Verleihung der Verschlossene Auster an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr
Austerpreisträger 2024: Volker Wissing und das Bundesverkehrsministerium
Laudator: Serafin Reiber, DER SPIEGEL
20. Juli 2024, es gilt das gesprochene Wort.
Guten Mittag, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es freut mich, dass Sie und Ihr mir heute die Gelegenheit gebt, diesen Preis – die verschlossene Auster 2024 – an Sie, lieber Verkehrsminister Volker Wissing und Ihr Haus, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, zu verleihen.
Dass das jetzt passiert und ich heute hier stehen darf, ist nicht selbstverständlich.
Vor ein paar Tagen habe ich die Folgen deutscher Verkehrspolitik am eigenen Leib erfahren. Ich wurde nämlich vor dem Haus unseres heutigen Preisträgers – dem Verkehrsministerium in der Berliner Invalidenstraße – auf einem bekanntlich eher symbolischen Fahrradweg vom Rad gerempelt.
Der Unfallverursacher, ein Rentner, ist, und das versicherte er mir, weder in Ihrem Ministerium beschäftigt noch handelte er in Ihrem Auftrag. Eine mögliche Behinderung der freien Berichterstattung – um die soll es ja heute gehen — kann also ausgeschlossen werden.
Wehgetan hat es trotzdem, und das ausgerechnet in der Invalidenstraße.
Ich will das hier nicht näher ausbreiten. Doch bevor ich Ihnen hier gleich einen Negativpreis verleihe, möchte ich mich noch einmal aufrichtig und herzlich bei Ihnen bedanken.
Ihr Stab, mit dem ich an diesem Tag eigentlich zum Gespräch verabredet war, hat mich nach dem Crash verständnisvoll betreut und mein zu diesem Zeitpunkt nurmehr bedingt funktionstüchtiges Bein gekühlt.
Umso mehr hätte es mich gefreut, wenn Sie, lieber Herr Minister, heute hier wären – oder wenigstens jemanden geschickt hätten, um diesen Preis entgegenzunehmen. Ihre Gegenrede hätte mich – und das meine ich ebenso ernst! – interessiert.
Als kritischer Beobachter Ihres Ministeriums will es mir nämlich nicht in den Kopf, warum Sie es als erster einigermaßen ambitionierter Verkehrsminister schaffen, sich so oft und ohne jegliche Not unbeliebt zu machen: Weil sie es vorziehen, nicht oder zu spät zu kommunizieren, selbst wenn eigentlich alles gar nicht so schlimm wäre. Oder, noch ärgerlicher, es wenn es um ihre doch beachtlichen Erfolge, denken Sie an das Deutschlandticket, geht.
Dieses Problem ist leider auch der Grund, warum Sie heute diesen Preis bekommen. In der sogenannten Wasserstoff-Affäre haben sie mit Ihrer Kommunikationsstrategie nicht nur ihrem eigenen Haus, sondern vor allem auch einem unserer Kollegen schweren Schaden zugefügt.
Daniel Delhaes vom Handelsblatt war es nämlich gewesen, der im vergangenen Sommer zuerst über einen Verdacht in ihrem Ministerium berichtet hatte. Ein kurzer Rückblick.
Im Juli 2023 deckt Daniel Delhaes auf, dass der wichtigste Abteilungsleiter des Verkehrsministeriums mit dem Chef des Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands offenbar so gut bekannt ist, dass die beiden Männer regelmäßig gemeinsam in den Skiurlaub in die Alpen fahren.
Das Problem bei dieser Männerfreundschaft: Klaus Bonhoff, der Abteilungsleiter im Verkehrsministerium, ist Herr über die wichtige Grundsatzabteilung im Ministerium und damit verantwortlich für die Förderung von zahlreichen Wasserstoff-Projekten im Verkehrsbereich. Bonhoff, in der Branche anerkennend Mr. Wasserstoff genannt, ist fest davon überzeugt, damit das Klimaproblem im Verkehrssektor lösen zu können. Ex-Minister Scheuer hat ihn deswegen aus der freien Wirtschaft ins Ministerium geholt. Und so verhält sich Bonhoff auch, hemdsärmelig, pragmatisch. Und der Staat fördert üppig.
Auf genau diese Förderungen hat es sein Freund, der Verbandschef Werner Diwald, abgesehen. Und, das sei hier verraten: Er hat sie auch bekommen. Ebenfalls profitiert haben soll laut Delhaes Darstellung ein bayerischer Unternehmer, der auch mit Bonhoff befreundet sein soll.
Es geht um Millionenbeträge, bezahlt aus Steuergeld – und um einen »unangenehmen Verdacht«, einen Verdacht der Vetternwirtschaft, wie Kollege Delhaes Ende Juli zum ersten Mal im Handelsblatt schreibt.
Der Zeitpunkt ist brisant. Wenige Wochen davor nämlich hatte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck in seinem Ministerium gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Invalidenparks, seinen Staatssekretär Patrick Graichen entlassen, weil dieser seinen Trauzeugen zum Chef der bundeseigenen Energie-Agentur hatte machen wollen. Bei Graichen ging es um den Eindruck von Befangenheit. Geld war keines geflossen.
Beim Abteilungsleiter aber, so zeigen es zumindest die Recherchen von Daniel Delhaes, geht es um Geld. Viel Geld. Hat das Verkehrsministerium, das über einen der größten Etats innerhalb der Bundesregierung verfügt, ein Korruptionsproblem?
Daniel Delhaes konfrontiert den Abteilungsleiter, den Verbandschef, das Ministerium mit den Vorwürfen. Der Verbandschef bestreitet die Vorwürfe, alle anderen schweigen oder wollen sich nicht konkret äußern.
Dann veröffentlicht das Handelsblatt seine Recherche, andere Medien, darunter auch DER SPIEGEL, also mein Arbeitgeber, steigen ein. Der Druck auf das Ministerium steigt. Es kündigt dann doch an, die Vorwürfe ernst zu nehmen, intern zu prüfen. Später wird das Ministerium behaupten, mit der Überprüfung der Vorwürfe bereits vor der Veröffentlichung des Handelsblatts begonnen zu haben.
Am 24. August schließlich lädt das Ministerium zu einem Pressegespräch ins Verkehrsministerium ein. Man sei den »Behauptungen gegen den Abteilungsleiter Grundsatz in einer internen Prüfung nachgegangen« und wolle nun einen Zwischenbericht vorlegen.
In einem Hinterzimmer spricht Stefan Schnorr, Wissings Staatssekretär. Das Pressegespräch hat zwei Teile: einen »unter eins«, aus dem zitiert werden darf – und einen Hintergrund »unter drei«.
Im öffentlichen Teil bestreitet Staatssekretär Schnorr sämtliche Vorwürfe. Alles in Ordnung, keine Spur von Günstlingswirtschaft. Im Hintergrund aber, aus dem nicht zitiert werden darf und aus dem ich selbstverständlich hier nicht zitieren werde, klingen die Dinge komplizierter.
Fernsehjournalisten bekommen daraufhin die Gelegenheit, ein kurzes Statement zu drehen. Eine Reporterin des ZDF nutzt die Chance und fragt hart nach. Und siehe da: Vor laufender Kamera erwähnt Stefan Schnorr nun plötzlich gemeinsame Urlaube, E-Mails, die weitergeleitet worden sein sollen.
Ich saß damals in diesem Pressegespräch und hatte, wie wohl viele Kolleginnen und Kollegen, ein massives Störgefühl.
Irgendetwas konnte da nicht stimmen. Warum wollte der Staatssekretär erst auf Nachfrage hin von gemeinsamen Urlauben, ja möglicherweise belastenden E-Mails sprechen?
Warum legte das Ministerium nichts Schriftliches vor? Und warum war die Prüfung scheinbar abgeschlossen, bevor sie überhaupt begonnen hatte?
Ich fahre zurück in die Redaktion – und beschließe, gemeinsam mit meinem Kollegen Gerald Traufetter eine Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz aufzusetzen und an das Ministerium zu schicken.
Schon vor dem bizarren Pressegespräch geht Abteilungsleiter Bonhoff mit voller Härte gegen Daniel Delhaes und das Handelsblatt vor. Noch vor der Pressekonferenz reicht er Klage ein und bezieht sich dabei auf das Ergebnis der Innenrevision des Ministeriums, das keine Beweise gefunden haben will.
Am 28. August erreicht das Handelsblatt ein Schreiben von Bonhoffs Anwalt, Kanzlei Irle Moser, Unter den Linden, Klage auf Unterlassung. Bonhoff sagt unter Eid, weder mit einem bayerischen Unternehmer befreundet noch Fördergelder aufgrund von Freundschaften verteilt zu haben.
Als Beweis führt er auch die Prüfung des Ministeriums an sowie eine dpa-Meldung mit einer Erklärung des Ministeriums.
Das Handelsblatt lässt sich davon offenbar beeindrucken. Die Rechtsabteilung in Düsseldorf, die sämtliche davor zu dieser Affäre erschienenen Texte überprüft hatte, scheint aufzugeben. War Delhaes Quellenlage doch zu schlecht?
Dann die Überraschung: Im Herbst zieht das Handelsblatt seine Berichterstattung über die Affäre weitgehend zurück. »Wir haben den Verdacht verbreitet, dass die Vergabe von Fördermitteln auf Freundschaften und gemeinsamen Urlauben von Herrn Prof. Dr.-Ing Bonhoff zu diesem Unternehmer zurückzuführen sei. An dieser Darstellung halten wir jedoch nicht weiter fest – aufgrund uns nunmehr vorliegenden Erkenntnissen«. Die nunmehr vorliegenden Erkenntnisse, das ist die eidesstattliche Versicherung von Abteilungsleiter Bonhoff, der »Beweis«, nicht mit dem Unternehmer befreundet zu sein.
Die Freundschaft mit dem Verbandschef bestreitet er nicht, wohl aber, dass er sich in die Förderung eingemischt habe. Da habe das Ministerium in der vorläufigen Prüfung nichts feststellen können.
Das Ministerium wiederum sagt, dass Bonhoff nur als Privater gegen das Handelsblatt vorgegangen sei. Unterstützung habe es keine gegeben, man habe nur auf den Rückzug des Handelsblatts hingewiesen.
Dieser wird dann von der Nachrichtenagentur dpa aufgegriffen. Der Deutschlandfunk meldet: »Das ›Handelsblatt‹ hat einen Bericht über angebliche Unregelmäßigkeiten im Verkehrsministerium bei der Vergabe von Fördermitteln für ein Wasserstoffprojekt komplett zurückgezogen« – was auch nicht ganz stimmt, doch dann ist die Nachricht in der Welt, und auch die Pressestelle des Verkehrsministeriums verschickt die Nachricht eilfertig an alle Medien, die über den Fall berichtet haben.
Seine Vorgesetzten beim Handelsblatt weisen Daniel Delhaes nach Recherchen des Business Insider daraufhin an, nicht weiter über den Fall und das Verkehrsministerium zu berichten. Und sie geben bei einer externen Kanzlei ein Gutachten in Auftrag.
Es soll klären, inwieweit Daniel Delhaes gezwungen werden kann, seine Quellen gegenüber der Chefredaktion offenzulegen.
»Ob ein Auskunftsanspruch auf die interne Offenlegung seiner Quellen im konkreten Einzelfall gegen Herrn Dr. Delhaes besteht, richtet sich nach dem Ergebnis einer Abwägung zwischen den jeweils betroffenen Grundrechtspositionen auf der Seite des Handesblattes sowie auf der Seite des Herrn Dr. Delhaes«, heißt es darin. Das Ergebnis der beauftragten Gutachters ZITAT:
»Im Einzelnen, so meinen wir, dass es gute Argumente gibt, die für einen Auskunftsanspruch sprechen«, heißt es in der Stellungnahme.
Delhaes arbeitet zu diesem Zeitpunkt seit sechzehn Jahren beim Handelsblatt. Seine Glaubwürdigkeit, das höchste journalistische Gut, scheint ruiniert.
Und so hätte diese Geschichte enden können. Doch dann kommt alles anders.
Nach vielen Monaten, an einem trüben Winterabend, an dem ich eigentlich schon nach Hause fahren wollte, finde ich plötzlich eine E-Mail in meinem Postfach. Betreff: IFG 1848, empfangen um 17 Uhr 46, an einem Freitag. Ungewöhnlich.
Es ist die Antwort auf die IFG-Anfrage aus dem Spätsommer. Darin enthalten: sämtliche Korrespondenzen zwischen dem Abteilungsleiter Bonhoff und Verbandschef Diwald.
Sie legen den Schluss nahe, dass Wissings Abteilungsleiter seinem Freund beim Lobbyverband einen großen Gefallen getan hat. Noch in der Nacht beginnen mein Kollege Gerald Traufetter, zu diesem Zeitpunkt bereits Korrespondent in Brasilien, und ich, die Dokumente auszuwerten.
Die archivierten E-Mails belegen, wie Bonhoff gleich zweimal die in vertrautem Ton abgefassten Förderanfragen seines Freundes an einen Untergebenen weiterleitete. Mehr noch: er soll sie »mündlich befürwortet haben«.
Die Affäre nahm ihren Lauf mit einer E-Mail vom 18. April 2021, einem Sonntag. Um 12.43 Uhr schreibt Diwald, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands, an seinen Freund Bonhoff. »Hallo Klaus, anbei unser Förderantrag, den ich auf den ersten Seiten exemplarisch schon mal auf den Verkehr angepasst habe.« Der Lobbyist scheint sich seiner Sache sicher zu sein. Er verweist auf frühere Förderanträge der Wasserstofflobby und darauf, wie großzügig man vom Staat finanziell ausgestattet worden war.
Von seinem Freund wünscht sich Diwald Unterstützung bei der Markteinführung von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik im Verkehr. »Wir brauchen unbedingt eine unternehmensübergreifende Kommunikationsstrategie« Diwalds Problem: die Zeit.
Schon fünf Monate später, im September 2021, würde der Bundestag neu gewählt, eine neue Regierung, ein neuer Minister – vielleicht auch ein neuer Abteilungsleiter würden dann über seinen Förderantrag entscheiden. Deshalb hat er es wohl besonders eilig. »In Anbetracht der anstehenden Wahlen wäre es sicherlich gut, wenn ein Zuwendungsbescheid noch in dieser Legislaturperiode erteilt wird«, schreibt er.
Die Kampagne solle schon im Oktober 2021 starten und bis Ende Dezember 2023 laufen. Seine E-Mail schließt er an diesem Tag mit einem vertrauten: »Viele Grüße, Werner«.
Bonhoff zögert nicht lange, sich des Anliegens seines Freundes anzunehmen. Am Abend des darauffolgenden Montags leitet er die Mail an das Referat G25 weiter, das sich mit dem Einsatz von Wasserstoff in der Mobilität befasst. »Wie besprochen – können wir analog zu BMU (Bundesumweltministerium, Anmerkung der Redaktion) Vernetzung und Kommunikation fördern? HG Klaus«, schreibt der Abteilungsleiter.
Zu Weihnachten ist es dann soweit. Ex-Verkehrsminister Andi Scheuer hält im großen Atrium des Ministeriums seine Abschiedsrede, dann übernimmt Wissing die Geschäfte. Der Verkehrsminister hält an den meisten Abteilungsleitern fest. Bonhoff darf bleiben, auch der Förderantrag von Diwald bleibt unbeschadet.
Am Abend des 16. Dezembers schreibt der Referatsleiter an seinen Chef Bonhoff und einen weiteren Vorgesetzten: »Zum Abend eine gute Nachricht. Kurz vor Kassenschluss konnte das Innovationscluster HyMobility des DWV bewilligt werden.«
Für Diwald und seinen Verband ist es ein schönes Weihnachtsgeschenk: 1,5 Millionen Euro, bezahlt vom Steuerzahler.
Selbstverständlich hat auch der SPIEGEL das Ministerium im Februar mit den Vorwürfen konfrontiert. Mehrfach gewähren wir dem Ministerium eine Verlängerung der Antwortfrist.
Dann doch eine Antwort: nichts zu beanstanden. »Die Prüfung kommt wie auch schon der Zwischenbericht zu dem Ergebnis, dass keine unzulässige Einflussnahme oder ein sonstiges Fehlverhalten des Abteilungsleiters Grundsatz im Zusammenhang mit Förderentscheidungen des BMDV festzustellen war«.
Den Abschlussbericht hat das Ministerium zu diesem Zeitpunkt schon längst fertiggestellt. Wie kann das sein? Wusste das Ministerium überhaupt von den E-Mails?
Tatsächlich, und das sollte unserem heutigen Preisträger zu denken geben, kannten weder Verkehrsminister Wissing noch sein Staatssekretär noch die vier internen Kontrolleure die E-Mails, über die der SPIEGEL berichtet hat.
Der Innenrevision lagen tausende E-Mails sowie 14 Gigabyte Datenmaterial offenbar nicht vor.
Anders als uns, dem SPIEGEL. Unsere IFG-Anfrage wurde vollständig und sorgfältig bearbeitet. Der zuständige Referatsleiter hat alles richtig gemacht und in sorgsamer Kleinarbeit alles rausgesucht, wonach wir gefragt hatten. Das, liebes Verkehrsministerium, verdient hier Anerkennung.
Denn wir alle wissen: nicht immer werden IFG-Anfragen so beantwortet.
Im Umgang mit der kritischen Öffentlichkeit, aber auch bei der Kontrolle der eigenen Abläufe hat das Verkehrsministerium versagt.
Der im Dezember fertiggestellte und nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages – warum eigentlich? – einsehbare Abschlussbericht: Durch die SPIEGEL-Recherchen im Winter wurde er auf einen Schlag wertlos.
15. Februar, wieder eine eilends einberufene Pressekonferenz im Hinterzimmer. Wissings Staatssekretär Schnorr verkündet die fristlose Entlassung von Abteilungsleiter Klaus Bonhoff.
Der Referatsleiter, der auch unsere IFG-Anfrage bearbeitet hat, wird in die Eisenbahnabteilung versetzt, im Ministerium kommt das einer Höchststrafe gleich. Selbst die Sachbearbeiterin muss ihren Arbeitsplatz wechseln.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Hausleitung ein Bauernopfer brauchte. Denn sie war es, die die Öffentlichkeit über ein halbes Jahr über das Ausmaß des Skandals im Unklaren gelassen hatte. Jetzt ist Ruhe eingekehrt. Bonhoff ist entlassen, die Wasserstoff-Förderung eingefroren und auch aufgrund knapper Kassen zusammengestrichen.
Doch was sonst noch über den Schreibtisch von Klaus Bonhoff gelaufen ist, ist bis heute unklar. Es gibt keinen neuen Abschlussbericht, kein belastbares Dokument, keine Erklärung des Ministeriums.
Was, wenn Verkehrsminister Wissing und seine Hausleitung auch in anderen Bereichen eine ähnliche Sorgfalt walten lassen? Etwa bei der Förderung von Flugtaxis? Was, wenn die Altlasten der Ära Scheuer weiter ihr Unwesen treiben?
Was bedeuten diese Zustände für die Glaubwürdigkeit eines FDP-Verkehrsministers, der zu Recht immer wieder einen sparsamen Umgang mit öffentlichem Geld anmahnt? Was heißt das für den Rückhalt für dringend benötigte Infrastrukturprojekte?
Das Ministerium scheint aus der ganzen Sache wenig gelernt haben. Eben vor ein paar Tagen berichteten die Kollegen von »Frontal über Absprachen des Ministeriums mit einem Lobbyverband für Kraftstoffe. Der Verband soll Ministertermine gegen Geld angeboten haben.
Das alles erweckt einen schlechten Eindruck. Einen Eindruck, dass einer der größten und wichtigsten Etats im Bundeshaushalt von einem Selbstbedienungsladen verwaltet wird. Das sollte uns allen zu denken geben, gerade nach der Maut-Affäre.
Das Gute daran: Die Wahrheit liegt vielleicht nur eine IFG-Anfrage und ein paar Nächte Lektüre entfernt.
Mit der Gerechtigkeit, in diesem Fall für unseren Kollegen Daniel Delhaes, ist es schwieriger. Noch immer untersagt ihm das Handelsblatt, über das Verkehrsministerium zu berichten.
Eine Rehabilitierung hat er nie erfahren. Sein Chefredakteur, Sebastian Matthes, wurde unlängst ausgezeichnet: mit dem »Wirtschaftsjournalisten des Jahres« 2023. Glückwunsch nachträglich – genauso wie an das Verkehrsministerium – für die verschlossene Auster 2024.