Der perfekte Auftritt
Grow-Workshop in Berlin: Journalismus und Stiftungen
Wie bringe ich eine Stiftung dazu, Geld in mein journalistisches Projekt zu investieren? Das ist für viele Medienprojekte eine zentrale Frage, gerade im Bereich des gemeinnützigen Journalismus. Sie kann über Erfolg oder Scheitern einer guten Idee entscheiden. Deshalb hat Netzwerk Recherche für die Grow-Stipendiatinnen und Stipendiaten einen Workshop auf die Beine gestellt, in dem es um die Frage ging, wie man gegenüber Stiftungen auftritt – beim ersten Kontakt, der Antragstellung, dem Reporting, der Kontaktpflege. Der Workshop fand mit Unterstützung der Schöpflin Stiftung im neuen Gebäude der taz in Berlin statt.
Über ihre Erfahrungen im stiftungsfinanzierten Journalismus berichteten Lukas Harlan, Programmleiter bei der Schöpflin Stiftung, und Christine Liehr, Development Managerin bei Thomson Media, der deutschen Partnerorganisation der britischen Thomson Foundation Group. Dabei zeigte sich: Jede Stiftung handhabt den Prozess von Antragstellung bis zur Förderzusage individuell, einige allgemeingültige Ratschläge für den „perfekten Auftritt“ – so der Titel des Workshops – gibt es aber dennoch.
Der Erstkontakt muss sitzen
Zunächst einmal müsse man seine “Hausaufgaben machen”, riet Christine Liehr. Dazu gehört es, sich umfassend über die Stiftung zu informieren, die ein denkbarer Ansprechpartner ist. Welche Förderschwerpunkte hat sie, welche Bedingungen gibt es, wie und wann werden Entscheidungen getroffen? Dann müsse man die wichtigsten Fragen zu dem eigenen Vorhaben klären, empfahl Lukas Harlan.
Ganz oben auf der Liste: Das (1.) Ziel der eigenen Arbeit definieren und den dadurch entstehenden Nutzen für eine bestimmte Zielgruppe („Value Proposition“) beschreiben. Außerdem müsse man eben jene (2.) Zielgruppe benennen und die Relevanz des Projekts anhand einer (3.) Bedarfsanalyse begründen. Die dazugehörige Frage, welche Akteure in dem Bereich schon aktiv sind, sollte offen kommuniziert werden. Ehrlichkeit ist dort genauso wichtig wie in finanzieller Hinsicht. Zur Projektvorstellung gehört nämlich auch ein (4.) Finanzierungsplan, der die beantragte Fördersumme bestenfalls in verschiedene Blöcke unterteilt: die finanzielle Grundausstattung sowie Zusatzpakete, mit denen man die weitere Ausgestaltung des Projekts finanzieren würde (Minimal- und Maximalbudget). Hinzu kommt ein (5.) Zeitplan, bis wann die selbstgesteckten Meilensteine erreicht werden sollen. Darüber hinaus ist es für eine Stiftung wichtig, wenn sich „längerfristige Perspektiven erkennen lassen“, sagt Lukas Harlan. Auch wenn diesen Planungen teilweise nur Mutmaßungen zugrunde lägen. Zuletzt sollte auch das (6.) Team hinter dem Projekt vorgestellt werden. Wer Hilfe bei einer solchen Projektplanung und -vorstellung braucht, dem empfiehlt Christine Liehr das sogenannte „Lean Canvas“-Modell, mit dem man Konzepte für Geschäftsideen erstellen und hinsichtlich der oben genannten Punkte prüfen kann.
Noch vor dem ersten Kontakt sollte überprüft werden, ob das eigene Ziel mit den Förderzwecken der Stiftung übereinstimmt. „Der Geldgeber sollte zum Projekt passen, nicht andersherum“, betonte Christine Liehr, da sich der Geförderte sonst verbiegen (bzw. seine eigenen Ziele hintenanstellen) muss, um den Förderer zufriedenzustellen.
Das Mission Statement
Um sich zunächst einmal über die Zielsetzung des eigenen Projekts klar zu werden, kann es hilfreich sein, ein Mission Statement zu formulieren. Die oft nur wenige Sätze umfassende Projektbeschreibung, die die Stipendiaten im Rahmen einer Übung formulieren mussten, beinhaltet üblicherweise eine Problembeschreibung, die angepeilten Ziele und die eingesetzten Mittel, um diese Ziele zu erreichen. Als besonders prominentes Beispiel wurde das Mission Statement des US-amerikanischen Recherchezentrums ProPublica diskutiert:
“To expose abuses of power and betrayals of the public trust by government, business, and other institutions, using the moral force of investigative journalism to spur reform through the sustained spotlighting of wrongdoing.”
Ein Mission Statement schärft nicht nur die Fokussierung auf die Ziele des eigenen Projekts, sondern hilft potenziellen Geldgebern, das Projekt schnell zu erfassen und seine Ziele mit den Förderzwecken der Stiftung abzugleichen. Denn darum geht es Geldgebern in erster Linie, sagte Lukas Harlan: „Die Währung, auf die wir schauen, ist die Wirkung im Feld.“
Drei Grow-Projekte dabei
Beim Grow-Workshop vertraten Georg Layr und Daniel Walter das Online-Magazin dis:orient. Das Magazin ist aus dem Blog Alsharq entstanden und widmet sich Themen aus Nordafrika und Westasien. Es wird von einem gemeinnützigen Verein getragen und möchte sich weiter professionalisieren.
Mit dabei war außerdem die Journalistin Anja Krieger, die den Plastisphere Podcast produziert, rund um das Umweltthema Plastikmüll. Sie möchte im Rahmen der Grow-Förderung eine möglichst nachhaltige Finanzierungsstrategie für ihren Arbeitsschwerpunkt entwickeln.
Das Projekt Follow the Grant wurde von Hristio Boytchev vertreten. Er entwickelt im Team eine Datenbank, in der Interessenkonflikte in Wissenschaft und Forschung erfasst werden sollen, um wissenschaftsjournalistische Recherchen zu erleichtern. Das Projekt wird nicht nur von Netzwerk Recherche, sondern auch vom MIZ Babelsberg im Rahmen der Innovationsförderung für Medienprofis unterstützt.
Mit den Grow-Stipendien werden journalistische Projekte gefördert, die den gemeinnützigen Journalismus bereichern sollen. Drei Stipendien werden seit 2016 pro Jahr vergeben, anschließend arbeiten die Geförderten an der Realisierung ihrer Ideen, beraten und begleitet von Netzwerk Recherche. Der aktuelle Grow-Jahrgang wurde bei der Jahreskonferenz nr19 von einer Jury ausgewählt.