Ver­schlos­sene Auster 2021 geht an die Hohen­zol­lern

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 2. Oktober 2021 | Lese­zeit ca. 9 Min.

Die Ver­schlos­sene Auster 2021 geht an die Hohen­zol­lern. Mit dem Nega­tiv­preis zeichnet die Jour­na­lis­ten­ver­ei­ni­gung Netz­werk Recherche den Infor­ma­ti­ons­blo­ckierer des Jahres aus. Die Orga­ni­sa­tion begründet die Ver­gabe des Preises an die Adels­fa­milie mit dem Umgang von Georg Fried­rich Prinz von Preußen mit Jour­na­list:innen und Wis­sen­schaftler:innen. Diese werden von ihm und seinen Ver­tre­tern mit Dut­zenden von Klagen über­zogen – was die Frei­heit der Bericht­erstat­tung und die öffent­liche Dis­kus­sion über grund­sätz­liche Fragen der deut­schen Geschichte bedroht. Der His­to­riker Martin Sabrow, Direktor des Leibniz-​Zen­trums für Zeit­his­to­ri­sche For­schung (ZZF) in Potsdam bezeich­nete das Ver­halten der Hohen­zol­lern als „Unkultur der Ein­schüch­te­rung“.

„Über Gerichte und Anwalts­schreiben ver­sucht der Spre­cher der Hohen­zol­lern, Georg Fried­rich Prinz von Preußen, Bericht­erstat­tung zu beschneiden, die sich um die his­to­risch bedeut­same Frage dreht, ob seine Vor­fahren dem Natio­nal­so­zia­lismus erheb­li­chen Vor­schub geleistet haben und ob er damit zu Recht oder zu Unrecht auf Ent­schä­di­gung für ent­eig­nete Immo­bi­lien und Kunst­werke streitet“, heißt es in der Begrün­dung von Netz­werk Recherche. Die Ein­la­dung zur Ent­ge­gen­nahme des Preises auf der nr21–Online-​Kon­fe­renz – und damit zur Gegen­rede –, nahmen die Hohen­zol­lern nicht an. Sie teilten schrift­lich mit: „Der Begrün­dung Ihrer Ent­schei­dung ist hin­zu­zu­fügen, dass das Vor­gehen von Georg Fried­rich Prinz von Preußen sich zu keiner Zeit gegen eine Bericht­erstat­tung als solche, son­dern gegen die Ver­brei­tung von Falsch­in­for­ma­tionen inner­halb von ein­zelnen Bericht­erstat­tungen rich­tete, da die Mei­nungs­bil­dung auf Grund­lage kor­rekter Infor­ma­tion ein Pri­vileg unserer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft dar­stellt.“

In ihrer Lau­datio auf den Preis­träger sagte Sophie Schön­berger, Pro­fes­sorin für Kunst-​ und Kul­tur­recht an der Uni­ver­sität Düs­sel­dorf, über His­to­riker:innen und Jour­na­list:innen: „Nicht wenige äußern sich mitt­ler­weile lieber gar nicht mehr, aus Sorge sonst Post vom Anwalt zu bekommen und mög­li­cher­weise auch gericht­lich belangt zu werden.“ Schön­berger hat rund 80 Klagen des Hauses Hohen­zol­lern doku­men­tiert. Sie sagte, Georg Fried­rich Prinz von Preußen habe ein Klima erzeugt, „in dem die freie Mei­nungs­äu­ße­rung Selbst­be­schrän­kungen unter­liegt“. Sein Fall zeige: Das Recht könne „instru­men­ta­li­siert werden, um eine öffent­liche Debatte zu ersti­cken“.

Wei­ter­füh­rende Infor­ma­tionen:

Lau­datio von Sophie Schön­berger

Als Juristin ist man es gewohnt, sehr sorg­fältig auf das zu achten, was man sagt. Jedes Wort kann ent­schei­dend sein, das lernt man sehr früh in der Aus­bil­dung. Doch trotz dieser Rou­tine bin ich dann, wenn ich über Georg Fried­rich Prinz von Preußen und seine Familie rede, in einer Weise vor­sichtig geworden, die ich zuvor nicht kannte, über­lege mir vor jedem Satz genau, ob er mög­li­cher­weise juris­tisch angreifbar ist. Damit bin ich bei Weitem nicht alleine. Viele His­to­ri­ke­rinnen und His­to­riker, vor allem aber Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen, die in den letzten gut zwei Jahre mit diesem Thema zu tun hatten, haben eine völlig neue Vor­sicht ent­wi­ckelt, wenn sie öffent­lich über die Hohen­zol­lern spre­chen. Nicht wenige von ihnen äußern sich mitt­ler­weile lieber gar nicht mehr, aus Sorge dafür, sonst Post vom Anwalt zu bekommen und mög­li­cher­weise auch gericht­lich belangt zu werden. Es ist das große Ver­dienst von Georg Fried­rich Prinz von Preußen ein sol­ches Klima erzeugt zu haben, in dem die freie Mei­nungs­äu­ße­rung zu einem Thema der­ar­tigen Selbst­be­schrän­kungen unter­liegt. Dafür gebührt ihm der heute ver­lie­hene Preis.

Ich will kurz den Hin­ter­grund erläu­tern, vor dem sich diese juris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zungen bewegen. Seit dem Jahr 2014 führt Georg Fried­rich Prinz von Preußen, der Urur­enkel des letzten deut­schen Kai­sers, Ver­hand­lungen mit der öffent­li­chen Hand. Dabei geht es um sehr unter­schied­liche Fragen der eigen­tums­recht­li­chen Zuord­nung von Kul­tur­gü­tern, um Leih­ver­träge mit öffent­li­chen Museen sowie um Ent­schä­di­gungs­zah­lungen für Immo­bi­lien, die nach 1945 in der sowje­tisch besetzten Zone von seinem Urgroß­vater ent­eignet wurden. Der letzte Punkt ist des­halb beson­ders pikant, weil hier über juris­ti­sche Umwege eine wesent­liche Frage der deut­schen Geschichte mit­ver­han­delt wird: Der Anspruch auf Ent­schä­di­gung für die Ent­eig­nung des ehe­ma­ligen Kron­prinzen ist näm­lich dann aus­ge­schlossen, wenn dieser, wie es im Juris­ten­deutsch heißt, dem Natio­nal­so­zia­lismus erheb­li­chen Vor­schub geleistet hat, wenn er also einen Bei­trag geleistet hat, um die Eta­blie­rung der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft zu erleich­tern.

Im Jahr 2019 gelangten erste Infor­ma­tionen über den Inhalt dieser Ver­hand­lungen in die Öffent­lich­keit. Beson­ders pro­mi­nent wurde das Thema, als Jan Böh­mer­mann es zum Gegen­stand seiner Sen­dung machte und dabei auch die vier his­to­ri­schen Gut­achten ver­öf­fent­lichte, die zur Frage der Ver­stri­ckung des ehe­ma­ligen Kron­prinzen in den Natio­nal­so­zia­lismus erstellt worden waren.

Die Bericht­erstat­tung in den Medien, die dar­aufhin folgte, wurde dar­aufhin von Georg Fried­rich Prinz von Preußen in einer erstaun­li­chen Welle von Ver­fahren juris­tisch ange­griffen, wie ich sie zuvor noch nicht gesehen habe. In unserem Wiki haben wir etwa 80 Fälle doku­men­tiert. Aller­dings ist die Samm­lung nicht voll­ständig, so dass es sich ins­ge­samt um weitaus mehr Ver­fahren han­deln dürfte.

Gestützt sind all diese Ver­fahren auf das all­ge­meine Per­sön­lich­keits­recht. Und ich möchte an dieser Stelle betonen: Es ist wichtig, dass es Grenzen für den öffent­li­chen Dis­kurs gibt, die auch juris­tisch durch­ge­setzt werden müssen. Dies gilt auch und gerade für Fälle, in denen ein ein­zelner Betrof­fener sich auf dem Zivil­rechtsweg gegen Äuße­rungen vor­geht, die ihn in seinem all­ge­meinen Per­sön­lich­keits­recht ver­letzen. Gerade an unserem Bei­spiel sehen wir aber auch, wie das all­ge­meine Per­sön­lich­keits­recht instru­men­ta­li­siert werden kann, um eine öffent­liche Debatte zu ersti­cken. Und an diesem Wort sehen sie im Übrigen schon die Trag­weite des ganzen Pro­blems. Denn auch gegen die Aus­sage, er wolle eine Debatte ersti­cken, ist Georg Fried­rich Prinz von Preußen iro­ni­scher­weise juris­tisch vor­ge­gangen – aller­dings ohne Erfolg.

Das Beson­dere an den äuße­rungs­recht­li­chen Strei­tig­keiten, die Georg Fried­rich Prinz von Preußen in ganz erheb­li­chem Maße vor allem gegen Medi­en­häuser, Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen, aber auch gegen Wis­sen­schaft­le­rinnen und Wis­sen­schaftler sowie Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker anstrengt, liegt näm­lich darin, dass hier über das all­ge­meine Per­sön­lich­keits­recht vor allen Dingen um die rich­tige Dar­stel­lung von Tat­sa­chen gerungen und gericht­lich ent­schieden wird. Es geht nicht darum, dass Georg Fried­rich Prinz von Preußen sich dagegen wehrt, dif­fa­miert, belei­digt oder her­ab­ge­wür­digt zu werden. Es geht auch nicht darum, dass intime Details aus seinem Pri­vat­leben ins Licht der Öffent­lich­keit gezogen werden. Es wird viel­mehr ganz über­wiegen über die akku­rate Dar­stel­lung von Gescheh­nissen gestritten, die eine Debatte von öffent­li­chem Inter­esse berühren und die im grund­sätz­lich sach­li­chem Ton dis­ku­tiert werden sollen. Dar­über hinaus werden auch immer wieder Aus­sagen über die Bewer­tung dieser Gescheh­nisse ange­griffen.

Lassen Sie mich dafür ein Bei­spiel nennen: In einem Beschluss vom ver­gan­genen Oktober unter­sagte das Land­ge­richt Berlin fol­gende Aus­sage in einem Nach­rich­ten­ar­tikel:

„Bisher haben die Hohen­zol­lern erfolg­reich gegen die Ver­öf­fent­li­chung von Gut­achten geklagt.“

Gemeint sind die his­to­ri­schen Gut­achten über die Frage, ob der ehe­ma­lige Kron­prinz dem Natio­nal­so­zia­lismus erheb­li­chen Vor­schub geleistet hat. Diese Aus­sage ist tat­säch­lich falsch. Georg Fried­rich Prinz von Preußen hat nicht erfolg­reich gegen die Ver­öf­fent­li­chung der Gut­achten geklagt. Er hat zwar ver­sucht, mit einem Gerichts­pro­zess das Land Bran­den­burg zu ver­pflichten, kei­nerlei Infor­ma­tionen mehr über das ent­spre­chende Ver­wal­tungs­ver­fahren an die Öffent­lich­keit zu geben – also auch die genannten Gut­achten nicht. Aller­dings war er mit diesem Ver­fahren gerade nicht erfolg­reich. Die Unwahr­heit der Aus­sage liegt also darin, dass man ihm einen Erfolg unter­stellt, den er tat­säch­lich nicht gehabt hat. Kann das wirk­lich sein Per­sön­lich­keits­recht ver­letzen? In einem anderen Fall wehrte ich Georg Fried­rich Prinz von Preußen gegen die Aus­sage, seine Home­page sei im Dezember 2019 frei­ge­schaltet worden – wo sie doch schon seit dem Jahr 2001 exis­tierte, aller­dings zwi­schen Juni 2018 und November 2019 nicht mit Inhalten gefüllt war. Der Unter­schied zwi­schen der Frei­schal­tung und der Neu­auf­set­zung einer Home­page ist Herrn Prinz von Preußen also durchaus eine Klage wert.

Viele der Betrof­fenen, die mit ihren Äuße­rungen ins Visier der juris­ti­schen Schritte geraten sind, stellen diese Maß­nahmen vor ganz erheb­liche Pro­bleme. Denn Georg Fried­rich Prinz von Preußen greift nicht nur große Ver­lags­häuser mit pro­fes­sio­nellen Rechts­ab­tei­lungen, son­dern auch zahl­reiche Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen per­sön­lich an. Wollen sie sich gegen die Angriffe wehren, stehen sie vor dem Pro­blem, dass die Streit­werte bei dieser Art von Strei­tig­keit relativ hoch sind, genauso wie die Stun­den­sätze spe­zia­li­sierter Rechts­an­wälte. Das bedeutet, dass man für die Gegen­wehr nicht nur viel Zeit und Energie, son­dern auch selbst eine nicht uner­heb­liche Menge Geld inves­tieren will. Neben dem psy­cho­lo­gi­schen Druck, der gene­rell in sol­chen Anwalts­schreiben liegt und in unserem Fall durch den oft überaus aggres­siven und belei­di­genden Ton­fall ver­stärkt wird, exis­tiert also auch ein nicht zu ver­nach­läs­si­gender wirt­schaft­li­cher Druck, dem man durch ent­spre­chende Abmah­nungen aus­ge­setzt wird. Vor diesem Hin­ter­grund ist es alles andere als über­ra­schend, wenn sich Betrof­fene gerade ange­sichts der Viel­zahl der Fälle ein­ge­schüch­tert fühlen und sich mög­li­cher­weise lieber gar nicht mehr äußern als in die juris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung zu gehen.

Und selbst dann, wenn man die juris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung nicht scheut, bedarf es noch­mals einer beson­deren Energie, um die Sache bis zum Ende aus­zu­fechten. Die letzten Monate haben gezeigt, dass nur sehr wenige Betrof­fene diesen Ein­satz haben auf­bringen können. Für die­je­nigen Kämpfer, die es aller­dings bis zum Kam­mer­ge­richt Berlin, also bis zur zweiten Instanz, geschafft haben, sah die Sache am Ende fast aus­nahmslos gut aus. Ent­gegen dem deut­li­chen Trend vor den immer glei­chen drei Berufs­rich­tern vor dem Land­ge­richt Berlin, konnte sich Georg Fried­rich Prinz von Preußen hier in den meisten Fällen juris­tisch nicht durch­setzen. Mein beson­derer Dank gilt an dieser Stelle all den­je­nigen, die diese Mühe auf sich genommen haben, und damit einen unschätz­baren Bei­trag dafür geleistet haben, dass wir am Ende doch noch relativ frei über die Causa Hohen­zol­lern spre­chen können. Die Stra­tegie der Ein­schüch­te­rung, von der ich nicht sagen darf, dass es die Stra­tegie von Herrn Prinz von Preußen ist, weil ich das nicht gerichts­fest beweisen kann, geht am Ende dann doch nicht ganz auf.

Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, manchmal spre­chen die Akten für sich. Reiht man nur einige der Aus­sagen anein­ander, die Georg Fried­rich Prinz von Preußen erfolglos unter­sagen lassen wollte, ergibt sich ein recht schlüs­siges Bild: Unkultur der Ein­schüch­te­rung, kla­ge­freudig, gegen kri­ti­sche Bericht­erstat­tung gehen die Hohen­zol­lern teils straf­recht­lich vor, nicht mundtot machen lassen. Der Preis ist ver­dient.

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