„Das ist wie schreiben lernen“
Vier Fragen an… Brigitte Alfter
1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Das Problem ist, die relevanten Daten aus den Behörden rauszuholen. Der Traum im Moment ist es, dass Datenjournalismus alles Mögliche lösen kann. Aber ich sehe Datenjournalismus als eine von mehreren Methoden. Wir dürfen uns nicht blenden lassen und denken, dass in den Daten alles drin steckt. Wir müssen eine ganze Menge andere Recherchen betreiben. Daten sind der Ausgangspunkt für eine bestimmte Story und nicht die Lösung.
2. Wo könnten Datenjournalisten mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten?
Wissenschaftler und Datenjournalisten haben ein gemeinsames Faible für große Datensätze. Die Art, wie wir damit umgehen, ist verschieden: Journalisten müssen analysieren und dann kritische Fragen stellen und alle Spieler miteinbeziehen, während die Wissenschaftler ganz gründlich analysieren. Im Prinzip kann man sagen, dass sich beide Parteien ergänzen. Auch wenn wir an denselben Datensätzen arbeiten, sind wir keine Konkurrenten.
3. Wie sollte man den Datenjournalismus in Deutschland fördern?
In manchen Redaktionen ist der Datenjournalismus schon eingearbeitet, in manchen noch nicht. Ich denke, in der Ausbildung müssen wir dafür sorgen, dass alle jungen Journalisten Datenjournalismus-Kenntnisse haben. Wir würden ja auch nicht Journalismus unterrichten und dabei nie über Interviewtechnik reden. Genau so dürfen wir von jetzt an keine Journalistenausbildung mehr anbieten, ohne Datenjournalismus standardmäßig fest zu integrieren. Junge Journalisten müssen einfach die Recherchemethoden kennen und Datenjournalismus ist eine davon. Das muss man einfach können. Das ist wie schreiben lernen.
4. Wo sind die Grenzen des Datenjournalismus vor dem Hintergrund jüngster Datenschutzdebatten?
Ich arbeite europäisch und da sehe ich ganz große Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Im Norden kann man Sachen veröffentlichen, die hier hoch peinlich wären. In Norwegen ist es zum Beispiel Standard, dass man nachgucken kann, wie viel Geld der Nachbar verdient. In Deutschland ist das ein großes Tabu. Wir müssen aber dafür sorgen, dass zwischen den einzelnen Ländern eine Balance gefunden wird: Zwischen dem, was wichtig ist für die Öffentlichkeit, und Dingen, die die Menschen peinlich berühren. Hier müssen wir laufend diskutieren. Wenn wir diese Balance nämlich nicht finden, dann wird von allen Seiten zugemacht. Dann würden unsere Leser und deren Unterstützung komplett wegfallen. Das dürfen wir nicht riskieren.