Paul Myers: “I’m a rese­ar­cher for the BBC”

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 4. Juli 2014 | Lese­zeit ca. 3 Min.

Paul Myers (Foto: Raphael Hüner­fauth)

Paul Myers Arbeit beginnt mit dem immer glei­chen Satz: „Finde jemanden für uns.“ Wenn die Recherche für die meisten Jour­na­listen beendet ist, zu schwierig, zu wenig Hin­weise, dann fängt sie für Myers erst an. 

Myers ist Inter­net­ex­perte, Recher­cheur und Trainer bei der BBC. Früher wäre er ein klas­si­scher Mann der zweiten Reihe gewesen. Jemand, der im Archiv wühlt, wäh­rend die Jour­na­listen die großen Geschichten schreiben und den Ruhm ernten. Aber heute hält jemand wie Myers Vor­träge in Deutsch­land, Groß­bri­tan­nien, Nor­wegen und den Nie­der­landen, mit hun­derten Zuhö­rern.

Auch an diesem Frei­tag­nach­mittag steht Myers auf einer Bühne, die Sitze vor ihm sind bis auf den letzten besetzt. Myers trägt ein St.-​Pauli-​Trikot, am Bauch spannt es ein wenig. Ein Zuschauer hat Bedenken: Müsse Myers denn nicht erwähnen, dass jedes Mal, wenn jemand mit Hilfe von google recher­chiert, die NSA mit­höre? Stimmt, sagt Myers. Einmal habe er eine Geschichte über bri­ti­sche Ver­tei­di­gungs­po­litik recher­chiert. Er war der IP-​Adresse des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­riums auf der Spur, als sein Handy anfing zu klin­geln. Eine halbe Minute klin­gelte es, bis er auf Google ging und in die Tas­tatur tippte: „I’m a rese­ar­cher at the BBC.“ Myers grinst: „Dann ging das Telefon aus.“ Ungläu­bige Pause. Das Publikum lacht.

Es sind solche Geschichten, die Myers Popu­la­rität aus­ma­chen. Seit der digi­talen Revo­lu­tion suchen Ver­lage nach Inter­net­spe­zia­listen – und seit der NSA-​Affäre sehnen sich Jour­na­listen nach Leuten, die Gelas­sen­heit und Sach­ver­stand in die Debatte ein­bringen.

Myers strahlt beides aus, viel­leicht weil sein Weg alles andere als gerad­linig war. Früher bedruckte er Band-​T-​Shirts und orga­ni­sierte Aus­stel­lungen für die bri­ti­sche Band The Smiths. Mitte der 90er Jahre fing er bei der BBC an – als „news infor­ma­tion rese­ar­cher“: Das bedeu­tete damals, Zei­tungs­ar­tikel aus­zu­schneiden und zu archi­vieren. Mitt­ler­weile ist Myers ein gefragter Mann, in- und außer­halb der BBC. Neben seinen Vor­trags­reisen ist Myers in der haus­ei­genen Aca­demy für die Recher­che­aus­bil­dung des Nach­wuchses zuständig.

Dabei ist Myers Leg­asthe­niker. Er tut sich schwer, Texte zu lesen und zu viele Infor­ma­tionen zu ver­ar­beiten. Für die Arbeit als Recher­cheur sieht er das als Vor­teil. Er selbst kenne viele Kol­legen mit Lese­schwäche: Sie könnten meh­rere Spuren gleich­zeitig ver­folgen – im Gegen­satz zu den Kol­legen, die sich zu sehr auf Details ver­steiften. Für Myers ist Recherche wie eine Schnit­zel­jagd. Eine Spur führt zur nächsten, von Google über Face­book zu Twitter, zum inof­fi­zi­ellen Archiv des Inter­nets, der Way­back-​Machine, und zurück. Wer nur eine Spur ver­folgt, kommt nicht ans Ziel.

Wer wissen will, mit wel­chen Tricks und Web-​Hilfs­mit­teln Paul Myers seine Suche-​Mosaike ver­voll­stän­digt, kann sich die Rese­arch-​Links auf seiner Home­page anschauen.

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