18. Mai 2012 – Christoph Schwennicke
Bild ging die entscheidenden fünf Meter weiter
Es ist eine sehr seltsame Debatte, die da geführt wird zur Frage, ob es per se sein kann, dass die Bild-Zeitung einen renommierten Recherchepreis bekommen darf. Die Argumente der Gegner lassen sich so zusammenfassen: Erstens darf ein Schmutzblatt wie Bild nie einen ehrwürdigen Preis bekommen, und zweitens war das keine große Rechercheleistung, sondern ein geschnorrter Scoop.
Beide Argumente sind großer Unsinn. Bild ist nicht für seine Lebensleistung ausgezeichnet worden, sondern für die Meldung über einen fragwürdigen Hauskredit von Christian Wulff. Diese Geschichte löste eine weitere Recherchelawine aus, die den Bundespräsidenten am Ende unter sich begrub.
Ja, es ist richtig, dass der Spiegel die Tür aufgestoßen hatte, durch die die Bild-Leute dann gegangen sind. Ja, der Spiegel hatte lange und akribisch recherchiert und sich und damit auch anderen auf dem Rechtswege Einsicht in die entscheidenden Unterlagen verschafft.
Aber dann hat der Spiegel aufgehört, weil ihm die Sache mit dem anonymen Kreditgeber nicht komisch vorkam. Bild aber, Blut in der Nase, setzte nach und hatte Erfolg, sprich: fand heraus, dass es sich um Geld von Herrn Geerkens, einem befreundeten Unternehmer Wulffs handelte.
Ja, der Spiegel hatte hundert Meter mühsam, zurückgelegt, die entscheidenden fünf Meter weiter aber ging Bild. Diesem Umstand die Rechercheleistung abzusprechen ist schäbig. Wenn es einem Forscher eines Tages gelingt, Krebs zu heilen, dann hat er den Nobelpreis für Medizin sofort verdient, obwohl sein Forschungsdurchbruch auf hunderten von Jahren vorangegangener Forschung und den Erkenntnissen tausender Kollegen fußt.
Und das Argument, Bild sei zu schäbig, um einen ehrwürdigen Preis fällt auf jene zurück, die es aussprechen. Übrigens sind es durch die Bank Vertreter eine Generation und einer Geistesschule, die bei Bild und Springer immer noch Schaum vorm Mund haben wie tollwütige Hunde.
Auch gegen dieses Argument, nennen wir es das Vollmer-Argument, hilft ein einfaches Gedankenspiel. Nehmen wir an, ein verurteilter Mörder kommt nach seiner Entlassung an einen Unfallort und rettet einem Schwerverletzten per Erster Hilfe das Leben. Ist er nun ein Lebensretter, oder kann er das gar nicht sein?
Die Geschichte über Wulffs Haus in Großburgwedel war der Scoop des vergangenen Jahres. Bild hat diesen Preis zwangsläufig und zu Recht bekommen. Der Preis geht nicht in erster Linie an Bild als Zeitung, sondern an die Rechercheure und Autoren dieser Geschichte. Das ist alles völlig in Ordnung so. Wäre die Geschichte in den St-Pauli-Nachrichten gestanden oder in Super Illu, dann hätten die St-Pauli-Nachrichten oder die Super Illu diesen Preis ebenso zwangsläufig bekommen müssen.
Christoph Schwennicke, 46, ist Cicero-Chefredakteur.