Aus­lands­jour­na­lismus in der Krise

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 23. Oktober 2008 | Lese­zeit ca. 2 Min.

Netz­werk Recherche ver­öf­fent­licht Dos­sier zur Lage der Aus­lands­be­richt­erstat­tung

Wies­baden. Die Aus­lands­be­richt­erstat­tung in Deutsch­land weist erheb­liche Defi­zite auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ana­lyse des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­lers Lutz Mükke, die in der Publi­ka­ti­ons­reihe „nr-​Dos­sier“ erscheint. An etli­chen Bei­spielen aus der Medi­en­praxis werden die Mängel auf­ge­zeigt – an der Steue­rung der Kriegs­be­richt­erstat­tung durch PR-​Profis, am Umgang von Nach­rich­ten­agen­turen mit Orts­marken oder am „vir­tu­ellen Jour­na­lismus“ im Hör­funk. In dem Dos­sier kommen auf rund 25 Seiten zahl­reiche Kor­re­spon­denten, Reporter sowie Aus­lands­res­sort­leiter deut­scher Leit­me­dien zu Wort.

Das Dos­sier skiz­ziert die rasanten Ver­än­de­rungs­ten­denzen im Aus­lands­jour­na­lismus: Neue geo­po­li­ti­sche Kon­stel­la­tionen führen dem­nach zur Hin­wen­dung zu neuen Mega-​Themen wie Glo­ba­li­sie­rung oder Ter­ro­rismus. Tech­ni­sche Inno­va­tionen sorgen zudem für eine sagen­hafte Beschleu­ni­gung von Pro­duk­ti­ons­pro­zessen und zu einer stär­keren Ori­en­tie­rung am Main­stream, die den Qua­li­täts­jour­na­lismus aus der Bahn zu werfen drohen. Kor­re­spon­den­ten­netze sind an man­chen Stellen löch­riger, an anderen Stellen eng­ma­schiger geworden und bilden vor allem natio­nal­staat­liche Inter­essen ab.

Zwei Ten­denzen lassen die Aus­lands­be­richt­erstat­tung in Deutsch­land an Bedeu­tung ver­lieren: Ers­tens eine stär­kere Selbst­be­züg­lich­keit, die sich unter anderem im Bedeu­tungs­ge­winn von Inlands­be­richt­erstat­tung und in Regio­na­li­sie­rungs-​ und Loka­li­sie­rungs­ten­denzen beson­ders bei Regio­nal­me­dien aus­drückt. Zwei­tens nimmt der Deutsch­land­bezug inner­halb der Aus­lands­be­richt­erstat­tung zu. Zahl­reiche Aus­lands­jour­na­listen beklagen die zuneh­mende Brenn­punkt­be­richt­erstat­tung, die Bou­le­var­di­sie­rung des Aus­lands­jour­na­lismus und den Spagat zwi­schen der gesell­schaft­li­chen Auf­gabe und einer stärker wer­denden kom­mer­zi­ellen Aus­rich­tung an Quote und Auf­lage.

Der Autor des Dos­siers resü­miert: „Abge­sehen von wenigen pro­mi­nenten Wort­mel­dungen ver­hallt die Kritik am deut­schen Aus­lands­jour­na­lismus in der Regel. Das mag auch daran liegen, dass der Orga­ni­sa­ti­ons­grad von Aus­lands­jour­na­listen gering ist. Die ver­än­derte geo­po­li­ti­sche Groß­wet­ter­lage und die neue Posi­tion Deutsch­lands nach dem Ende des Kalten Krieges machen eine Debatte über Aus­lands­jour­na­lismus jedoch drin­gend not­wendig.“ Der Jour­na­lismus müsse die außen­po­li­ti­schen Ver­än­de­rungen kri­tisch und kom­pe­tent begleiten. „Medi­en­un­ter­nehmen sollten sowohl Res­sourcen als auch Know-​how bereit­stellen und Macht­kon­trolle in Form von Hin­ter­grund-​ und Recher­che­jour­na­lismus im Aus­land stärker för­dern“, sagt Lutz Mükke, der als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaftler an der Uni­ver­sität Leipzig arbeitet. In zwölf Thesen und Emp­feh­lungen fasst er seine Ergeb­nisse zusammen.

Zum Dos­sier „Was wissen wir noch vom Welt­ge­schehen?“.

Die Publi­ka­ti­ons­reihe „nr-​Dos­sier“ hat das Ziel, jour­na­lis­ti­sche und medi­en­po­li­ti­sche Fragen ver­tieft zu behan­deln und stich­hal­tige Argu­mente zu lie­fern. Sie ergänzt die regel­mä­ßigen Ver­öf­fent­li­chungen von Netz­werk Recherche e.V. – die „Werk­statt“-​Bro­schüren, die nr-​Stu­dien und die Publi­ka­ti­ons­reihe im LIT­Verlag (Münster) mit rele­vanten Dis­ser­ta­tionen und Diplom­ar­beiten.

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