Von Nathalie Bockelt, JONA

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Alfred Weinzierl (Spiegel)

Die Themen werden komplexer, die Datenmengen größer und der Kampf um die Exklusivität härter. Um dem Qualitätsanspruch gerecht zu werden, entstehen auch in Deutschland immer mehr Rechercheverbunde und -ressorts. Was sind die Vor- und Nachteile?

Oliver Schröm (stern); Foto: Rohwedder

Oliver Schröm (stern)

Die wenigsten Geschichten seien wirklich investigativ, sagt Oliver Schröm, Leiter des Investigativ-Ressorts beim Stern. Im Gegenteil, vieles sei „Etikettenschwindel“. Hans Leyendecker, der das Investigativ-Ressort der Süddeutschen Zeitung leitet, teilt diese Meinung und erinnert an die gängige amerikanische Definition von investigativem Journalismus: „Es muss um einen Vorgang gehen, der gesellschaftlich von Bedeutung ist.“ Auch Alfred Weinzierl, stellvertretender Chefredakteur des Spiegels, sieht den Begriff skeptisch. Für den Spiegel sei Recherche ein Grundbestandteil der Arbeit: „Ob das dann Investigation genannt wird, ist mir herzlich egal.“

Unbestritten ist, dass sich die Arbeit investigativer Journalisten stark gewandelt hat. Während früher mit einzelnen Akten gearbeitet wurde, muss heute für viele Geschichten eine Flut von Informationen ausgewertet werden. Mehrere Terabyte Daten seien da keine Seltenheit, sagt Leyendecker. „Diese Arbeit zu leisten ist fast unmöglich als Einzelkämpfer“, ergänzt Schröm. Die projektübergreifende Kooperation habe es daher immer gegeben.

Egmont Koch (Autor und Produzent); Foto: Rohwedder

Egmont R. Koch (Autor und Produzent)

Im Mittelpunkt der Diskussion stand jedoch der Rechercheverbund von NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung. Während solche Recherchenetzwerke oft aus persönlichen Konstellationen heraus entstünden, sei diese Kooperation „interessant und einmalig“, bemerkt Weinzierl. Allerdings äußerte er auch heftige Kritik. Mittelspannende Themen würden auf den verschiedenen Kanälen „hochgejazzt“ und mit einer Bedeutung versehen, die manche Geschichten nicht verdient hätten. Diese Marktmacht sei für andere Medien schwer zu brechen, ergänzt Schröm.

Neben Rechercheverbunden bilden sich auch innerhalb der Redaktionen zunehmend Kooperationen. Während die Süddeutsche Zeitung bereits vor einigen Jahren ihr Investigativ-Ressort gründete, verstärkt nun auch der Spiegel die hausinterne Kooperation in einem sogenannten Recherchekreis. Weinzierl legt dabei besonderen Wert auf die ressortübergreifende Zusammenarbeit: „Jetzt fällt kein Thema mehr in die Sofaritze.“

Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung); Foto: Rohwedder

Hans Leyendecker (SZ), Fotos: Rohwedder

Hans Leyendecker ist überzeugt von den Vorteilen der Recherchekooperationen: „Es gibt Buchstabenmenschen und es gibt Zahlenmenschen.“ Da wenige Journalisten beides sehr gut können, würde die Kooperation immer wichtiger.

Die wachsende Macht der Rechercheverbunde gefährde allerdings die Arbeit freier investigativer Journalisten, kritisiert der frisch gekürte Leuchtturm-Preisträger Ulrich Chaussy aus dem Publikum heraus. Weder sei die gemeinsame Zusammenarbeit vertraglich genau geregelt, noch würde die Projektarbeit der Freien in manchen Fällen angemessen honoriert. Dies führe zu einer „prekären Situation“, gibt auch Oliver Schröm zu.