Verschlossene Auster 2006 für Bahnchef Mehdorn

Die Verschlossene Auster, der Kritik-Preis des Netzwerks Recherche für den „Informationsblockierer des Jahres“ geht 2006 an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn. Er erhält den Preis wegen der anhaltenden Praxis, Drehgenehmigungen restriktiv zu erteilen und bei heiklen Themen keine Stellung vor Kameras zu beziehen. Zudem kritisiert Netzwerk Recherche den Anzeigenentzug der Deutschen Bahn als Reaktion auf einen kritischen Bericht des Wirtschaftsmagazin Capital im Februar 2006 sowie das bisherige Nein zu einer Ausstellung über die historische Rolle der Bahn im Zusammenhang mit dem Konzentrationslager Auschwitz.
„Im Punkt offene Informationspolitik befindet sich die Deutsche Bahn noch auf dem Abstellgleis“, sagte Thomas Leif, der Vorsitzende des Netzwerk Recherche. „Die Verschlossene Auster auf dem Schreibtisch des Bahnchefs soll ihn künftig täglich daran erinnern, dass auch die Medien einen Anspruch auf pünktlichen, umfassenden und unbegrenzten Informationsfluß auch bei Bahn-kritischen Themen haben.“ Weiter sagte Leif: „Allein die Masse von Bahn-Presseerklärungen sagt noch nichts über die Qualität der Informationspolitik.“
Die Ausstellung über die Bahn und ihr Bezug zu Auschwitz wollte die DB ins Museum verbannen anstatt ihr in Bahnhöfen große Öffentlichkeit zu ermöglichen. Immerhin haben sich Zentralrat der Juden und Bahn eigenen Angaben zufolge kürzlich grundsätzlich geeinigt, die Schau nun doch zu zeigen. Nach zweijährigen Verhandlungen. Allerdings ist nach wie vor unklar, ob sie in Bahnhöfen gezeigt wird. Einen Anzeigenstopp verhängte die Bahn bereits zum wiederholten Male nach kritischer Berichterstattung: 2003 traf es das Manager Magazin; drei Jahre später nun Capital.
Die „Verschlossene Auster“ wurde in diesem Jahr zum fünften Mal verliehen. Sie steht als mahnendes Symbol für mangelnde Offenheit und Kooperationsverweigerung von Personen oder Organisationen gegenüber den Medien. Die Preisträger erhalten zur Erinnerung und Mahnung zur Besserung eine Skulptur des Marburger Künstlers Ulrich Behner.
Die diesjährige Laudatio auf den Preisträger hielt Sonia Mikich, Redaktionsleiterin der Sendung Monitor des Westdeutschen Rundfunks. „Hartmut Mehdorn und die Bahn erhalten den Preis stellvertretend für alle, die Presse, Hörfunk und Fernsehen durch den Entzug von Anzeigen bestrafen und disziplinieren wollen“, sagte sie in ihrer Laudatio. „Und die bei kritischen Themen so gekonnt schweigen.“
Hartmut Mehdorn konnte der Einladung des Netzwerks Recherche, den Preis auf der Jahrestagung in Hamburg persönlich in Empfang zu nehmen und eine Gegenrede zu halten, nicht folgen. Über sein Büro ließ er dem Netzwerk Recherche mitteilen, dass er sich auf einer Auslandsreise befinde. Allerdings antwortete er schriftlich. In dieser Entgegnung, die vom Netzwerk Recherche in Hamburg von Tagesschau-Sprecher Marc Bator verlesen wurde, heißt es: „Die Deutsche Bahn hat unter der Leitung der „Verschlossenen Auster“ Mehdorn in den vergangenen zwölf Monaten international, national und regional rund 4600 Pressemitteilungen, Themendienste und Hintergrundinformationen herausgegeben. (…) Hinzu kamen allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 500 Pressekonferenzen, Pressegespräche, Journalisten-Stammtische, Redaktionsbesuche, Interviews, Hintergrundgespräche und Medienworkshops. Ein Unternehmen, das sich angeblich einmauert, würde ganz gewiss anders agieren.“ Mehdorn kündigte in seiner Erklärung an: „Die Auster wird einen Platz bei mir im Büro erhalten, damit ich jedem, der sie sieht und mich – ziemlich überrascht, wie ich vermute – danach fragt, erklären kann, wie ausgerechnet Hartmut Mehdorn zu dieser Ehre gekommen ist.“
Laudatio von Sonia Mikich
Austerpreisträger: Bahnchef Mehdorn
Laudatorin: Sonia Mikich, Moderatorin des Politmagazins MONITOR
„Journalisten sind nicht immer angenehm, sie sind sogar häufig höchst unwillkommen. Aber sie sind für unsereinen unentbehrlich. Und darum muss man sie gut behandeln – soweit das möglich ist. Lassen Sie den Mann morgen früh um neun Uhr kommen…“ Das war nicht Ernst Uhrlau, das war nicht Hartmut Mehdorn. Das war Konrad Adenauer. Das war ein Staatsmann mit einer rheinischen-entspannten Variante von Machtgestaltung. Ich komme aus Köln, und es geht um die Verschlossene Auster.
In den vergangenen Jahren hat das Netzwerk Recherche Innenminister Otto Schily, Aldi, die Hypovereinsbank und DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder ausgezeichnet. Im Jahr 2006 geht die Verschlossene Auster an – die Bahn und ihren Chef Hartmut Mehdorn. Lassen Sie mich diese Entscheidung begründen.
Mehdorn und die Bahn sollen Informationsverhinderer sein? Viele Journalisten schätzen ihn und die Bahn. Ob auf Lokal-, Regional-, Landes- oder Bundesebene: Wir alle machen täglich viele Geschichten über sie. Einige von Ihnen werden mit der Bahn nach Hamburg angereist sein. Einige von Ihnen haben vielleicht die Bahncard, eine schönes Extra-Rabättchen für Journalisten (wir sind ja nicht blöd…). Nach den vielen Diskussionen der vergangenen Wochen um den Medienkodex können Sie sich denken, wie sehr das Netzwerk Recherche diese und andere Vergünstigungen für unsereins begrüßt. Aber dazu später. Wir alle haben in den vergangenen Jahren erlebt, wie sich die Bahn gewandelt hat und ihr Chef Hartmut Mehdorn auf vielfältige Weise versucht, das Bahnfahren modern und konkurrenzfähig zum Autofahren und zum Fliegen zu machen. Wir haben viele Geschichten produziert über den Wandel, auch über den angestrebten Börsengang. Noch aber ist die Bahn kein Privat- sondern ein Staatsunternehmen. Es gibt enormes Interesse an ihrer Vergangenheit, ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft.
Die Vergangenheit: Der 1955 verstorbene Journalist und Essayist Alfred Polgar meinte einst: „Die Presse hat auch die Aufgabe, das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.“ Die Bahn hat vor mehr als 60 Jahren massiv zum dunkelsten Kapitel der Deutschen beigetragen. Die Eisenbahn schaffte Hunderttausende Menschen, darunter allein 11.000 jüdische Kinder aus Frankreich, über Deutschland nach Polen ins Vernichtungslager Auschwitz. Dort wurden sie ermordet. Das ist unsere Geschichte und natürlich auch die Geschichte der Bahn – was sonst?
Serge und Beate Klarsfeld haben dazu eine Wanderausstellung für Bahnhöfe und Durchgangsstationen zusammengestellt. Das französische Eisenbahnunternehmen S.N.C.F. hat dem Konzept der Ausstellung zugestimmt. Die Deutsche Bahn machte dicht -auf mehrfache Anfrage, wie im April 2006 bekannt wurde. Die Deutsche Bahn wollte die Ausstellung lediglich im Eisenbahnmuseum in Nürnberg zeigen – Kritiker sagen: verstecken. Begründung: Es fehle an Personal und Geld. Später hieß es, die Bahn wolle Ausstellungen generell aus Bahnhöfen fernhalten. Bahn-Sprecher Oliver Schumacher sagte den schönen Satz: „Wir plädieren dafür, dieses sensible Thema museums-pädagogisch zu begleiten.“ Sensibel bis zur Unsichtbarkeit?
Tatsächlich war es die falsche Entscheidung und das falsche Signal. Wer sich vor der Vergangenheit wegduckt, der will entweder etwas verbergen oder nichts dazu lernen. Und hat keine Haltung für die Zukunft. Immerhin haben sich Zentralrat der Juden und Bahn eigenen Angaben zufolge kürzlich grundsätzlich geeinigt, die Schau nun doch zu zeigen. Allerdings ist nach wie vor unklar, ob sie in Bahnhöfen gezeigt wird. Bis Ende Mai wollen sie Details der Entscheidung erarbeiten. Nach zweijährigen Verhandlungen.
Wir sind in der Gegenwart. Die Bahn setzt ihre Kritiker unter ökonomischen Druck. Im Oktober 2003 brachte das Manager Magazin eine große Geschichte – mit dem Tenor: Missmanagement unter Mehdorn. Daraufhin stornierte die Bahntochter Stinnes bereits geschaltete Anzeigen im Wert von mehr als 100.000 Euro. Dafür gab es massiv und zurecht Schelte, half aber nichts. Im Februar 2006 wurde die Bahn zum Wiederholungstäter. Nach einem kritischen Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital über „Mehdorns Malaise“ zog sie erneut Anzeigen zurück.
Capital hatte unter Verweis auf interne Dokumente der Bahn von Schulden in „horrender“ Höhe geschrieben. Die Bahn monierte einen fehlenden Hinweis, dass sie nämlich die Bilanzierungsmethode umgestellt habe. Dazu Capital: diese Umstellung alleine könne die Zahlen nicht erklären. Wie ging es weiter? Die Bahn verlangte keine Gegendarstellung, viel zu viel Juristerei. Sondern griff zum Anzeigenknüppel: sie stornierte mehrere ganzseitige Anzeigen. Branchenintern war von einem sechsstelligen Geldbetrag die Rede. Capital wurde ihrem Chefredakteur Klaus Schweinsberg zufolge zu verstehen gegeben, das Storno sei eine unmittelbare Reaktion auf die Kritik. Später behauptete die Bahn, einen Zusammenhang zwischen der kritischen Geschichte und Stornierung gebe es nicht. Das sei, behauptete ein Sprecher, „reiner Zufall“.
Durchaus gesprächig und aktiv ist Bahnchef Mehdorn, wenn es um den Börsengang geht. Über Kritiker seines Fahrplans zur Börse beklagte sich Mehdorn gegenüber dem Verkehrsausschuss des Bundestages. Ein Mitarbeiter einer Fraktion streute vertrauliche Informationen, die „vorsätzlich verzerrend zusammengestellt“ und „zu Verschwörungstheorien aufgebauscht“ würden. Überhaupt, über die Kritiker des Börsengangs liess er eine Zitatensammlung erstellen und verteilen. Information satt – über die, die dem Bahnkurs im Wege stehen.
Hartmut Mehdorn und die Bahn erhalten den Preis stellvertretend für alle, die Presse, Hörfunk und Fernsehen durch den Entzug von Anzeigen bestrafen und disziplinieren wollen. Und die bei kritischen Themen so gekonnt schweigen.
Denn zu den beiden eben erwähnten Themen – der Ausstellung und der Anzeigenstornierung – hat die Bahn NICHT vor Fernsehkameras Stellung nehmen wollen.
Und damit wären wir beim dritten Thema: Verweigerten Drehgenehmigungen für kritische Berichterstattung. Dieses Thema ist nicht neu: Als die Bahn 2002 die größte Tarifreform in ihrer Geschichte vornahm, wollten mehr als 60 TV-Teams darüber berichten. Das war zuviel! Stress! .Die Medienmeute -die mag eine Behörde nicht. Sie erteilte je einem öffentlichenrechtlichen Sender (HR) und einem privaten Sender (Sat1) Dreherlaubnis. Bei der Eröffnung einer neuen ICE-Strecke mag so eine Pool-Lösung geboten erscheinen. Aber bei Umstellungen in 6000 Bahnhöfen, auf die sich die Reform verteilte? Der damalige RTLInformationsdirektor Hans Mahr sprach von einer „groß angelegten Maulkorbaktion“, der Deutsche Journalistenverband von einer „massiven Einschränkung“. Nach den Protesten durften immerhin auch RTL und ZDF drehen. Und doch scheint die Bahn daraus wenig gelernt zu haben.
Wir sind bei der Zukunft. Was erwarten wir von Hartmut Mehdorn und der Bahn? Journalisten sollen nicht besser behandelt werden als andere Kunden. Wir wollen ernst genommen werden. Wir wollen Zugang zu Informationen, Zugang zu Bahnhöfen und Gleisanlagen, Zugang zur Bahn, um darüber berichten zu können. Zugang zu den Verantwortlichen. Zu den Managern. Zu Ihnen, Herr Mehdorn, und Ihren Sprechern – auch und gerade bei kritischen Themen.
„Öffentlichkeitsarbeit ist ein Dienst an der Öffentlichkeit“, schreibt Horst Avenarius, der Vorsitzende des Deutschen Rates für Public Relations, in seinem Lehrbuch über Public Relations. Richtschnur für das PR-Verhalten müsse in Grenzfällen das Gemeinwohl sein. Das Gemeinwohl. Unternehmen entdecken es wieder, nennen es corporate social responsibility und lassen sich in die Pflicht nehmen. Das machen wir hiermit.
Liebe Bahn, Sie bekommen die Auster.
Und ein tröstliches Zitat: „Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut; sie hört nicht, was ich sage, und ich sage nicht, was sie hören will.“ – Karl Kraus
Gegenrede von Hartmut Mehdorn
Austerpreisträger und Redner: Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG
Hamburg, 20. Mai
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich für Ihre Einladung zur Verleihung des Medienpreises „Verschlossene Auster“.
Ich habe zunächst darüber gegrübelt, warum man den Vorstandsvorsitzenden eines weltweit agierenden Konzerns so kurzfristig zu einer solchen Veranstaltung einlädt. Ich denke, auch Journalisten wissen, welchen Terminzwängen Vorstandsvorsitzende großer Unternehmen unterliegen, die schon einen etwas längerfristigen Vorlauf erforderlich machen. Ich bin auf drei mögliche Gründe gekommen:
Erstens: Sie waren bei Ihrer Wahl zur „Verschlossenen Auster“ des Jahres in Findungsnot und haben dann kurz vor Toresschluss gedacht: Dann nehmen wir doch den Mehdorn. Auf dem prügeln viele rum. Das passt, kommt immer gut und sichert genügend Publizität. Zweitens: Sie wollten gar nicht, dass ich zur „Gegenrede“ komme, weil ich als einer gelte, der sich jeder Sache stellt und – wenn es sein muss – keinem Streit aus dem Weg geht, was Ihnen vielleicht nicht so gefallen und die Preisverleihung doch arg relativiert hätte. Drittens: Natürlich machen wir nicht immer alles richtig. Dies zu behaupten wäre absurd.
Welcher der drei Gründe auch immer zutreffen mag, ein paar Zeilen müssen Sie jetzt schon ertragen können. Und da möchte ich Ihnen zunächst einmal nur mit Fakten kommen. Schließlich legt das Netzwerk Recherche völlig zu Recht großen Wert auf Faktentreue. Am Ende mögen Sie selbst entscheiden, ob die Jury in diesem Jahr ihren eigenen Ansprüchen gerecht geworden ist. Die Deutsche Bahn hat unter der Leitung der „Verschlossenen Auster“ Mehdorn in den vergangenen zwölf Monaten international, national und regional rund 4600 Pressemitteilungen, Themendienste und Hintergrundinformationen herausgegeben. Ob das nicht zuviel war, ist ein anderes Thema. Aber über ein Zuwenig hat sich wirklich noch niemand beklagt. Hinzu kamen allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 500 Pressekonferenzen, Pressegespräche, Journalisten-Stammtische, Redaktionsbesuche, Interviews, Hintergrundgespräche und Medienworkshops. Ein Unternehmen, das sich angeblich einmauert, würde ganz gewiss anders agieren.
Die Deutsche Bahn hat weiterhin einen täglichen nationalen und internationalen Pressespiegel von mindestens 50, manchmal sogar bis zu 100 Seiten. Hinzukommen noch einmal sieben regionale Pressespiegel, da können Sie getrost im Schnitt noch einmal bis zu 150 Seiten hinzurechnen. Die meisten dieser Artikel – übrigens gerade auch die kritischen – sind mit Hilfe der Bahn oder mit ihrer Unterstützung bei entsprechenden Journalistenanfragen zu Stande gekommen. Gleiches gilt für elektronische Medien. Rund 1800 Drehgenehmigungen sprechen nun wirklich nicht dafür, dass wir unsere Anlagen und Einrichtungen abschotten.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Deutsche Bahn – vor allem auch in Person ihres Vorstandsvorsitzenden – bei fast allen unabhängigen Erhebungen mit Abstand zu den meistzitierten und meisterwähnten Unternehmen der Republik gehört. An kommunikativer Verschlossenheit liegt dies wohl nicht.
Mehr noch: Die Deutsche Bahn hat mit ihrer Kommunikation von allen deutschen Unternehmen das ebenfalls mit Abstand flächendeckendste Netz. Diese flächendeckende Kommunikation ist bei der Bahn seit Amtsantritt der „Verschlossenen Auster“ Mehdorn ausgebaut und so strukturiert worden, dass die Kommunikation der Deutschen Bahn die Pflicht hat, an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar zu sein – und das nicht nur zentral, sondern in jedem einzelnen Unternehmensbereich und in jeder Region. Alle Journalisten, die regelmäßig mit der Bahn zu tun haben, wissen und nutzen das auch – was uns unabhängig erhobene Umfragen bestätigen. Und die „Verschlossene Auster“ Mehdorn versteckt sich wahrlich nicht vor Mikrofonen und Kameras, wovon unsere Pressesprecher – meine Spontaneität fürchtend – beredet Auskunft geben können. Bei Dutzenden Veranstaltungen stelle ich mich in aller Regel den Fragen – seien Sie vorher angemeldet oder nicht. Das hat aus Sicht meiner Frau sogar einen ganz gewichtigen Vorteil: Während die meisten Journalisten und anwesenden Bahner sich derweil schon am Buffet tummeln, komme ich vor lauter Interviewwünschen immer als einer der Letzten zu Bier und Häppchen.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle weitere Fakten ersparen. Lassen Sie mich abschließend ganz kurz etwas zu Ihrem schwierigen und verantwortungsvollen Gewerbe sagen. Ich registriere mit einer gewissen Wehmut, dass der gute alte Journalismus in Deutschland, der auf fundierte und seriöse Recherche setzt, leider immer weniger wird. Offenbar zählt immer mehr etwas anderes:
Effekthascherei – also die schnelle – oftmals wenig tiefgründige – Geschichte, die anscheinend eher Aufmerksamkeit als Aufklärung bieten will. Das Bestreben, eine Story so anzulegen, dass sie tatsächlich oder vermeintlich agenturfähig ist, nimmt für meine Begriffe überhand. Mit betrüblichen Konsequenzen. Der eine oder andere Journalist ruft lieber gar nicht mehr an – solche Nachfragen könnten ja die eigene Geschichte kaputtmachen. Und so wird auch über die Bahn manches geschrieben und gesendet, was sich schon bei oberflächlicher Kenntnis der Materie verflüchtigt.
Vor diesem Hintergrund – gestatten Sie mir die offenen Worte – bin ich über die Verleihung der „Verschlossenen Auster“ nicht überrascht. Die „Auster“ wird einen Platz bei mir im Büro erhalten, damit ich jedem, der sie sieht und mich – ziemlich überrascht, wie ich vermute – danach fragt, erklären kann, wie ausgerechnet Hartmut Mehdorn zu dieser Ehre gekommen ist. Denn wenn ich den Preis nicht wirklich materiell in Händen hielte, würden mir diese Geschichte am Ende nur die Wenigsten glauben.