Verschlossene Auster 2004 für HypoVereinsbank
Die „Verschlossene Auster“, der Kritik-Preis des Netzwerk Recherche für Info-Blocker in Wirtschaft und Politik, geht in diesem Jahr an die HypoVereinsbank. Sie erhält den Preis stellvertretend für fast alle DAX-Unternehmen, die Hörfunk- und TV-Journalisten an einer umfassenden Berichterstattung über ihre Hauptversammlungen hindern und damit die Freiheit der Presse in einem wesentlichen Punkt einschränken.
Fast alle der 30 DAX-Unternehmen in Deutschland untersagen es Hörfunk- und TV-Journalisten, bei ihren Hauptversammlungen die Aussprache zwischen Vorstand und Aktionären in Bild und Ton mitzuschneiden. Während die Rede der Vorstandsvorsitzenden noch gefilmt und gezeigt werden darf, werden die anschließenden, oftmals kritischen Stimmen der Aktionäre den Hörern und Zuschauern vorenthalten. „Die Praxis der DAX-Konzerne grenzt an Zensur“, sagt Dr. Thomas Leif, Vorsitzender des Netzwerk Recherche. „Moderne Wirtschaftsunternehmen sind auf die kritische Begleitung der Medien angewiesen, wenn sie gegenüber ihren Kunden glaubwürdig bleiben wollen. Die Öffentlichkeit hat das Recht, umfassend über die Unternehmen informiert zu werden, die für zehntausende Arbeitsplätze Verantwortung tragen und mit ihren Entscheidungen die Wirtschaftspolitik des Landes entscheidend mitprägen.“
Die Unternehmen berufen sich bei ihrer Weigerung, die Aussprache zwischen Vorstand und Aktionären mitschneiden zu lassen, zum einen auf das Persönlichkeitsrecht der Aktionäre, zum anderen darauf, dass TV-Kameras den Charakter einer geschlossenen Gesellschaft von Hauptversammlungen ändern würden. Beide Argumente halten nicht nur Vertreter der Schutzvereinigungen der Aktionäre für fadenscheinig. Schließlich haben Hauptversammlungen mit zum Teil mehreren tausend Aktionären keinen privaten Charakter mehr und das Recht der Redner am eigenen Bild könnte auf Wunsch jederzeit respektiert werden. „Die Unternehmen wollen mit ihren Verboten verhindern, dass Kritik am Management öffentlich wird, da kritische Bilder und Aussagen in den Nachrichten ihre PR-Strategie durchkreuzen könnten “, sagt Dr. Thomas Leif. „Alle anderen Gründe sind nur vorgeschoben.“ Dies zeige sich etwa auch darin, dass beispielsweise die HypoVereinsbank Rednerlisten mit Namen und Wohnort der Aktionäre an die Journalisten verteilt, ohne auf die Persönlichkeitsrechte Rücksicht zu nehmen.
„Die Unternehmen setzen alles daran, die Journalisten mit ihren PR-Botschaften einzunebeln“, sagt Dr. Thomas Leif. Sie beliefern die Medien mit eigenproduziertem Material (sogenanntem footage Material) und vorgestanzten Aussagen. Für Journalisten werde es immer schwieriger, unkontrolliert in den Unternehmen zu recherchieren und selbständig Bilder und Töne zu produzieren, so Leif.
Die „Verschlossene Auster“ wurde in diesem Jahr zum dritten Mal verliehen. Bisherige Preisträger waren Bundesinnenminister Otto Schily und der Lebensmittelkonzern ALDI. Die Auster steht als mahnendes Symbol für mangelnde Offenheit und Kooperationsverweigerung von Personen oder Organisationen gegenüber den Medien. Die Preisträger erhalten zur Erinnerung eine Skulptur des Marburger Künstlers Ulrich Behner.
Die diesjährige Laudatio hielt Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Der Fernsehjournalist hatte sich in den vergangenen Jahren intensiv für die freie Berichterstattung der Medien während der Hauptversammlungen eingesetzt.