Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz Baden-​Würt­tem­berg: Ent­wurf der Lan­des­re­gie­rung ent­täuscht

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 29. Juli 2015 | Lese­zeit ca. 5 Min.

Unmit­telbar vor der Som­mer­pause hat die Lan­des­re­gie­rung am 28. Juli den Ent­wurf für ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz vor­ge­stellt. Die im Kabi­nett abge­stimmte Vor­lage, mit der mehr Ver­wal­tungs­trans­pa­renz geschaffen werden soll, ist jedoch ent­täu­schend. „Dieser Vor­schlag fällt hinter die Stan­dards zurück, die in anderen Bun­des­län­dern längst erreicht sind. Aus­ge­rechnet eine Regie­rung, die mit dem Ver­spre­chen von mehr Bür­ger­be­tei­li­gung und Trans­pa­renz ange­treten ist, ver­sagt bei einem sol­chen Reform­pro­jekt“, so Man­fred Redelfs, IFG-​Experte der Jour­na­lis­ten­or­ga­ni­sa­tion Netz­werk Recherche.

Die Haupt­kri­tik­punkte an dem Ent­wurf sind die breiten Aus­nah­me­klau­seln, die langen Ant­wort­fristen von bis zu drei Monaten, die es bisher in keinem Bun­des­land gibt und die Mög­lich­keit zur kos­ten­de­ckenden Gebüh­ren­er­he­bung in den Kom­munen. „Andere Bun­des­länder haben auch für die Kom­munen eine Gebüh­ren­ober­grenze fest­ge­legt. Die Erfah­rung zeigt leider, dass sonst aus­kunfts­un­wil­lige Behörden unlieb­same Antrag­steller mit der Gebüh­ren­keule abschre­cken“, fasst Man­fred Redelfs eine Erkenntnis der Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz­ge­bung zusammen.

Auch die aktiven Ver­öf­fent­li­chungs­pflichten sollen in Baden-​Würt­tem­berg so gere­gelt werden, dass die Behörden mög­lichst wenig in die Pflicht genommen werden: Der Katalog der Lan­des­re­gie­rung ent­hält weit­ge­hend Selbst­ver­ständ­lich­keiten, wie die Ver­öf­fent­li­chung von Pres­se­mel­dungen, Sta­tis­tiken und Akten­plänen. Ham­burg dagegen stellt grund­sätz­lich alle Ver­träge der öffent­li­chen Hand ab einer Min­dest­schwelle von 100.000 Euro ins Internet, auch alle Gut­achten und Stu­dien, die von öffent­li­chen Stellen in Auf­trag gegeben werden. Rhein­land-​Pfalz bereitet der­zeit gleich­falls ein Trans­pa­renz­ge­setz vor, das bei den aktiven Ver­öf­fent­li­chungs­pflichten wei­ter­geht.

Dass der Lan­des­re­gie­rung in Baden-​Würt­tem­berg kein großer Wurf gelungen ist, zeigt vor allem der Ver­gleich mit Rhein­land-​Pfalz: Dort ist ein deut­lich bür­ger­freund­li­cheres und weit­rei­chen­deres Lan­des­ge­setz auf den Weg gebracht worden. Außerdem hat Rhein­land-​Pfalz einen breiten öffent­li­chen Betei­li­gungs­pro­zess durch­ge­führt, mit Bür­ger­an­hö­rungen, öffent­li­chen Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tungen und Internet-​Feed­back-​Platt­formen. In Baden-​Würt­tem­berg ist auf­grund des Zeit­plans noch nicht mal sicher, ob es zu einer Exper­ten­an­hö­rung im Landtag kommen wird oder ob dies dem Zeit­druck zum Ende der Legis­la­tur­pe­riode zum Opfer fällt. Grund­le­gende Ver­bes­se­rungen, die eigent­lich nötig sind, können zudem leicht mit dem Argu­ment abge­wehrt werden, wer jetzt noch viel ändern wolle, würde die Ver­ab­schie­dung ins­ge­samt gefährden. „Der gesamt Ablauf spricht leider nicht dafür, dass die Lan­des­re­gie­rung bei diesem Trans­pa­renz­ge­setz auf eine Ein­bin­dung der Zivil­ge­sell­schaft setzt. Es hat eher den Anschein, dass eine unge­liebte Ver­pflich­tung aus dem Koali­ti­ons­ver­trag mehr schlecht als recht abge­ar­beitet werden soll“, bemän­gelt Man­fred Redelfs.

 

Die Kri­tik­punkte im Über­blick:

Bezugs­punkt der Rege­lung:
Der Gesetz­ent­wurf ori­en­tiert sich nicht am fort­schritt­li­chen und weit­rei­chenden Umwelt­in­for­ma­ti­ons­ge­setz, das Baden-​Würt­tem­berg bereits seit 1994 auf­grund einer EU-​Richt­linie offenbar pro­blemlos und ohne Beschwerden der Ver­wal­tung anwendet, son­dern am eher schwa­chen Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz des Bundes. Hinzu kommt, dass zen­trale Emp­feh­lungen aus der Eva­lu­ie­rung des Bun­des­ge­setzes (etwa die Ein­füh­rung einer Abwä­gungs­klausel mit dem öffent­li­chen Inter­esse bei den Betriebs-​ und Geschäfts­ge­heim­nissen) von der Lan­des­re­gie­rung ein­fach igno­riert werden. Die Chance zur Ver­ein­heit­li­chung der Infor­ma­ti­ons­zu­gangs­ge­setze, indem man Umwelt­in­for­ma­ti­ons­ge­setz und Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz zusam­men­führt in einer Rege­lung, was auch bür­ger­freund­li­cher wäre, wird vertan.

Anspruchs­ver­pflich­tete, wer fällt unter das Gesetz?
Es ist nicht ein­sichtig, warum z.B. die Hoch­schulen und Kam­mern kom­plett außen vor bleiben sollen. Bei den Hoch­schulen wäre es, wie in einigen anderen Bun­des­län­dern prak­ti­ziert, leicht mög­lich, nur den Schutz von For­schung und Lehre zu wahren, aber alle reinen Ver­wal­tungs­in­for­ma­tionen (z.B. Anzahl der Stellen, Stu­di­en­plätze etc.) unter das IFG zu fassen.

Aus­nah­me­klau­seln:
Hier bergen die For­mu­lie­rungen einige Tücken: Auf Bun­des­ebene muss die öffent­liche Sicher­heit „gefährdet“ werden, damit Infor­ma­tionen unter Ver­schluss bleiben. In Baden-​Würt­tem­berg reicht es, dass „nach­tei­lige Aus­wir­kungen“ ent­stehen können – das ist eine viel nied­ri­gere Schwelle für eine Antrags­ab­leh­nung und sicher­lich von Fach­ju­risten in voller Absicht so restriktiv for­mu­liert worden, für Laien aber nicht sofort als zen­trale Ein­schrän­kung erkennbar.

Betriebs-​ und Geschäfts­ge­heim­nisse:
Betriebs-​ und Geschäfts­ge­heim­nisse sollen absolut geschützt werden, ohne Abwä­gung mit dem öffent­li­chen Inter­esse an der Infor­ma­tion, wie inter­na­tional und in zahl­rei­chen Län­der­ge­setzen üblich. Hier beruft man sich auf die eben­falls kri­tik­wür­dige restrik­tive For­mu­lie­rung im Bundes-​IFG – und ver­schweigt, dass der Eva­lu­ie­rungs­be­richt emp­fiehlt, eine solche Abwä­gungs­klausel ein­zu­führen. Zudem wird argu­men­tiert, es dürfe ja keine Ver­schlech­te­rung für die Wirt­schaft in Baden-​Würt­tem­berg geben. Dabei haben nicht nur Berlin, Ham­burg, Bremen solche Abwä­gungs­klau­seln, auch Schleswig-​Hol­stein und das größte Bun­des­land, Nord­rhein-​West­falen. Nach­teile für die Wirt­schaft sind dort nicht bekannt geworden.

Fristen:
Die vor­ge­se­hene feste Monats­frist ist gut, aber es fehlt die For­mu­lie­rung „unver­züg­lich“, die andere Lan­des­ge­setze haben. Eine Erwei­te­rung bei der Ver­län­ge­rung auf drei Monate ist abzu­lehnen und sonst nir­gendwo in einem Bun­des­land zu finden (Stan­dard: bei Ver­län­ge­rung zwei Monate).

Kosten:
Die volle Kos­ten­de­ckung in den Kom­munen steht im Wider­spruch zu den Bestim­mungen in fast allen anderen Bun­des­län­dern. Die For­mu­lie­rung, es könne in beson­deren Ein­zel­fällen ganz auf die Erhe­bung ver­zichtet werden, klingt wie ein nettes Zuge­ständnis. Sie ergibt sich aber bereits aus dem all­ge­meinen Ver­wal­tungs­kos­ten­recht und stellt des­halb nicht den Fort­schritt dar, als der sie zunächst erscheint. Es ist zu befürchten, dass unwil­lige Ämter die Kos­ten­keule nutzen werden, um unlieb­same Anfragen abzu­wehren.

Aktive Infor­ma­tion, Ver­öf­fent­li­chungs­pflichten:
Die in den Eck­punkten skiz­zierten Ver­öf­fent­li­chungen kommen sehr unver­bind­lich daher und beziehen sich im Wesent­li­chen auf Selbst­ver­ständ­lich­keiten, wie Hin­weisen zu den Rechten nach dem Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz, sta­tis­ti­schen Daten oder Pres­se­er­klä­rungen. Der hier weit­ge­hend ver­folgte Ansatz der Frei­wil­lig­keit ist unge­nü­gend und fällt weit hinter den Stan­dard zurück, der in Ham­burg seit Oktober vorigen Jahres erreicht wurde und dem Rhein­land-​Pfalz nun folgen will.

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