Bun­des­be­hörden halten an Geheim­nis­krä­merei fest

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 8. März 2002 | Lese­zeit ca. 3 Min.

Drei Jour­na­listen-​Orga­ni­sa­tionen – das Netz­werk Recherche, der Deut­sche Jour­na­listen-​ Ver­band (DJV) und die Deut­sche Jour­na­listen Union (DJU) in ver.di – for­dern in einer gemein­samen Erklä­rung die par­la­men­ta­ri­sche Durch­set­zung des immer wieder ver­schleppten Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz. Die Vor­sit­zenden der drei Orga­ni­sa­tionen for­dern Innen­mi­nister Schily auf seine Blo­ckade des Gesetzes auf­zu­geben.

Bun­des­be­hörden halten an Geheim­nis­krä­merei fest

Jour­na­lis­ten­or­ga­ni­sa­tionen for­dern Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz Innen­mi­nister Otto Schily soll die Blo­ckade des Gesetzes auf­geben
Ein wich­tiges Reform­pro­jekt der Bun­des­re­gie­rung droht zu schei­tern: Die im Koali­ti­ons­ver­trag ange­kün­digte Ein­füh­rung eines Akten­ein­sichts­rechts für alle Bürger kommt nicht voran. Zwar hat das Innen­mi­nis­te­rium im Sommer vorigen Jahres eine Vor­lage ins Internet gestellt, die als „Dis­kus­si­ons­ent­wurf“ bezeichnet wird. Danach soll jeder das Recht erhalten, Unter­lagen von Bun­des­be­hörden ein­zu­sehen oder Infor­ma­tionen aus den Behör­den­akten anzu­for­dern, soweit dem keine beson­deren Geheim­hal­tungs­gründe ent­gegen stehen. Doch obwohl die Vor­lage des Innen­mi­nis­te­riums für ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz erheb­liche Mängel beim Umfang des Akten­zu­gangs, bei den Bear­bei­tungs­fristen und bei der Gebüh­ren­re­ge­lung auf­weist, geht sie offenbar einigen Minis­te­rien immer noch zu weit. Weil Beamte mauern, kommt die Res­sort­ab­stim­mung, die einem Regie­rungs­ent­wurf vor­aus­geht, nicht vom Fleck. Ob das Akten­ein­sichts­recht noch in dieser Legis­la­tur­pe­riode ver­ab­schiedet wird, ist des­halb frag­lich geworden.

Als Jour­na­lis­ten­ver­bände sehen wir die Gefahr, dass Deutsch­land bei der Infor­ma­ti­ons­frei­heit end­gültig zum Schluss­licht in Europa wird. Fast alle west­li­chen Indus­trie­staaten haben ihren Bür­gern bereits Akten­ein­sichts­rechte garan­tiert, wäh­rend in Deutsch­land noch das alte obrig­keits­staat­liche Prinzip der „Amts­ver­schwie­gen­heit“ herrscht. Dabei liegen posi­tive Erfah­rungen nicht nur aus dem Aus­land vor, son­dern auch aus den Bun­des­län­dern Bran­den­burg, Schleswig-​ Hol­stein und Berlin, die bereits eigene Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setze ein­ge­führt haben. Seit Januar 2002 gilt die Behör­den­trans­pa­renz auch in Nord­rhein-​West­falen.

Das Akten­ein­sichts­recht ist Aus­druck eines modernen demo­kra­ti­schen Staates, der seinen Bür­gern alle Mög­lich­keiten zur Infor­ma­tion und damit auch zur poli­ti­schen Mit­ge­stal­tung eröffnet. Aus jour­na­lis­ti­scher Sicht ist das Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz wichtig, weil es das Geheim­hal­tungs­prinzip bei Ver­wal­tungs­vor­gängen von der Regel zur begrün­dungs­be­dürf­tigen Aus­nahme macht und damit zu einem gene­rellen Klima der Offen­heit bei­trägt. Diese Umkeh­rung ist über­fällig, weil Jour­na­listen immer wieder in der Recherche behin­dert werden, da Behör­den­ver­treter abblo­cken. Ein Recht auf Ein­sicht in Ori­gi­nal­akten, das über den bestehenden jour­na­lis­ti­schen Aus­kunfts­an­spruch nach den Lan­des­pres­se­ge­setzen hin­aus­geht, wäre des­halb ein wich­tiges poli­ti­sches Signal.

Auch die Ver­wal­tung selbst kann von mehr Trans­pa­renz und Bür­ger­nähe pro­fi­tieren, denn das Recht auf Akten­ein­sicht beugt der Vet­tern­wirt­schaft und der Kor­rup­tion vor. Letzt­lich unter­stützt die Infor­ma­ti­ons­frei­heit die Moder­ni­sie­rung und Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung der Ver­wal­tung, denn nur effi­zient geführte Ämter sind in der Lage, die gewünschten Daten schnell her­aus­zu­geben. Befürch­tungen, die Behörden könnten durch eine Antrags­flut über­lastet werden, haben sich übri­gens in Schleswig-​ Hol­stein, Bran­den­burg und Berlin als voll­kommen unbe­rech­tigt erwiesen.

Vor diesem Hin­ter­grund for­dern wir die Bun­des­re­gie­rung auf, bei der Infor­ma­ti­ons­frei­heit end­lich den Anschluss an den euro­päi­schen Stan­dard wieder her­zu­stellen und das ins Sto­cken gera­tene Geset­zes­vor­haben zügig vor­an­zu­bringen.

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