Sieben Gründe, warum das Informationsfreiheitsgesetz für Journalist*innen von Vorteil ist

Von Manfred Redelfs, Netzwerk Recherche

Alle Argumente, die generell für Transparenz sprechen, sind natürlich auch aus journalistischer Sicht relevant. So werden Journalisten sicherlich die demokratietheoretische Begründung für mehr Bürgerrechte und eine Abkehr von obrigkeitsstaatlichen Relikten wie dem “Amtsgeheimnis” mittragen können. Auch die Korruptionsprävention, die von Behördentransparenz ausgeht, spricht für das IFG. Darüber hinaus gibt es aber weitere Gründe, warum sich gerade eine Journalistenorganisation wie Netzwerk Recherche für das Informationsfreiheitsgesetz engagiert hat – und dies, obwohl die Berufsgruppe der Journalist*innen nach den Landespressegesetzen bereits einen Auskunftsanspruch gegenüber Behörden genießt. Die Rechte nach dem IFG gehen allerdings in mancher Hinsicht über das Presserecht hinaus. Sie stärken damit eine Recherchekultur, wie sie das Netzwerk Recherche fördern möchte. 


1. Akteneinsicht statt mündlicher Auskunft der Pressestelle

Ein zentraler Aspekt ist, dass das IFG den Antragstellenden die Wahlfreiheit lässt, in welcher Form sie die Information erhalten möchten – ob es eine schnelle mündliche Auskunft am Telefon sein soll, die Zusendung von Kopien, eine Akteneinsicht im Amt oder auch der Zugriff auf elektronisch gespeicherte Daten der Verwaltung. Bei dem Anspruch nach den Landespressegesetzen entscheidet dagegen immer die Behörde, in welcher Form sie die Informationen gewährt. Für die Recherche macht es aber einen erheblichen qualitativen Unterschied, ob man sich mit der mündlichen Auskunft der Pressestelle zufrieden geben muss, oder ob man selbst in die Akten schauen kann. Bei der Akteneinsicht erfährt man möglicherweise Dinge, die der Pressesprecher freiwillig nie preisgegeben hätte. Außerdem ist die Information wesentlich präziser und detailreicher. Vielleicht entdeckt man beim Aktenstudium auch völlig Überraschendes, nach dem man gar nicht gezielt hätte fragen können. 

2. Datenschutz ist kein Totschlagargument mehr

Zweitens erlebt man als Journalist*in häufig, dass der Datenschutz von Behörden als willkommenes Argument genutzt wird, Informationen nicht freizugeben. Das mag manchmal berechtigt sein, vielfach ist es aber auch vorgeschoben. Das IFG bringt hier einen Fortschritt, weil die Betroffenen, deren Interessen geschützt werden sollen, von der Behörde gefragt werden müssen, ob sie denn mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden sind. Es sind aber viele Fälle denkbar, in denen die Betroffenen sogar daran interessiert sind, dass eine journalistische Recherche zu ihrem Fall stattfindet. Angenommen, es kursieren Gerüchte, dass es Korruption in einem städtischen Krankenhaus gegeben habe, indem Patientenleistungen abgerechnet wurden, die tatsächlich nicht erbracht worden sind. Die Patient*innendaten unterliegen zu Recht einem strengen Datenschutz. Wenn man aber die Betroffenen mit der konkreten Frage eines Journalisten konfrontiert, ob eine bestimmte teure Behandlung bei ihnen angewandt worden ist oder nicht, werden sich sicherlich viele für die Auskunft entscheiden. Der Fortschritt ist hier also die Konsultationspflicht der Behörden. 

3. Korruptionsrecherche leichter möglich

Drittens ist eine verdeckte Recherche – so sie denn im Ausnahmefall ethisch gerechtfertigt werden kann – leichter möglich, was gerade bei Korruptionsfällen relevant ist. Beim Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen muss man sich dagegen als Journalist*in legitimieren, um überhaupt einen Anspruch zu haben. Wenn aber das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” irgendwo anfragt, schrillen sofort alle Alarmglocken und Abwehrstrategien laufen an. Nach den neuen Auskunftsrechten kann ein Journalist*in auch als interessierte Privatperson einen Antrag stellen, was u.U. nicht ganz soviel Aufmerksamkeit nach sich zieht und die Untersuchung von Korruptionsfällen erleichtert. 

4. Auch elektronisch gespeicherte Daten erfasst

Viertens fallen jetzt auch elektronische Daten und E-Mails der Behörden unter den Auskunftsanspruch, was sehr relevant sein kann, weil viele Unterlagen der Verwaltung gar nicht mehr in der Form des klassischen Leitzordners existieren, sondern nur noch auf den Festplatten der Behördencomputer. Welche Recherchemöglichkeiten mit dem Zugriff auf Rohdaten der Verwaltung eröffnet werden, zeigt die Spezialisierung auf das Computer-Assisted Reporting in den USA. Dabei werden große Datenmengen, bei denen sensible personenbezogene Informationen ausgesondert wurden, nach journalistischen Kriterien ausgewertet, z.B. durch Datenverknüpfungen. So ging die Lokalzeitung in St. Louis Gerüchten nach, dass es bei einer Kommunalwahl massiven Betrug gegeben habe. Unter Berufung auf den Freedom of Information Act beantragte ein Reporter die Namen aus dem Wahlregister und aus dem Sterberegister der Stadt. Ein einfacher Abgleich hat ergeben, dass in St. Louis erstaunlich viele Tote weiterhin fleißig zur Wahl gegangen waren. Solche Recherchen sind nur möglich, wenn es weitreichende Transparenzverpflichtungen für die Verwaltung gibt. Als weiteres Beispiel sei darauf verwiesen, dass es einer Journalist*innenorganisation aus Dänemark gelungen ist, sämtliche Daten zur EU-Agrarförderung in diesem Land zu erhalten. Anhand einer Suchmaschine auf der Internetseite des Dänischen Radios kann jetzt jeder Bürger prüfen, welcher Bauer wie viel Geld aus Brüssel erhalten hat. Die Datenanalyse zeigt, dass Großbetriebe die wichtigsten Nutznießer sind, während die kleinbäuerliche Landwirtschaft deutlich weniger von der Agrarförderung profitiert. Die computergestützte Datenausauswertung ermöglicht somit eine Strukturanalyse, die über das Studium von Einzelfallbeispielen deutlich hinausgeht. 

5. Engagierte Bürger spüren neue Themen auf

Fünftens profitieren Journalist*innen davon, dass die Informationsfreiheitsgesetze dazu führen, dass auch engagierte Bürger*innen mit ihren Anträgen vermehrt interessante Themen aufspüren. Sie sind also gewissermaßen die Trüffelschweine der Journalist*innen. In Schleswig-Holstein hat ein Bürger nach dem dortigen IFG Einsicht in das Wertgutachten zum Verkauf der Stadtwerke beantragt. Sein Erkenntnisinteresse war leicht nachvollziehbar: Hat die öffentliche Hand gut verhandelt oder ist dort ein Gefälligkeitsgeschäft mit einem privaten Investor abgeschlossen, also unter Wert verkauft worden? Eine Veräußerung unter Wert könnte sich vielleicht später rächen, indem die öffentlichen Gebühren erhöht werden müssen. Ein solches Thema interessiert nicht nur den Antragsteller, sondern sicherlich auch die Lokalpresse. 

6. Ombudsmann vermittelt bei Konflikten

Sechstens haben die Informationsfreiheitsgesetze den Vorteil, dass es mit dem Datenschutzbeauftragten zugleich einen Ombudsmann gibt, an den man sich wenden kann, sofern Probleme auftreten. Die Vermittlung und Rechtsberatung ist kostenlos, also gerade für freie Journalist*innen sehr hilfreich. Gibt es Schwierigkeiten mit dem Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen, ist dagegen eine Klage vor dem Verwaltungsgericht nötig, die viele Verlagshäuser aus Zeit- und Kostengründen scheuen. Hinzu kommt der psychologische Vorteil beim IFG, dass bei Einschaltung der Ombudsperson Behörde zu Behörde spricht und nicht gleich der gegnerische Rechtsbeistand aktiv werden muss. D.h. es ist vieles hoffentlich auf dem Weg der Vermittlung zu lösen, so dass Zeit und Geld gespart werden. 

7. Klimawandel in der Verwaltung erleichtert mittelfristig Recherchen

Siebtens ist zu erwarten, dass das neue Rechtsprinzip, das vom Grundsatz der Öffentlichkeit ausgeht, mittel- bis langfristig zu einem Klimawandel in den Verwaltungen beiträgt: Bisher waren die Behördenmitarbeitenden noch auf den Grundsatz des “Amtsgeheimnisses” verpflichtet und reagierten entsprechend verständnislos, wenn jemand in “ihre Akten” schauen wollte. Hat sich die neue Transparenz erst einmal durchgesetzt, ist zu hoffen, dass Verwaltungsmitarbeitende vermehrt ein dialogisches Verhältnis zur Öffentlichkeit einnehmen und sich als Dienstleistende begreifen. Wenn die Transparenz selbstverständlich geworden ist, besteht die begründete Hoffnung, dass die Ämter generell entgegenkommender mit Journalist*innenanfragen umgehen – auch jenseits von formaljuristischen Vorschriften, die sie dazu verpflichten.