Vier Fragen an… Patrick Stotz

Patrick Stotz (Foto: Benjamin Richter)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Zuallererst: die Verfügbarkeit von Daten. Es gibt in Deutschland im internationalen Vergleich nicht allzu viele offene Datensätze – die USA und Großbritannien sind zum Beispiel hier viel weiter. Außerdem fehlen in Deutschland häufig Vorkenntnisse, und die Infrastruktur in den Redaktionen ist noch nicht da, beziehungsweise im Entstehen. Es gibt Journalisten, die das Thema für sich entdeckt haben. Sie sehen sich dann vielen Tools gegenüber, haben aber nur geringe Erfahrung in ihrem Umgang. Gesellschaftlich habe ich nicht das Gefühl, dass die Leute Datenjournalismus stark nachfragen – insbesondere nicht jenen, der über die Standardkarten und -grafiken hinausgeht. Insgesamt ist Deutschland in einer Nachholphase. Man muss gucken, was in den anderen Ländern passiert und davon lernen. 2. Wo könnten Datenjournalisten mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten?
In vielen Punkten, angefangen bei Fragen der Datenverfügbarkeit. Wissenschaftler sind es gewohnt, sich für ihre Forschungsarbeit bei Behörden Daten zu besorgen und mit Datenbanken zu arbeiten. Neben der Hilfe bei der Datenrecherche können Wissenschaftler auch bei der Datenanalyse helfen. Etwa klassisch als Experte, der Daten einordnet. Wissenschaftler können Zwischenschritte der Analyse kommentieren, eine Prüfungsinstanz sein, aber in den Daten auch Ausgangspunkte für eine journalistische Geschichte entdecken. Im Grunde ist ja die Vorgehensweise, Fragen zu stellen, Themen zu finden, auf beiden Seiten – Wissenschaft und Journalismus – ähnlich. Wissenschaftler sind allerdings Komplexität gewöhnt und haben oft Schwierigkeiten, Dinge zu vereinfachen und sie anderen knapp zu erklären. Journalisten haben hingegen nur begrenzt Zeit beziehungsweise Zeilen um ihre Geschichte zu erzählen. Diese Kommunikation, in aller Kürze richtig zu sein, ist eine Herausforderung.

3. Wie sollte man den Datenjournalismus in Deutschland fördern?
Das ist für mich schwer zu beurteilen, da ich die Binnenperspektive nicht habe. Ein Austausch wie bei der Netzwerk Recherche-Tagung ist sehr hilfreich, außerdem Ausbildung und Training, die Vermittlung von Fähigkeiten. Wichtig sind dabei praktische Projekte zum Reinfinden in den Datenjournalismus. Dabei muss es sich nicht um Riesen-Vorzeigeprojekte handeln, sondern um einen Anfang im Kleinen. Was aber institutionell geändert werden muss, kann ich aus meiner Perspektive nicht beurteilen.

4. Wo sind die Grenzen des Datenjournalismus vor dem Hintergrund jüngster Datenschutzdebatten?
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Datenjournalismus und Datenschutz. Bereits jetzt müssen sich Journalisten fragen: Wo ist die Grenze zur Verletzung der Persönlichkeitsrechte? Zudem beruhen die meisten datenjournalistischen Projekte noch auf Open Data, die bereits öffentlich zugänglich ist. Mit der Zeit werden Datenschutzfragen zunehmen, aber im Grunde gilt immer dieselbe Sorgfaltspflicht an denselben Stellen: bei der Anonymisierung und der Frage, wie sich eine Zurückverfolgbarkeit von persönlichen Informationen vermeiden lässt.