Afgha­ni­stan: Netz­werk Recherche unter­stützt For­de­rung nach Visa-​Not­pro­gramm

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 16. August 2021 | Lese­zeit ca. 4 Min.

Netz­werk Recherche unter­stützt den Appell deut­scher Medien, ein Visa-​Not­pro­gramm für afgha­ni­sche Mit­ar­beiter:innen deut­scher Medi­en­or­ga­ni­sa­tionen ein­zu­richten. In einem offenen Brief haben sich Reporter ohne Grenzen, der Bun­des­ver­band Digi­tal­pu­blisher und Zei­tungs­ver­leger und meh­rere Redak­tionen an Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel und Bun­des­au­ßen­mi­nister Heiko Maas gewandt:

Sehr geehrte Frau Bun­des­kanz­lerin, sehr geehrter Herr Außen­mi­nister,

dieser Brief ist ein Hil­feruf. Er ist unter­schrieben von den Ver­lagen, Redak­tionen, Sen­dern und Medi­en­häu­sern in Deutsch­land, die in den ver­gan­genen 20 Jahren maß­geb­lich die Bericht­erstat­tung aus Afgha­ni­stan getragen haben. Unsere Bericht­erstat­tung, die die deut­sche Öffent­lich­keit und Politik mit Ana­lysen, Erkennt­nissen und Ein­drü­cken aus dem Land ver­sorgt hat, war nicht denkbar ohne den Ein­satz und den Mut der afgha­ni­schen Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter, die uns vor Ort unter­stützt haben: den lokalen Jour­na­lis­tinnen, Strin­gern und Über­set­ze­rinnen. All die Jahre teilten auch sie unseren Glauben an die freie Presse als unver­zicht­bares Ele­ment einer sta­bilen, fried­li­chen, auf Aus­gleich bedachten Demo­kratie – ein Wert, den die deut­sche Regie­rung in den letzten 20 Jahren in Afgha­ni­stan stark unter­stützte.

Das Leben dieser freien Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter ist nun akut gefährdet. Der Krieg über­rollt die afgha­ni­sche Regie­rung in vielen Pro­vinzen. Selbst das Leben in Kabul ist für Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter inter­na­tio­naler Medi­en­or­ga­ni­sa­tionen extrem ris­kant geworden. Nach dem Rückzug der inter­na­tio­nalen Truppen, auch der deut­schen, wachsen die Sorgen, dass es gegen­über unseren Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­bei­tern zu Rache­akten der Taliban kommt.

Allein in den ver­gan­genen Wochen wurde der welt­be­kannte Foto­graf Danish Sid­diqui in Kan­dahar erschossen, starb eine Fern­seh­jour­na­listin in Kabul bei einem Bom­ben­an­schlag. Amda­dullah Ham­dard, der häufig für die Zeit gear­beitet hat, wurde vor seinem Haus in Jalal­abad erschossen. Dut­zende Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen wurden in den ver­gan­genen Jahren ermordet, von den Taliban, vom Isla­mi­schen Staat, von Unbe­kannten. Und fast nie hat die Regie­rung die Täter ermit­telt. Es steht zu befürchten, dass solche Morde jetzt dra­ma­tisch zunehmen werden – und viele unserer Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter sind bedroht.

Inter­na­tio­nalen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tionen zufolge gibt es welt­weit kaum ein Land, in dem Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen mitt­ler­weile so gefährdet sind wie in Afgha­ni­stan. Wir rufen Sie hiermit auf, ein Visa-​Not­pro­gramm für afgha­ni­sche Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter deut­scher Medi­en­häuser ein­zu­richten. Wir schließen uns damit Appellen bri­ti­scher und US-​ame­ri­ka­ni­scher Medien an ihre jewei­ligen Regie­rungen an.

Die deut­sche Regie­rung hat in den ver­gan­genen Jahren mehr­fach die zen­trale Rolle aner­kannt, die afgha­ni­sche Über­set­ze­rinnen und Über­setzer für die Bun­des­wehr inne­hatten, und die immense Gefahr, der sie wegen ihrer Tätig­keit aus­ge­setzt waren und sind. Aus diesem Grund hat die Bun­des­re­gie­rung für sie ein außer­or­dent­li­ches Visa-​Pro­gramm geschaffen. Ein sol­ches Pro­gramm wird nun auch für die Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter deut­scher Medi­en­häuser drin­gend benö­tigt.

Ohne diese mutigen Afgha­ninnen und Afghanen hätten die deut­sche Öffent­lich­keit und die Politik nicht über die Rah­men­be­din­gungen des 20-​jäh­rigen Bun­des­wehr­ein­satzes infor­miert werden können. Für das Enga­ge­ment der Bun­des­re­pu­blik in Afgha­ni­stan war die Arbeit dieser Men­schen ebenso unver­zichtbar wie die der Bun­des­wehr­über­set­ze­rinnen und -​über­setzer. So groß die Bedeu­tung dieser Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter ist, so über­schaubar ist ihre Zahl, die nicht mehr als wenige Dut­zend Men­schen umfasst, ein­schließ­lich ihrer Fami­lien.

Ver­gan­gene Woche hat die Biden-​Admi­nis­tra­tion nach ähn­li­chen Appellen der US-​Medien die dra­ma­tisch gestie­gene Gefahr, der Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­beiter aus­län­di­scher Medien aus­ge­setzt sind, aner­kannt und die Betrof­fenen in ihr Flücht­lings­pro­gramm für Afgha­ni­stan mit auf­ge­nommen. Die bri­ti­sche Regie­rung hat ange­deutet, dass auch sie eine ähn­liche Ent­schei­dung vor­be­reitet.

Wir sind der Über­zeu­gung: Es gilt jetzt, keine Zeit mehr zu ver­lieren. Unseren Mit­ar­bei­te­rinnen und Mit­ar­bei­tern, die das Land ver­lassen wollen, drohen Ver­fol­gung, Ver­haf­tung, Folter und der Tod. Des­halb bitten wir Sie, rasch zu han­deln.

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