Verschlossene Auster 2009 für den Bundesverband deutscher Banken

veröffentlicht von Netzwerk Recherche | 8. Juni 2009 | Lesezeit ca. 19 Min.

Negativ-Preis geht an den Bundesverband deutscher Banken (BdB) – stellvertretend für seine 220 Mitglieder

Die Verschlossene Auster, der Kritik-Preis des Netzwerks Recherche für den „Informationsblockierer des Jahres“, geht 2009 an den Bundesverband deutscher Banken (BdB) – stellvertretend für die rund 220 Mitglieder des Verbandes. Der Bankenverband und seine Mitglieder waren in der Banken- und Finanzkrise nicht auf Seiten von Transparenz und Aufklärung. Die Vertreter der Banken tauchten ab und stellten sich der Öffentlichkeit nicht ausreichend. Wenn sie eines ihrer wenigen Interviews gaben, dann versorgten sie die Öffentlichkeit mit Ausreden. Sie weigern sich, ihre Fehler einzugestehen, Versäumnisse zu erklären und Verantwortung zu übernehmen.

„Die meisten Banken betreiben ihre Öffentlichkeitsarbeit nach dem Muster Tricksen, Tarnen, Täuschen,“ sagte Dr. Thomas Leif, der Vorsitzende von Netzwerk Recherche, anlässlich der Verleihung der Verschlossenen Auster während der Jahreskonferenz der Journalistenvereinigung in Hamburg. „Mit dieser Methode versuchen sie von ihrer eigenen Verantwortung für die Finanzkrise abzulenken. Mit ihrem Motto‚ Schuld sind immer die anderen’, sind sie bislang beängstigend erfolgreich.“

Die Laudatio auf den Preisträger hielt Professor Rudolf Hickel, der Direktor des Institutes Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen. Er sagte: „Der Bundesverband deutscher Banken hat sich diesen Preis wahrhaft erarbeitet. Gemessen an dem Kriterium der Jury, Honorierung für Informationsblockierung, hat der Bundesverband deutscher Banken die Ansprüche sogar übererfüllt. Denn nicht nur Informationsblockierung, sondern Fehlinformation, Halbwahrheiten, lobbyistische Rechtfertigungen kennzeichnen die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes.“

In seiner Stellungnahme zur Preisverleihung sagte der Geschäftsführende Vorstand des Bankenverbandes, Prof. Dr. Manfred Weber: „Ich kenne zu viele Fälle, in denen Banken unglücklich oder gar nicht kommuniziert haben. Da schließe ich auch den Bankenverband nicht aus.“ Den pauschalen Vorwurf, die Banken hätten die Aufklärung behindert, weise er jedoch zurück. Die Arbeit des Verbands sei „hochgradig transparent“. Gleichwohl brauche er die kritische Begleitung durch Journalisten und Wissenschaftler. „Jeder Fehler ist ein Fehler zu viel“, sagte Weber.

Ein öffentliches Schuldeingeständnis der Banken ist nach Ansicht von Netzwerk Recherche die Voraussetzung, um mit einer sachlichen Analyse der Fehler des gesamten Bankensystems zu beginnen. Ein solches Eingeständnis und eine solche Debatte sind nötig, um eine künftige Finanz- und Wirtschaftskrise frühzeitig zu verhindern bzw. geeignete Frühwarnsysteme wirken zu lassen. Banken haben finanzielle Instrumente manipuliert, um hohe Renditen zu ergaunern. Zu viele Banker haben bei diesem Schneeballsystem bereitwillig mitgemacht und stehlen sich heute aus der Verantwortung.

Wir Journalisten müssen unsere Mitschuld, zu wenig recherchiert und zu wenig nachgefragt zu haben, aufarbeiten und wir wollen bei der Jahrestagung und darüber hinaus unseren Beitrag leisten. Aber zu oft kamen wir nicht dazu, den Verantwortlichen Fragen zu stellen. Sie standen nicht Rede und Antwort. Und wenn doch, dann beließen sie es beim Hinweis, die Bankenkrise sei eigentlich von amerikanischen Politikern verursacht, weil sie die Bank Lehman Brothers in Konkurs gehen ließen. Das sagte beispielsweise der bis März amtierende Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus-Peter Müller, und so steht es als Erklärung der Krise auf der Homepage des Bankenverbandes. Zu selten und zu wenig haben er und seine Kollegen sich in der Debatte der Frage gestellt, worin ihre Schuld besteht. Haben nicht deutsche Banken allzu bereitwillig mitgeholfen, große Risiken des amerikanischen Immobilienmarktes zu teilen und handelbar zu machen? Wurde die Krise nicht erst durch diese Bereitschaft, unüberschaubare Risiken zu teilen und dann kunstvoll und undurchschaubar zu verpacken, überhaupt erst möglich? Davon gehen wir aus.

Bankenpräsident Klaus-Peter Müller sagte im Oktober 2008 dem Spiegel: „Wir Banken haben zu lange und zu stark auf die Ratings geschaut und uns nicht mehr mit den zugrunde liegenden Risiken der Papiere beschäftigt. Wir müssen wieder zurück zu den alten Tugenden des Bankgeschäfts und für mehr Transparenz sorgen.” Es klang wie der Anfang eines Schuldeingeständnisses. Aber Fehler im System stellte er umgehend in Abrede. Er behauptete: Man habe aus den Fehlern gelernt. Dabei warten wir noch immer auf eine tiefer gehende, umfassende Aufarbeitung, auf Transparenz und Selbstkritik. Müller sagte: Schwerwiegende Fehler seien nur von einigen, nicht von vielen gemacht worden. Man dürfe Bankenmanager nicht pauschal verantwortlich machen. Ein Bericht der Wirtschaftswoche vom Februar 2008, der im April den Henri-Nannen-Preis für investigative Recherche erhielt, legt das Gegenteil nahe und deutet darauf hin, dass Versagen kein Einzelfall war, sondern mit System betrieben wurde: Bankangestellte sind demnach wie Drückerkolonnen organisiert, sind unter Druck gesetzt, und sie beraten ihre Kunden deshalb nicht, schreibt die Autorin Melanie Bergermann, sondern sie belügen sie und haben nur ihre Verkaufszahlen im Auge. Diese und andere unverantwortlichen Vorgehensweisen müssen deutsche Banken aufklären und öffentlich machen.

Die Banker drücken sich um Analyse und Selbstkritik. Dabei haben „auch angesehene deutsche Bankinstitute beim Umgang mit Risiko zunehmend Durchblick und Weitsicht verloren“, wie Bundespräsident Horst Köhler den Banken vorwirft. Das „Auftürmen von Finanzpyramiden“, wie Köhler ihr Vorgehen nannte, wurde für Banken zum Selbstzweck. Sie übernehmen kaum Verantwortung für ihre Risikoentscheidungen. „Bis heute warten wir auf eine angemessene Selbstkritik der Verantwortlichen“, sagte Köhler am 24. März in seiner Berliner Rede. Was Köhler damals sagte, gilt – abgesehen von der erwähnten Ausnahme – bis heute.

Der Kritik-Preis wurde in diesem Jahr zum achten Mal verliehen. Er steht als mahnendes Symbol für mangelnde Offenheit und Behinderung der Pressefreiheit von Personen oder Organisationen gegenüber den Medien. Die Preisträger erhalten zur Erinnerung und als Mahnung zur Besserung eine Skulptur des Marburger Künstlers Ulrich Behner.

Die Preisträger werden im Vorstand von Netzwerk Recherche gewählt. Preisträger der vergangenen Jahre waren der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily, der Lebensmittelkonzern ALDI, die Hypo-Vereinsbank (stellv. für die DAX-Unternehmen), der damalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der ehemalige Chef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, der ehemalige russische Präsident Wladimir Putin und im Vorjahr das Internationale Olympische Komitee und stellvertretend IOC-Vizepräsident Thomas Bach. Um die Skulptur zu erhalten, muss sie allerdings abgeholt oder mit einer schriftlichen Gegenrede verdient werden – was vor Manfred Weber, dem Geschäftsführer des Bankenverbandes, bislang nur Otto Schily und Hartmut Mehdorn auf sich nahmen.

Laudatio von Prof. Dr. Rudolf Hickel

Austerpreisträger: Bundesverband deutscher Banken
Laudator: Prof. Dr. Rudolf Hickel, Direktor des „Instituts Arbeit und Wirtschaft“ (IAW) an der Universität Bremen

1. Als Ökonom beginne ich mit einer Produktbeschreibung der verschlossenen Auster:

Die verschlossene Auster ist:

  • kein toxisches, also vergiftetes Produkt;
  • kein Bad- Produkt, vergleichbar einer Bad-Bank;
  • kein Derivat, also keine ursprüngliche Forderung, die mehrfach zu einem Wertpapier ohne Wert verpackt worden ist, um es zu verhökern;
  • auch kein Zertifikat, das einer Wette im Glückspiel gleicht.

Die verschlossen Auster zielt abgesehen vom geringen Materialwert vielmehr auf die Bewertung eines Dienstleistungsprodukts, allerdings ist das ein Bad-Good.

Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Produktionsfaktoren zur Erzeugung der Dienstleistung „Informationsblockierung“, ja der gezielten Fehlinformation, der selektiven Informierung denkfauler, möglicherweise aber auch gefügiger Journalistinnen und Journalisten

2.
Der Kritik-Preis des Netzwerks Recherche, die verschlossene Auster, wird in diesem Jahr an den Bundsverband deutscher Banken (BdB) verliehen.

Die Jury verdient für die Auswahl des in diesem Jahr Preisgekrönten ein uneingeschränktes Kompliment.

Der Bundesverband deutscher Banken hat sich diesen Preis wahrhaft erarbeitet.

Gemessen an dem Kriterium der Jury, Honorierung für „Informationsblockierung“, hat der Bundesverband deutscher Banken die Ansprüche sogar übererfüllt. Denn nicht nur Informationsblockierung, sondern Fehlinformierung, Halbwahrheiten, lobbyistische Rechtfertigungen kennzeichnen die Öffentlichkeitsarbeit dieses Verbandes.

Dass der BdB diesen Preis auch ernst nimmt, wird dadurch sichtbar, dass Herr Prof. Dr. Axel Weber die verschlossene Auster persönlich entgegennehmen wird. Er ist:

„der Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes Bank- und finanzmarktpolitische Grundsatzfragen, Wirtschafts- und Währungspolitik, internationale Beziehungen, Öffentlichkeitsarbeit, Parlament.“

Herr Prof. Dr. Weber wird sicherlich die Chance nutzen, sich auf seine Weise für diesen Preis zu bedanken.

3.
Bevor die großen Leistungen bei der Informationsblockierung und auch der Verbreitung von Fehlinformationen laudiert werden, lohnt sich der Blick auf diesen Verband der Banken. Es handelt sich um den Zusammenschluss von großteils mächtigen Privatbanken.

Dabei sind:

  • Großbanken wie die Deutsche Bank und teilverstaatlichte Commerzbank;
  • Regionalbanken wie die vollverstaatlichte Hypo Real Estate, die BMW-Bank, auch die Hypotheken- Karstadt Bank AG; Privatbankiers wie die feine Adresse B. Metzler Institute mit Sonderaufgaben wie die IKB Auslandsbanken, wie die City Group und Lehman Brothers Bankhaus AG

Der Sprecher des Vorstands, Klaus- Peter Müller, der Verantwortung für die Commerzbank trägt, ist vor einiger Zeit abgelöst worden durch: Andreas Schmitz.

Zum Vorstand gehören auch Dr. Josef Ackermann, der den Preis für unerschütterliche Profitarroganz – selbst in derFinanzmarktkrise – verdient; sowie Martin Blessing von der teilverstaatlichen Commerzbank – Neu, der den Titel „Mit Ehrlichkeit zu einem Neuanfang“ verliehen bekommt.

4.
Wie prädestiniert der BdB für diesen Preis ist, ergibt sich aus der Beschreibung seiner informationellen Aufgaben:

  • Die Informierung richtet sich nach Innen. Unterrichtet werden die Verbandsmitglieder über „aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung“. Übrigens ist nicht bekannt und deshalb wohl auch nicht anzunehmen, dass dieser Verband seine Mitglieder über die Krisen des Bankensystems und die Ursachen sowie den Vertrauensverlust ehrlich informiert hat.
    Warum macht sich der Bankenverband das Motto zu Eigen: Banker dürfen nur die Geschäfte betreiben, die sie verstehen und verantworten können.
  • Nach Außen steht die Einflussnahme im Vordergrund: „ ….Ansprechpartner für Parlament, Ministerien und Behörden in allen kreditwirtschaftlichen Fragestellungen zu sein ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Verbandsarbeit. Politiker und Beamte greifen für die sachgerechte Beurteilung kreditwirtschaftlicher Fragen regelmäßig auf das Expertenwissen des Bankenverbandes zurück.“
    Hier geht um Lobbyarbeit im Gesetzgebungsverfahren. Dazu gehört massiver Lobbyeinfluss auf die Deregulierung der Finanzmärkte, die zu einer schweren und folgenreichen Krise des Bankensystems geführt hat.
    Zuletzt habe ich persönlich den BdB bei der Anhörung beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags erleben dürfen: Harte Lobbyarbeit gegen die Austrocknung von Steueroasen.
    Die Informationspolitik wird maßgeblich durch diese Lobbyinteressen bestimmt.
  • Schließlich steht die Informierung der Medien, wie überhaupt der Öffentlichkeit auf der Agenda.
    Der Schlüsselsatz lautet:
    „Die Information der Öffentlichkeit über die Aufgaben und Tätigkeiten der privaten Banken bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit des Bankenverbandes. Es gilt, Informationslücken zu schließen, Missverständnisse auszuräumen und den vertrauensvollen Umgang miteinander zu fördern. Gerade die Banken mit ihren hochspezialisierten Finanzdienstleistungen sind von Fehleinschätzungen besonders betroffen.
    Der Bankenverband ist Ansprechpartner in allen bankspezifischen Fragen.“

Jenseits von Selbstkritik werden damit selbst produzierte Fehler zu Missverständnissen, mangelnde Befähigung zur Einsicht bei den Betroffenen, den Dritten gestempelt. Es geht also um informationelle Rechtfertigung, ja auch Propaganda wider die selbst erzeugten Fehlentwicklungen.

Übrigens, diese Verbandspolitik zur kritiklosen Rechtfertigung der wohlstandsstiftenden Privatbanken steht im Widerspruch zu der quasistaatlichen, hoheitlichen Funktion: der Einlagensicherungsfonds, den der damalige Bundeskanzler, Helmut Schmidt nach der Herstatt- Pleite 1974 durchgesetzt hatte.

Der BdB muss sich dem Widerspruch stellen: Soweit seine Mitglieder mit hochriskanten, abenteuerlichen Risikogeschäften das gesamte Bankensystem in die Krise stürzen, droht am Ende der Zugriff auf den staatlich erzwungen Einlagensicherungsfonds. Die Informationspolitik des BdB unter dem Regime der Finanzmarktkrise zeigt:

Der BdB verdient den Preis für Informationsblockierung und –vermeidung uneingeschränkt.

Dazu auch noch einige Beispiele:

4.1.
Die Deutung der Entstehung sowie der Ursachen dieser Finanzmarktkrise, die nicht mit der Weltwirtschaftskrise zu vergleichen ist, lenkt von den wahren Fehlleistungen auch der deutschen Privatgroßbanken ab.

Ursachen und Auslöser werden auf der Homepage kontrafaktisch auf Fehlentwicklungen in den USA und dort am Ende auf die expansive Geldpolitik der Notenbank sowie auf den politisch gewollten Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15. 9 2008 zurückgeführt.

Diese Interpretation lenkt ab von den Alchimisten in den deutschen Banken, die glaubten, wenn ich einen Stein mit der Farbe Gold anmale, dann sei das echtes Gold.

Diese Finanzmarktkrise ist jedoch das Ergebnis einer langfristig angelegten Politik der Deregulierung der Finanzmärkte. Auslöser in Großbritannien war der „Bigbang“ im Oktober 1986, mit dem Regulierungen am Finanzplatz London aufgehoben worden sind.

In Deutschland sind unter dem massiven Druck dieses Bankenverbandes seit 2002 Deregulierungen durchgepeitscht worden (Handel mit Derivaten, Öffnung des Verbriefungsmarktes, Zulassen von Hedgefonds). Die Informationspolitik dient den Lobbyzielen.

4.2.
Die Banken haben unter Vernachlässigung eines seriösen Geschäftsmodells kurzfristig hoch rentierliche, jedoch riskante Finanzmarktprodukte kreiert. Teilhabe am Kasinokapitalismus, nicht die Unterstützung der ökonomischen Wertschöpfung stand im Vordergrund.

Wo bleibt die Kritik des BdB an dem noch durch hohe Bonuszahlungen beschleunigten Verkauf etwa von Zertifikaten, die etwa einer Rentnerin ausgeschwatzt worden sind?

4. 3.
Der BdB hat die Finanzkrise dazu missbraucht, die Schuld in Deutschland den staatlich verantworteten Landesbanken zuzuweisen. Sicherlich, die Geschäfte einiger Landesbanken, die über Zweckgesellschaften betrieben wurden, sind ein Skandal.

Aber diese Kritik darf nicht von schweren Fehlern der Privatbanken ablenken. Hier wird eine Marktbereinigungspolitik betrieben. Schließlich haben die Sparkassen und Genossenschaftsbanken solche Geschäfte nicht betrieben.

4.4.
Privatbanken haben ihre eigenen Kunden über die Risiken vieler Anlageinstrumente unzureichend, ja auch falsch informiert. Dafür müssten die Verbraucherzentralen den Preis der „faulen Tomaten“ an den BdB vergeben.

Immerhin gesteht der BdB mit den kürzlich vorgelegten „Leitlinien zur Stärkung des Anlagervertrauens im Retailgeschäft“ diese Fehlberatung ein.

Da heißt es beispielsweise: „Zentrale Vorgaben zur Organisation des Kundengeschäfts richten sich an den Bedürfnissen der Kunden aus“.

Im Umkehrschluss heißt das, dass bisher der bonigetriebene Verkauf von Anlageprodukten an den Kundeninteressen vorbei betrieben worden ist.

Also nicht die Gier der Kunden, sondern der Anlageberater bestimmt das Geschäft.

4.5.
Die Banken, die wegen ihrer toxischen Produkte auf der Aktivseite nur noch restriktiv Kredite vergeben, belasten viele kleine und mittlere Unternehmen. Bis heute gibt es keine klare Stellungnahme zu der durch die Bankenkrise ausgelösten Kreditklemme gegenüber den kleinen und mittleren Unternehmen.

4.6.
Die Banken haben die Krise, nach dem sie lange Zeit profitiert haben, verursacht. Erforderlich ist endlich dreierlei:

  • eine unmissverständlich Selbstkritik und ein Schuldeingeständnis;
  • die Übernahme der Verantwortung für diese Katastrophe, die jetzt die Realwirtschaft belastet;
  • vor allem aber ein klares Bekenntnis zur Aufstellung von Spielregeln mit dem Ziel, die Gier zu ersticken. Das Foul darf nicht die Spielregel bleiben.

Gebraucht werden „stinklangweilige Banken“ (Paul Krugman) mit dienender Funktion.

Wann und wo hat der BdB erklärt, dass etwa Leerkäufe zu verbieten sind und der Handel mit Forderungen an eine ausreichende Eigenkapitaldeckung zu binden ist?

Dieser Kritik-Preis richtet sich aber auch an die Journalistinnen und Journalisten, die sich mit welchen Motiven auch immer als gefügige Sprachrohre der Banken sowie des BdB haben missbrauchen lassen.

Ich wünsche mir, dass der SPIEGEL, der jahrelang die Globalisierung der Finanzmärkte arrogant gefordert hat, auch einmal seine schweren Irrtümer eingesteht.

Der Bundesverband deutscher Banken hat eine Chance, den Kritik-Preis, die verschlossene Auster aberkennt zu bekommen. Er muss – selbst einen verbindlichten Kodex der Banken für ein nachhaltiges Wirtschaften vorlegen und auf dessen Realisierung seine Informationspolitik ausrichten.

Gegenrede von Prof. Dr. Manfred Weber

Austerpreisträger: Bundesverband deutscher Banken
Redner: Prof. Dr. Manfred Weber, Geschäftsführender Vorstand

Sehr geehrter Herr Professor Hickel,
meine Damen und Herren,

blickt man auf die Geschichte der „Verschlossenen Auster“ zurück und auf die Quote der Gegenreden, die hier „live“ abgegeben wurden, dann fragt sich manch einer vielleicht, warum ich hier bin. Die Antwort ist einfach: Die privaten Banken, der Bankenverband und ich persönlich nehmen diese Kritik ernst. Schon deshalb, weil die Finanzkrise ein Thema ist, das alle Ernsthaftigkeit verlangt.

Das Urteil der Medien über die Banken ist dabei nur ein Aspekt: Vor allem geht es um die Kunden und die Aktionäre der Banken, aber auch um die Stabilisierungsprogramme, die der Staat mit dem Geld – mit viel Geld – der Bürger und Steuerzahler zumindest absichert. Vor diesem Hintergrund sage ich gleich zu Beginn: Ja, auch ich kenne Fälle, zu viele Fälle, in denen private Banken unglücklich oder aus Ihrer Sicht unzureichend, jedenfalls nicht optimal kommuniziert haben; in denen Ihre – und auch meine – Erwartungen nicht erfüllt wurden. Dabei schließe ich den Verband mit ein. Und ich bin alles andere als froh, dass private Banken – zumindest vorübergehend – nicht ohne Hilfe des Staates auskommen.

Was ich aber zurückweise – und zwar dezidiert zurückweise –, ist der pauschale Vorwurf, wir hätten die Aufklärung der Finanzmarktkrise behindert oder gar die Presse fehlgeleitet, wir hätten Informationen blockiert oder seien nicht bereit zur selbstkritischen Analyse dieser Krise.

Viel ist heute von den Fehlern der Banken die Rede. Ja, die gab es – bei einigen Banken mehr, bei anderen weniger. Aber jeder Fehler war einer zu viel. Dazu haben wir uns immer wieder bekannt, es ist nachzulesen in Ihren Archiven. Man mag nun einwenden: Banken hätten sich noch mehr dem öffentlichen Dialog stellen, noch mehr Medienpräsenz zeigen müssen. Doch es gab und gibt immer wieder Situationen, in denen gilt: Feuerlöschen geht vor Öffentlichkeitsarbeit.

Was meine ich damit? Die Medien haben ausführlich über die bekannten Krisenfälle berichtet, etwa die IKB, die Landesbanken oder die HRE. Ich selbst habe manche dieser Krisensitzungen miterlebt, häufig am Wochenende und bis spät in der Nacht. Unter extrem hohem Zeitdruck müssen in solchen Situationen Lösungen gefunden werden, und zwar – um es auf den Punkt zu bringen – bevor die Märkte in Tokio am Montagmorgen öffnen.

Vertraulichkeit ist dabei ein absolutes Muss, wenn man Lösungswege nicht verbauen will. Es kommt daher zwangsläufig zu einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Information und dem Erfolg in der Sache. Deshalb gilt, so sehr ich natürlich – als Banker, als Ökonom, als Bürger – für Transparenz bin: Manchmal muss etwas gelöst sein, bevor man den Weg ans Mikrofon sucht. Alles andere schadet der Sache und auf Dauer auch der Glaubwürdigkeit.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die angebliche „Salamitaktik“. Wenn es aber heißt, Banken würden nur „scheibchenweise“ informieren, dann muss man wissen, dass Banken an die inter-nationalen Bilanzvorschriften gebunden sind. Diese fordern eine Bewertung der Papiere an einem bestimmten Stichtag zu Marktpreisen. Marktpreise wiederum sind volatil, und in dieser Krise sind sie äußerst volatil – bis zu dem Punkt, dass Preise gar nicht zu bestimmen waren oder sind, weil Märkte nicht mehr funktionieren und künftige – erwartete Entwicklungen nicht vorweg-genommen werden können.

Um es anschaulich zu machen: Wenn die Straße überflutet ist und Sie, während ihr Keller weiter vollläuft, die Versicherung anrufen und sagen, „es sind 30 Zentimeter“, am nächsten Tag aber mitteilen müssen, „es ist doch ein halber Meter geworden“, weil es nämlich weiter geregnet hat, dann ist das keine Salamitaktik.

So viel zum Thema Kommunikation. Es wird aber auch inhaltliche Kritik ins Feld geführt:

Der erste Vorwurf lautet: „Banken stehen für einen „staatsfreien“ Markt, für einen unkontrollierten Turbokapitalismus.“ Richtig ist aber: Private Banken waren stets für wirksame Regulierung. Lassen Sie mich dies belegen:

Zum einen: Der Bankenverband hat eine europäische Finanzaufsicht für grenzüberschreitend tätige Banken bereits im Jahre 2000 gefordert, vor neun Jahren. Gebremst, ja, dieses Thema vertagt, haben andere. Es gab lange Zeit keinerlei Unterstützung für diesen Vorschlag. Heute – im Zuge der Krise – stößt unsere Position auf viel Zustimmung. Der Bankenverband steht jedoch weiter sozusagen „an der Spitze der Bewegung“, und so gehen uns zum Beispiel die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission in Teilaspekten noch nicht weit genug. Kurzum: Wir arbeiten weiter daran, dem Ziel einer europäischen Finanzaufsicht näherzukommen.

Zum anderen: Immer wieder haben wir private Banken uns für eine schlagkräftige, gut ausgestattete und qualifizierte – und dementsprechend bezahlte – nationale Bankenaufsicht ausge-sprochen. Die Marktteilnehmer finanzieren den Etat der Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht (BaFin) – und zwar „ohne Murren“. 700 zusätzliche Stellen sind seit der Gründung der BaFin im Jahre 2002 geschaffen worden. Nötig sind aber vor allem marktgerechte Gehälter. Diese fordern wir seit langem, um die BaFin auch mit hinreichend qualifiziertem Personal auszustatten. Die Antwort der Politik ist zu oft wenig ermutigend: Es sei schwierig, heißt es immer wieder, das Bundesbesoldungsrecht zu ändern. Andere Länder sind da weiter.

Und schließlich: Auch international sind wir für eine umfassende, zeitgemäße, intelligente Regulierung. Die privaten Banken tragen die G20-Leitlinie – kein Markt, kein Produkt, kein Marktteilnehmer ohne angemessene Aufsicht – voll und ganz mit.

Ein zweiter Vorwurf lautet: „Die Banken haben nichts gelernt aus der Krise und gehen über zum ‚Business as usual’“. Aber Tatsache ist: Die Banken ziehen Konsequenzen aus der Krise und ihren eigenen Fehlern. Nur ein Beispiel: Der Bankenverband hat in den vergangenen Tagen Leitlinien für die Anlegerberatung vorgestellt. Damit setzt der Bankenverband Standards für die Geldanlage im Privatkundengeschäft. Warum? Weil wir wissen, dass Vertrauen verspielt wurde.

Unter dem Stichwort „nichts gelernt“ werden immer wieder auch die Renditeziele der Banken genannt. Die Debatte lässt dabei regelmäßig völlig offen, ob eine Vorsteuer- oder Nachsteuer- Rendite gemeint ist. Aber vor allem: Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang Werner Wenning, den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, zitieren: „Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland lag von 1994 – 2007 bei 32 %, 2007 sogar 37 %.“ Soviel zum Thema „Gier der Banken“.

Damit komme ich zu einem Kernpunkt der Diskussion: Banken gelten vielen als Alleinverantwortliche der Finanzmarktkrise. Noch einmal: Wir Banken tragen einen wesentlichen Teil der Verantwortung, ohne Zweifel. Aber es wäre zu einfach, die ganze Schuld auf einen Sündenbock zu laden. Die Ursachen der Krise liegen eben doch nicht zuletzt in den USA. Die Stichworte lauten: George Bush und seine „Ownership Society“, die laxe US-Geldpolitik nach Platzen der Dotcom- Blase, eine zersplitterte Aufsicht, unzureichende Kreditvergabestandards in den USA, Rating- Agenturen, auf deren Urteil sich Banken zu sehr verlassen haben. Aber nur eine Analyse der Krise ohne Vorbehalte schützt vor einer Wiederholung des Desasters! Wir brauchen daher ein vollständiges Bild der Ursachen. Kurzum: Zu eigenen Fehlern zu stehen heißt nicht, über die Fehler anderer schweigen zu müssen.

Wir wollen offene Kommunikation und haben nichts zu verbergen. Banken brauchen Sie, die Medien, und auch die kritische Begleitung der Wissenschaft. Dies setzt Transparenz voraus. Ich freue mich daher sehr, dass eine private Bank diese Konferenz unterstützt. Austern sind eben nützliche Tiere. Das Etikett „verschlossene Auster“ ist zu ertragen, wenn man es gewohnt ist, „Heuschrecke“, „Monster“, „Bankster“, „Gangster“, „Halbstarker“ oder „Pyromane“ genannt zu werden.

Aber im Ernst, ich kann Ihnen nur anbieten: Nehmen Sie mich beim Wort. Prüfen Sie unsere Transparenz. Sie sind im Bankenverband herzlich willkommen. Als Journalisten, als Wissenschaftler, als kritische Begleiter unserer Arbeit.

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