Als Juristin ist man es gewohnt, sehr sorgfältig auf das zu achten, was man sagt. Jedes Wort kann entscheidend sein, das lernt man sehr früh in der Ausbildung. Doch trotz dieser Routine bin ich dann, wenn ich über Georg Friedrich Prinz von Preußen und seine Familie rede, in einer Weise vorsichtig geworden, die ich zuvor nicht kannte, überlege mir vor jedem Satz genau, ob er möglicherweise juristisch angreifbar ist. Damit bin ich bei Weitem nicht alleine. Viele Historikerinnen und Historiker, vor allem aber Journalistinnen und Journalisten, die in den letzten gut zwei Jahre mit diesem Thema zu tun hatten, haben eine völlig neue Vorsicht entwickelt, wenn sie öffentlich über die Hohenzollern sprechen. Nicht wenige von ihnen äußern sich mittlerweile lieber gar nicht mehr, aus Sorge dafür, sonst Post vom Anwalt zu bekommen und möglicherweise auch gerichtlich belangt zu werden. Es ist das große Verdienst von Georg Friedrich Prinz von Preußen ein solches Klima erzeugt zu haben, in dem die freie Meinungsäußerung zu einem Thema derartigen Selbstbeschränkungen unterliegt. Dafür gebührt ihm der heute verliehene Preis.
Ich will kurz den Hintergrund erläutern, vor dem sich diese juristischen Auseinandersetzungen bewegen. Seit dem Jahr 2014 führt Georg Friedrich Prinz von Preußen, der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers, Verhandlungen mit der öffentlichen Hand. Dabei geht es um sehr unterschiedliche Fragen der eigentumsrechtlichen Zuordnung von Kulturgütern, um Leihverträge mit öffentlichen Museen sowie um Entschädigungszahlungen für Immobilien, die nach 1945 in der sowjetisch besetzten Zone von seinem Urgroßvater enteignet wurden. Der letzte Punkt ist deshalb besonders pikant, weil hier über juristische Umwege eine wesentliche Frage der deutschen Geschichte mitverhandelt wird: Der Anspruch auf Entschädigung für die Enteignung des ehemaligen Kronprinzen ist nämlich dann ausgeschlossen, wenn dieser, wie es im Juristendeutsch heißt, dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet hat, wenn er also einen Beitrag geleistet hat, um die Etablierung der nationalsozialistischen Herrschaft zu erleichtern.
Im Jahr 2019 gelangten erste Informationen über den Inhalt dieser Verhandlungen in die Öffentlichkeit. Besonders prominent wurde das Thema, als Jan Böhmermann es zum Gegenstand seiner Sendung machte und dabei auch die vier historischen Gutachten veröffentlichte, die zur Frage der Verstrickung des ehemaligen Kronprinzen in den Nationalsozialismus erstellt worden waren.
Die Berichterstattung in den Medien, die daraufhin folgte, wurde daraufhin von Georg Friedrich Prinz von Preußen in einer erstaunlichen Welle von Verfahren juristisch angegriffen, wie ich sie zuvor noch nicht gesehen habe. In unserem Wiki haben wir etwa 80 Fälle dokumentiert. Allerdings ist die Sammlung nicht vollständig, so dass es sich insgesamt um weitaus mehr Verfahren handeln dürfte.
Gestützt sind all diese Verfahren auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Und ich möchte an dieser Stelle betonen: Es ist wichtig, dass es Grenzen für den öffentlichen Diskurs gibt, die auch juristisch durchgesetzt werden müssen. Dies gilt auch und gerade für Fälle, in denen ein einzelner Betroffener sich auf dem Zivilrechtsweg gegen Äußerungen vorgeht, die ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. Gerade an unserem Beispiel sehen wir aber auch, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht instrumentalisiert werden kann, um eine öffentliche Debatte zu ersticken. Und an diesem Wort sehen sie im Übrigen schon die Tragweite des ganzen Problems. Denn auch gegen die Aussage, er wolle eine Debatte ersticken, ist Georg Friedrich Prinz von Preußen ironischerweise juristisch vorgegangen – allerdings ohne Erfolg.
Das Besondere an den äußerungsrechtlichen Streitigkeiten, die Georg Friedrich Prinz von Preußen in ganz erheblichem Maße vor allem gegen Medienhäuser, Journalistinnen und Journalisten, aber auch gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Politikerinnen und Politiker anstrengt, liegt nämlich darin, dass hier über das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor allen Dingen um die richtige Darstellung von Tatsachen gerungen und gerichtlich entschieden wird. Es geht nicht darum, dass Georg Friedrich Prinz von Preußen sich dagegen wehrt, diffamiert, beleidigt oder herabgewürdigt zu werden. Es geht auch nicht darum, dass intime Details aus seinem Privatleben ins Licht der Öffentlichkeit gezogen werden. Es wird vielmehr ganz überwiegen über die akkurate Darstellung von Geschehnissen gestritten, die eine Debatte von öffentlichem Interesse berühren und die im grundsätzlich sachlichem Ton diskutiert werden sollen. Darüber hinaus werden auch immer wieder Aussagen über die Bewertung dieser Geschehnisse angegriffen.
Lassen Sie mich dafür ein Beispiel nennen: In einem Beschluss vom vergangenen Oktober untersagte das Landgericht Berlin folgende Aussage in einem Nachrichtenartikel:
„Bisher haben die Hohenzollern erfolgreich gegen die Veröffentlichung von Gutachten geklagt.“
Gemeint sind die historischen Gutachten über die Frage, ob der ehemalige Kronprinz dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet hat. Diese Aussage ist tatsächlich falsch. Georg Friedrich Prinz von Preußen hat nicht erfolgreich gegen die Veröffentlichung der Gutachten geklagt. Er hat zwar versucht, mit einem Gerichtsprozess das Land Brandenburg zu verpflichten, keinerlei Informationen mehr über das entsprechende Verwaltungsverfahren an die Öffentlichkeit zu geben – also auch die genannten Gutachten nicht. Allerdings war er mit diesem Verfahren gerade nicht erfolgreich. Die Unwahrheit der Aussage liegt also darin, dass man ihm einen Erfolg unterstellt, den er tatsächlich nicht gehabt hat. Kann das wirklich sein Persönlichkeitsrecht verletzen? In einem anderen Fall wehrte ich Georg Friedrich Prinz von Preußen gegen die Aussage, seine Homepage sei im Dezember 2019 freigeschaltet worden – wo sie doch schon seit dem Jahr 2001 existierte, allerdings zwischen Juni 2018 und November 2019 nicht mit Inhalten gefüllt war. Der Unterschied zwischen der Freischaltung und der Neuaufsetzung einer Homepage ist Herrn Prinz von Preußen also durchaus eine Klage wert.
Viele der Betroffenen, die mit ihren Äußerungen ins Visier der juristischen Schritte geraten sind, stellen diese Maßnahmen vor ganz erhebliche Probleme. Denn Georg Friedrich Prinz von Preußen greift nicht nur große Verlagshäuser mit professionellen Rechtsabteilungen, sondern auch zahlreiche Journalistinnen und Journalisten persönlich an. Wollen sie sich gegen die Angriffe wehren, stehen sie vor dem Problem, dass die Streitwerte bei dieser Art von Streitigkeit relativ hoch sind, genauso wie die Stundensätze spezialisierter Rechtsanwälte. Das bedeutet, dass man für die Gegenwehr nicht nur viel Zeit und Energie, sondern auch selbst eine nicht unerhebliche Menge Geld investieren will. Neben dem psychologischen Druck, der generell in solchen Anwaltsschreiben liegt und in unserem Fall durch den oft überaus aggressiven und beleidigenden Tonfall verstärkt wird, existiert also auch ein nicht zu vernachlässigender wirtschaftlicher Druck, dem man durch entsprechende Abmahnungen ausgesetzt wird. Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als überraschend, wenn sich Betroffene gerade angesichts der Vielzahl der Fälle eingeschüchtert fühlen und sich möglicherweise lieber gar nicht mehr äußern als in die juristische Auseinandersetzung zu gehen.
Und selbst dann, wenn man die juristische Auseinandersetzung nicht scheut, bedarf es nochmals einer besonderen Energie, um die Sache bis zum Ende auszufechten. Die letzten Monate haben gezeigt, dass nur sehr wenige Betroffene diesen Einsatz haben aufbringen können. Für diejenigen Kämpfer, die es allerdings bis zum Kammergericht Berlin, also bis zur zweiten Instanz, geschafft haben, sah die Sache am Ende fast ausnahmslos gut aus. Entgegen dem deutlichen Trend vor den immer gleichen drei Berufsrichtern vor dem Landgericht Berlin, konnte sich Georg Friedrich Prinz von Preußen hier in den meisten Fällen juristisch nicht durchsetzen. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle all denjenigen, die diese Mühe auf sich genommen haben, und damit einen unschätzbaren Beitrag dafür geleistet haben, dass wir am Ende doch noch relativ frei über die Causa Hohenzollern sprechen können. Die Strategie der Einschüchterung, von der ich nicht sagen darf, dass es die Strategie von Herrn Prinz von Preußen ist, weil ich das nicht gerichtsfest beweisen kann, geht am Ende dann doch nicht ganz auf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, manchmal sprechen die Akten für sich. Reiht man nur einige der Aussagen aneinander, die Georg Friedrich Prinz von Preußen erfolglos untersagen lassen wollte, ergibt sich ein recht schlüssiges Bild: Unkultur der Einschüchterung, klagefreudig, gegen kritische Berichterstattung gehen die Hohenzollern teils strafrechtlich vor, nicht mundtot machen lassen. Der Preis ist verdient.