IFG Thü­ringen: Gesetz­ent­wurf der Lan­des­re­gie­rung ist eine Mogel­pa­ckung

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 21. November 2012 | Lese­zeit ca. 4 Min.

Die Jour­na­lis­ten­ver­ei­ni­gung Netz­werk Recherche e.V. kri­ti­siert den Ent­wurf zum neuen Infor­ma­ti­ons­fei­heits­ge­setz in Thü­ringen. „Die jet­zige Vor­lage ist eine Mogel­pa­ckung“, sagt Oliver Schröm, Vor­sit­zender von Netz­werk Recherche. „Wenn die Lan­des­re­gie­rung in Thü­ringen den Bür­gern und der Öffent­lich­keit keinen freien Zugang zu den Infor­ma­tionen in Ihren Behörden geben will, soll sie das offen sagen. Die Geset­zes­vor­lage dient allein der Geheim­hal­tung und trägt somit zu Unrecht den Namen Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz.“
Das neue Gesetz soll im Dezember im Erfurter Landtag beschlossen werden. Nach Ansicht von Netz­werk Recherche erfüllt der vor­lie­gende Ent­wurf aber in wesent­li­chen Punkten nicht die Anfor­de­rungen an ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz. So kon­ter­ka­rieren zu viele und zu weit­rei­chende Aus­nah­me­tat­be­stände den Sinn des Gesetzes, den Bür­gern und der Öffent­lich­keit freien Zugang zu Infor­ma­tionen der Behörden zu gewähren.
Anstatt tat­säch­lich not­wen­dige Aus­nahmen, nach denen eine Aus­kunft ver­wei­gert werden darf, eng aus­zu­legen und genau zu benennen, werden im Gesetz ganze Ver­wal­tungs­be­reiche für inter­es­sierte Bürger ver­schlossen. Bei­spiels­weise werden Sicher­heits­be­hörden, Hoch­schulen, der thü­rin­gi­sche Lan­des­rech­nungshof sowie öffent­liche Unter­nehmen weit­ge­hend von jeder Infor­ma­ti­ons­pflicht aus­ge­nommen.
In den Augen von Netz­werk Recherche muss hier Auf­klä­rung und Trans­pa­renz der Vorzug vor obrig­keit­keits­staat­li­chem Denken und Geheim­nis­krä­merei gegeben werden.
Weiter bemän­gelt Netz­werk Recherche völlig unzu­rei­chende Fris­ten­re­ge­lungen im Gesetz­ent­wurf. Die Zeit­räume zur Bear­bei­tung der Anträge sind schwammig for­mu­liert. So wird in dem Gesetz­ent­wurf aus einem „unver­züg­lich“ schnell eine Frist von drei Monaten, die ohne wei­teres „ange­messen“ – also auf unbe­stimmte Zeit – ver­län­gert werden kann. Und mehr noch: Wenn der Antrag auf Infor­ma­ti­ons­frei­gabe nach drei Monaten von einer Behörde nicht geneh­migt worden ist, soll der Antrag als abge­lehnt gelten. Auf Abschot­tung sin­nende Behörden werden auf diese Art und Weise unter­stützt, wenn sie Zugang zu Infor­ma­tionen ver­wei­gern wollen. Diese Rege­lung ist völlig kon­trär zum Stan­dard, der mitt­ler­weile in der Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz­ge­bung erreicht wurde. Auch das Umwelt­in­for­ma­ti­ons­ge­setz des Landes Thü­ringen sieht hier bes­sere Fristen vor, ohne dass dies in der Ver­gan­gen­heit zu Pro­blemen geführt hat.
Damit nicht genug: Die im Gesetz vor­ge­schla­gene Ein­füh­rung eines Kos­ten­de­ckungs­prin­zips für den Zugang zu Infor­ma­tionen benach­tei­ligt finan­ziell schwache Bürger bei der Wahr­neh­mung ihrer Rechte. Netz­werk Recherche for­dert auch hier – wie im Bund und in anderen Län­dern üblich – eigen­stän­dige Kos­ten­re­ge­lungen, die von vorn­herein nach oben gede­ckelt sind. „Es darf keine maß­losen Gebüh­ren­for­de­rungen geben. Die vor­ge­se­henen Rege­lungen sind für Antrag­steller abschre­ckend und lassen den eigent­li­chen Zweck des Gesetzes ins Leere laufen“, sagt Oliver Schröm.
Ganz beson­ders kri­tisch sieht Netz­werk Recherche den Ver­such der Lan­des­re­gie­rung, gewerb­liche Nut­zungen einer Akten­ein­sicht unter Strafe zu stellen und mit bis zu 5.000 Euro Geld­buße zu belegen. Die prak­ti­sche Kon­se­quenz aus dieser Rege­lung wäre, dass kein Jour­na­list die erhal­tenen Infor­ma­tionen in seiner publi­zis­ti­schen Tätig­keit ver­wenden darf, ohne sich einer emp­find­li­chen Strafe aus­zu­setzen. Denn eine Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht ist bei fest­an­ge­stellten Jour­na­listen mit­telbar und bei freien Jour­na­listen unmit­telbar immer vor­handen. Sie werden für Artikel oder Fern­seh­be­richte bezahlt, die sie im Dienst der Öffent­lich­keit auf Basis der erlangten Infor­ma­tionen erstellen. Die in Thü­ringen geplante Rege­lung steht nach Ansicht von Netz­werk Recherche im Wider­spruch zu Bundes-​ und Euro­pa­recht. „Hier wird ver­sucht, einen Berufs­stand und damit die all­ge­meine Öffent­lich­keit vom Zugang zu Infor­ma­tionen aus­zu­schließen“, so Oliver Schröm. „Der vor­lie­gende Gesetz­ent­wurf ist des­halb abzu­lehnen. Umfang­reiche Ver­bes­se­rungen sind unum­gäng­lich.“
Netz­werk Recherche appel­liert an die Par­teien im Thü­ringer Landtag, ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz zu beschließen, das diesen Name auch ver­dient.
Netz­werk Recherche e.V. ist der Verein zur För­de­rung der Recherche in Deutsch­land, dem 600 Jour­na­listen aus allen Berei­chen der Medien ange­hören. Zu seinen Kern­auf­gaben zählt, Recherche zu för­dern und zu for­dern. Dazu ver­an­staltet das Netz­werk Fach­ta­gungen und Kon­fe­renzen, gibt Publi­ka­tionen heraus und ver­gibt Recherche-​Sti­pen­dien.

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