kom­plexen Daten­mengen. 2006 hat Kersting auf diesem Gebiet in Frei­burg pro­mo­viert, es folgte ein Auf­ent­halt am Mas­sa­chu­setts Insti­tute of Tech­no­logy (MIT), am Fraun­hofer-​Institut in Sankt Augustin und an der Uni­ver­sität Bonn, bis er eine Pro­fessur an der Tech­ni­schen Uni­ver­sität in Dort­mund annahm.

Dort kam er zum ersten Mal in direkten Kon­takt mit dem Jour­na­lismus. Beim Antritts­be­such im Rek­torat lernte er Henrik Müller kennen, damals eben­falls neu ernannter Pro­fessor am Lehr­stuhl für wirt­schafts­po­li­ti­schen Jour­na­lismus. Man kam ins Gespräch und so wurde ein neues Pro­jekt erdacht: Unter dem Namen „ECONIM“ (Eco­nomic Nar­ra­tives in the Media) soll die inter­na­tio­nale Bericht­erstat­tung um die Finanz­krise betrachtet werden. Dabei werden aus dem Reper­toire von Online-​Daten­banken meh­rere Tau­send Artikel unter die Lupe genommen, für einen Men­schen ohne maschi­nelle Hilfe wäre in diesen Mengen ein „Auf­räumen“ unmög­lich. Welche Themen dabei domi­nant sind und welche Wörter in Ver­bin­dung mit­ein­ander auf­treten, lässt sich mit Methoden aus dem Data Mining fest­stellen – und lässt mög­li­cher­weise Rück­schlüsse auf Sicht­weisen in den jewei­ligen Län­dern zu. Aus der Ent­wick­lung können auch Pro­gnosen für den wei­teren Ver­lauf der Kri­se­ab­ge­leitet und mög­liche Erschüt­te­rungen im Voraus erkannt werden, sagt Kersting.

Aber egal wie viele Daten man auf­räumt und sor­tiert, lässt sich die Zukunft über­haupt sicher vor­her­sagen?„Klar gibt es keine Sicher­heiten, nur Wahr­schein­lich­keiten. Irgend­wann treffen Mensch und Maschine aber gemeinsam infor­mierte Ent­schei­dungen“, sagt der 40-​Jäh­rige. Für Kersting ergänzen sich die beiden koope­rie­renden Dis­zi­plinen aus Wis­sen­schaft und Medien jeden­falls her­vor­ra­gend: „Es gibt eine ganz natür­liche Bezie­hung zwi­schen Infor­ma­ti­kern und Jour­na­listen“ – was die einen tech­nisch besser finden könnten, ver­packten die anderen in Worte.

Für die Zukunft wünscht sich Kersting jeden­falls eine bes­sere Auf­klä­rung zum Umgang mit Daten schon in der Schule – und das auch außer­halb des Infor­ma­tik­un­ter­richts. Jeder solle wissen, dass er digital Daten hin­ter­lässt. Aus den Vor­teilen neuer Tech­no­lo­gien kann näm­lich nur der schöpfen, der auch mit den Risiken ver­traut ist und diese umfas­send im Blick behält. Das muss auch ein Infor­ma­tiker wie Kersting – bei aller sym­pa­thi­schen Faul­heit.

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