Treffen von mehr als 600 Journalisten gilt als Seismograph der Medien-Szene

Unter dem Motto „Mehr Qualität durch Recherche – Von der Kür zur Pflicht“ veranstaltet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (nr) am 19. und 20. Mai 2006 ihre große Medienkonferenz, die ehrenamtlich von Journalisten für Journalisten organisiert wird und bewusst die kontroversen Medienthemen aufgreift.

Den Auftakt macht am Freitagabend der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Dr. Matthias Döpfner. Nach einem Vortrag wird er im Gespräch mit dem Publizisten Michael Jürgs über „Medien-Konzentration und Meinungsmacht“ diskutieren. „Keine Kohle, keine Zeit, keine Lust – Recherche ohne Chance?“ – dieses Thema beschäftigt im Anschluss eine Runde, an der unter anderem der Medienwissenschaftler Prof. Michael Haller und der Hörfunk-Chefredakteur des NDR, Joachim Knuth, teilnehmen werden.

Am Samstag, den 20.05.2006, werden dann in mehr als 40 Foren, Workshops und Erzählcafes die aktuellen Konflikte und Herausforderungen der Medien in kontroversen Debatten aufgegriffen. Eröffnet wird die Jahreskonferenz vom NDRProgrammdirektor, Volker Herres, der zum Thema „Das public value-Konzept und die Herausforderungen für den Journalismus“ sprechen wird. Anschließend hält Ringier- Publizist Frank A. Meyer die Eröffnungsrede über „Die Mediokren – Wünsche an einen ehrbaren Berufsstand“. Am Vormittag beschäftigen sich zudem kontrovers besetzte Foren mit dem in der Öffentlichkeit viel beachteten Medienkodex des Netzwerk Recherche sowie dem Thema „Inszenierte Bilder – Realitätsverlust im TV-Journalismus“.

Ein Höhepunkt des Kongresses ist die einmal im Jahr stattfindende Vergabe der „Verschlossenen Auster“. Mit dieser Skulptur werden Personen und Institutionen „ausgezeichnet“, die sich als „Informations-Blocker“ einen Namen gemacht haben. Der diesjährige Preisträger wird auf der Jahreskonferenz um 12.30 Uhr bekannt gegeben.

Am Nachmittag des 20. Mai 2006 werden in 15 verschiedenen Diskussionsforen Referentinnen und Referenten aus allen Medien und Ressorts zusammen mit erfahrenen Journalisten, Nachwuchsjournalisten und Volontären über die Zukunft des Journalismus streiten und debattieren. Die Themen sind unter anderem „Meinungsmacht im Mediendschungel – Konzentrationsrausch der Konzerne“, „Dergroße Schwindel – Defizite im Wissenschaftsjournalismus“, „Fünfte Gewalt – die Lobby, die Medien und die Macht“, „Blind gekauft? – Agenturhörigkeit auf dem Prüfstand“ und „Digitale Machtübernahme – Weltherrscher Google?“ Auch zur Ausbildungsmisere, dem Einfluss der Geheimdienste auf die Berichterstattung, den Video-Journalismus und die sonderbare Rolle von Experten in den Medien wird diskutiert. Den Abschluss der Veranstaltung bildet ein Panel zum Thema „Journalisten ohne Sprachrohr – wer vertritt welche Medieninteressen?“, an der Thomas Leif (nr), Michael Konken (DJV) und Frank Wernicke (dju) teilnehmen und über ihre unterschiedlichen Vorstellungen zur journalistischen Interessenvertretung diskutieren werden.

In einem Dutzend „Erzählcafes“ berichten auf der Konferenz zudem Autoren intensiv und ausführlich über erfolgreiche Recherchen. Recherche-Rekonstruktionen unter anderem zum Kölner „Milliarden-Monopoly“, der „VW-Affäre“ und zur Rolle des BND im Irakkrieg stehen auf dem Programm. In einer Vielzahl von Workshops wird während der Konferenz auch CAR gelehrt. Hinter dem Kürzel verbirgt sich das in den USA intensiv praktizierte „Computer assisted reporting“, also die computergestützte Auswertung großer Datenmengen zu Recherchezwecken.

Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Netzwerk Recherche, Dr. Thomas Leif, hat sich die nr-Jahreskonferenz in fünf Jahren zu einem der wichtigsten Journalisten- Treffpunkte in Deutschland entwickelt: „Die Hamburger Konferenz ist die größte und vitalste Informations- und Kontaktbörse für kritischen Journalismus in Deutschland. An keinem anderen Ort wird selbstkritischer über die Medienbranche und den journalistischen Alltag reflektiert und debattiert. Nirgendwo spielt die Verbesserung des journalistischen Handwerks und die Suche nach effektiven Recherche-Strategien eine größere Rolle“, sagte Leif.