Wie die Grow-Stipendien von Netzwerk Recherche und Schöpflin Stiftung seit gut fünf Jahren für Medienvielfalt und eine Stärkung des gemeinnützigen Recherche-Journalismus sorgen

Der Journalismus steht seit Jahren unter Druck: Da werden Redaktionen verkleinert oder umstrukturiert, Geschäftsmodelle bröckeln, gerade freie Journalist:innen kämpfen mit prekären Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig gibt es aber auch Nachrichten, die Mut machen: Unabhängige Medienprojekte experimentieren mit innovativen Recherchemethoden, im Lokaljournalismus entstehen digitale Start-ups und neue Netzwerke, grenzüberschreitende Kooperationen und internationale Recherchen bekommen größeres Gewicht.

Viele dieser Initiativen stellen nicht die Maximierung des Gewinns in den Vordergrund, sondern orientieren sich am Gemeinwohl, einige erreichen trotz rechtlicher Hürden den Status der Gemeinnützigkeit. Damit entsteht nach und nach ein dritter Sektor im Mediensystem, neben den privatwirtschaftlichen Medien und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Genau diese vielfältige Szene hatte Netzwerk Recherche im Auge, als der Verein im Jahr 2016 mit Unterstützung der Schöpflin Stiftung das erste Stipendienprogramm für gemeinnützigen Journalismus in Deutschland ins Leben rief.

Jetzt ist es an der Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Fünf Förderrunden wurden abgeschlossen, der sechste Jahrgang arbeitet seit Herbst 2021 an der Realisierung der Projekte. Was konnte bislang mit dem Stipendienprogramm und der Arbeit der Journalist:innen erreicht werden? Wo liegen die Herausforderungen? Was brauchen die Projekte, um Innovationen voranzutreiben und den (Recherche-)Journalismus nachhaltig zu bereichern? Im Evaluationsreport “Pioniere im gemeinnützigen Journalismus” gehen wir diesen Fragen nach und fassen unsere Erfahrungen zusammen.

  • Seit 2016 wurden (und werden) insgesamt 18 Medienprojekte mit den Grow-Stipendien gefördert – mit Vernetzungsmöglichkeiten, Fortbildungen, individueller Beratung und einer Anschubfinanzierung. Ein Drittel der vergebenen Stipendien führte zur Gründung neuer Angebote, zwei Drittel der Projekte wollten sich weiterentwickeln und wachsen.

 

  • Zehn Grow-Projekte sind als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt – manche erreichten diesen Meilenstein während der Förderung. Für die Auswahl durch die Grow-Jury war die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit des Medienprojekts keine Bedingung – dies wäre angesichts der Rechtsunsicherheit in dieser Frage auch eine zu hohe Hürde gewesen. Leitbild war vielmehr ein recherchestarker, der gesellschaftlichen Aufklärung und dem Gemeinwohl dienender Journalismus.

 

  • Die mit Grow geförderten Medienprojekte zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus – die Journalist:innen haben investigativ recherchiert, Reportagen und Analysen veröffentlicht, marginalisierten Stimmen Gehör verschafft, Recherchewerkzeuge entwickelt, Fortbildungsangebote geschaffen oder ganz neue Medienunternehmen an den Start gebracht. In der Gesamtschau machen die Grow-Stipendiat:innen den Journalismus reicher und innovativer.

 

  • Das Grow-Stipendium wurde in einer Befragung der Geförderten sehr positiv bewertet, es sei u.a. ein Gewinn für die Reputation gewesen. Die Auszeichnung wurde von Stiftungen, anderen Förderern und Preis-Jurys oft als eine Art Qualitätssiegel wahrgenommen. Gleichwohl standen die Geförderten auch vor typischen Hürden für Gründer:innen im Journalismus. Neben der ganz zentralen Frage eines nachhaltigen Finanzierungsmodells waren dies vor allem das Projektmanagement, die Professionalisierung, die Bürokratie und die steuerrechtliche Unsicherheit. Drei Projekte haben ihre Tätigkeit inzwischen eingestellt.

 

  • Der gemeinnützige Journalismus in Deutschland ist Teil einer inspirierenden internationalen Bewegung, bei der die Start-ups viel voneinander lernen können. Für die Zukunft ist daher eine noch stärkere Vernetzung geplant, auf europäischer Ebene ebenso wie weltweit durch die Zusammenarbeit mit dem Global Investigative Journalism Network. Im deutschsprachigen Raum wird die Grow-Community mit den Alumni des Programms und anderen Journalist:innen weiter wachsen, neue Kooperationen werden angestrebt und das Engagement im Forum Gemeinnütziger Journalismus wird fortgesetzt.