Medienfreiheit als Voraussetzung für Demokratieentwicklung?

Vortrag von Prof. Dr. Gesine Schwan anlässlich der netzwerk-recherche- und n-ost-Konferenz am 15. Juni 2007 in Hamburg.

I. Einleitung

Vor einigen Wochen teilte ich mit einigen Journalisten eine Taxi-Fahrt vom Flughafen zu einer Konferenz. Ihr lebhaftes Gespräch – sie waren alle in sog. kritischen Medien tätig – drehte sich durchweg um Quoten und Aufmacher. Dabei ging es durchaus differenziert um ästhetische Fragen und um den Zusammenhang zwischen Aufmacher und Quote – und je höher sie war, desto mehr leuchteten die Augen und desto mehr wuchs der kollegiale Respekt. Das Gespräch wirkte sehr professionell, und man bezog sich auf einen breiten Fächer empirischer Veranschaulichungen. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Priorität der Quote und der demokratischen Verantwortung der Medien stellten sich die Journalisten nicht, sie hätte auch in diesem Zusammenhang ziemlich deplatziert gewirkt – zu grundsätzlich, abstrakt, theoretisch abgehoben. Die Diskrepanz zwischen dem, was diese ganz und gar sympathischen Journalisten offensichtlich vorrangig bewegte und was mich selbst umtrieb, die Diskrepanz nämlich zwischen den Bedingungen des täglichen Erfolgs, der zum individuell-professionellen wie zum institutionellen Überleben der Medien notwendig ist, und dem, was ich als die zentrale und überaus wichtige Verantwortung der Medien in der Demokratie halte, beschäftigt mich nicht erst seit dieser Flughafenfahrt.

Denn kein Mensch würde bestreiten, dass die Medien in der Demokratie eine überaus wichtige Rolle spielen. Aber können sie sich darum angesichts der harten Konkurrenz auf dem Markt überhaupt noch kümmern? Müssen sie nicht in erster Linie eben auf jene Quoten und Absatzzahlen achten, um sich zu behaupten? Sind dazu nicht alle Mittel, die wir im Kampf der Medien beobachten, erforderlich? Kann man infolgedessen die Kluft zwischen der allgemein akzeptierten Grundannahme ihrer demokratischen Verantwortung und den Bedingungen des Geschäfts überhaupt noch überwinden? Oder sollten wir das schöne demokratische Postulat einfach beiseite legen und uns statt dessen auf die insbesondere ökonomisch erfolgreiche Bewältigung des Medienalltags konzentrieren?

Jedenfalls geht das nicht, wenn man danach fragt, ob Medienfreiheit als Voraussetzung von Demokratieentwicklung zu begreifen ist – und dies im Kontext der Erfahrungen in den sog. Transformationsländern Mittelosteuropas. Diese Frage aber habe ich als thematische Aufgabe aufgetragen bekommen. Ich will versuchen, sie zu beantworten, indem ich zunächst den normativen demokratietheoretischen Maßstab zeichne, anhand dessen ich argumentieren möchte. In einem nächsten Schritt skizziere ich die wesentlichen Gefahren, gegen die sich Demokratie fördernde Medien behaupten müssen, um schließlich mit einigen Schlussfolgerungen zu enden.

II. Demokratietheoretische Überlegungen

Die moderne Demokratie entstand – auf der Grundlage eines vorher entwickelten Rechtsstaates – nicht als direkte Demokratie, sondern bedurfte seit dem 19. und erst recht im 20. Jahrhundert der Vermittlung durch Medien, die für eine breitere Öffentlichkeit Informationen und Diskussionen von politischen Vorstellungen und Parteien aufbereiteten und verbreiteten. Das hat einen technisch-erkenntnistheoretischen und einen demokratietheoretischen Aspekt.

Der technische liegt in der Notwendigkeit, Kommunikation auch zwischen den Bürgern herzustellen, die sich nicht direkt miteinander austauschen können. Vermittlung ist also aus rein praktisch-empirischen Gründen notwendig. Solche Vermittlung ist aber nicht als neutral-transparente Übergabe denkbar, sondern wirkt notwendig auf den Inhalt und die Art der Kommunikation ein. Denn genauso wie es keine Erkenntnis als sog. objektive Wiedergabe einer sog. objektiven Wirklichkeit gibt – die Lenin’sche Widerspiegelungstheorie, die verbal immer noch in manchen Köpfen spukt, gehörte zu den erkenntnistheoretisch vielleicht naiven, aber jedenfalls philosophisch unhaltbaren Elementen eines totalitären Kommunismus -, genauso gibt es keine „objektive“ Kommunikation, Mitteilung, Weitergabe von Nachrichten oder Meinungen. Eine Auswahl aus der prinzipiell unendlichen Zahl von Nachrichten und eine damit einhergehende Perspektivität mit wertenden Implikationen über ihre Wichtigkeit bzw. Bedeutung ist unvermeidbar.

Dieses Dilemma kann in einer modernen pluralistischen Demokratie, die nicht nur faktisch eine Vielfalt von Interessen enthält, sondern sie auch als legitim akzeptiert, nicht prinzipiell überwunden, sondern nur demokratiekonform gestaltet werden. Die Grundmaxime dafür liegt in der Forderung, das Spektrum der Interessen breit zu halten, ihr Gewicht vor Einseitigkeit zu schützen und den Raum für eine kontroverse Diskussion zu sichern. Sie bietet die Chance, die einzelnen Interessen und Prioritäten mit Kriterien des Gemeinwohls zu vergleichen, etwa gemäß dem Habermas’schen Kriterium der Verallgemeinerbarkeit der Interessen, und damit zugleich argumentativ die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten und gewollten bzw. ungewollten Folgen und Implikation möglicher Entscheidungen auszuloten, was der Solidität und der Gemeinwohlorientierung der Entscheidung zugute kommen soll. Damit führt bereits der technische Aspekt der Vermittlungsaufgabe von Medien zum zweiten demokratietheoretischen, d.h. zur demokratischen Verantwortung der Medien.

Denn wenn Demokratie die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger an der Politik bedeutet und Politik im wesentlichen die Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen – oder auch Nicht-Entscheidungen bzw. Blockaden – in Bezug auf Angelegenheiten meint, die kontrovers beurteilt werden und alle Bürger betreffen und binden, dann haben gemeinwohlorientierte Ziele nur eine Chance, wenn sich die Bürger darüber verständigen, wenn sie möglichst erschöpfend darüber argumentieren und die Implikationen von Entscheidungen offen legen können. Öffentlichkeit wurde so Jahrzehnte lang demokratietheoretisch als eine Art Filter angesehen, der partikularistische oder willkürliche Politik herauszufinden hilft und das demokratische Gemeinwohl befördert. Immanuel Kant hat es ganz im gleichen Sinne als eine Art Test für die Gerechtigkeit von Entscheidungen bezeichnet, wenn sie zu ihrer Verwirklichung der Öffentlichkeit bedürfen, wozu gehört, dass die Öffentlichkeit dem zustimmen und eine gerechte Interessenabwägung durchführen kann. Wenn man dagegen im Dunkeln munkelt, bleibt die Gerechtigkeit leicht auf der Strecke.

Damit ist zugleich gesagt, dass Demokratie, wie ich sie hier verstehe, nicht einfach ein wertmäßig neutrales Entscheidungsverfahren meint. Vielmehr begreife ich sie als eine normativ gestaltete politische Verfassung und Lebensform. Entsprechend ihrer ideengeschichtlichen wie grundgesetzlichen Bestimmung dient sie dem Ziel, die gleiche Würde aller Menschen im Sinne ihres gleichen Rechts und ihrer gleichen Pflicht zur Freiheit, d.h. zur selbstbestimmten und verantworteten Lebensführung und solidarischen Teilhabe am Gemeinwesen, zu verwirklichen. Zu ihrer Realisierung und Festigung braucht es nicht nur Gesetze und organisierte Institutionen, sondern auch eine politische Kultur, die die die angemessene Handhabung der Institutionen unterstützt. Wir kennen die Maxime, dass Gesetze ihrem Geiste und Buchstaben gemäß angewendet werden sollen. Wir wissen auch, dass man sie immer missbrauchen oder pervertieren kann, weil sich die Wirklichkeit, auf die sie angewendet werden sollen, in kein Gesetz ganz einfangen lässt. In Bezug auf die Gerechtigkeit hat Aristoteles deswegen in seiner berühmten Nikomachischen Ethik am Ende seiner Ausführungen zur Gerechtigkeit das „Gütige“ als ihren Gipfel gerühmt. Es besteht darin, auf ein eigenes Recht zu verzichten, wenn seine Einforderung eine größere Ungerechtigkeit nach sich ziehen würde. Das Gütige als Grundhaltung brauchen wir, so Aristoteles, in einem freiheitlichen Gemeinwesen, weil sich die Gerechtigkeit nie ganz in eine Gesetzesregelung umsetzen lässt.

Wenn Demokratie also auf kulturelle Unterstützung angewiesen ist, dann betrifft das einerseits die Grundhaltung der Bürger. Autoritäre Persönlichkeiten, die ihr individuelles Urteilsvermögen unbefragten Autoritäten unterordnen, die ihren Mitbürgern eher misstrauisch begegnen und nicht leicht mit ihnen kooperieren, die also – das gehört ins Bild – weder Fremd- noch Selbstvertrauen und infolgedessen auch keine Zukunftszuversicht aufbringen, Bürger, die ungeniert ihre partikularen Interessen verfechten, ihre Macht ausnutzen und sich um Fairness nicht scheren, Menschen, die sich abgewöhnt haben, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden oder die die Lüge für ein vertretbares Mittel halten, Gegner auszuschalten – können eine Demokratie nicht aufbauen oder bewahren. Sie zerstören dass Grundvertrauen, das Menschen sowohl für die mutige Gestaltung ihres privaten Lebens als auch für das Gelingen eines freiheitlichen Gemeinwesens, das eben grundsätzlich auf freiwilligen Gehorsam und freiwillige Kooperation baut, brauchen. Vertrauen ist die kulturelle Nahrung, ohne die eine Demokratie verkümmert, ohne die sich die Bürger und Interessengruppen gegenseitig im Wege stehen und blockieren, anstatt die Kraft zur Gemeinsamkeit aufzubringen und etwas zu ihrem gemeinsamen Wohl aufzubauen.

Diese Grundhaltung ihrerseits wird aber – und dies ist das zweite – nicht gedeihen -, wenn die Medien ihr zuwiderhandeln, anstatt sie ihrerseits zu fördern. Wenn Bürger einseitig informiert werden, dann fördert dies Misstrauen, weil es der Komplexität der Wirklichkeit und der gesellschaftlichen Wahrnehmungen, Ansprüche und Interessen nicht gerecht wird. Wenn Medien jenseits der oben kurz skizzierten grundsätzlich-philosophischen Schwierigkeit, angemessen, d.h. in pluralistischer Breite zu kommunizieren, einer ganz anderen Logik folgen, wenn sie um ihres Überleben willen vor allem auf Gewinn aus sein müssen und deswegen verzerrende Kampagnen betreiben, anstatt aufzuklären, dann werden sie ihrer demokratischen Grundverantwortung, an einer gemeinwohlorientierten Öffentlichkeit mitzuarbeiten und damit das gesellschaftliche Vertrauen, das die Demokratie braucht, mitzuschaffen, nicht gerecht. Den zentralen Begriff „Medienfreiheit“ in meinem Thema verstehe ich also nicht als individuell beliebige Willkür, als unbegrenzte „Freiheit von“, sondern als konstitutionell demokratisch geordneten Raum, der Medien vor Willkür und Machtmissbrauch schützt und sie zugleich ihrerseits in ihrer „Freiheit für“ angemessenes Handeln zu dessen Schutz verpflichtet. Welchen Gefahren ist die Medienfreiheit, insbesondere in den Transformationsländern ausgesetzt und wie kann sie zur Demokratieentwicklung in ihnen beitragen?
Die moderne Demokratie entstand – auf der Grundlage eines vorher entwickelten Rechtsstaates – nicht als direkte Demokratie, sondern bedurfte seit dem 19. und erst recht im 20. Jahrhundert der Vermittlung durch Medien, die für eine breitere Öffentlichkeit Informationen und Diskussionen von politischen Vorstellungen und Parteien aufbereiteten und verbreiteten. Das hat einen technisch-erkenntnistheoretischen und einen demokratietheoretischen Aspekt.

Der technische liegt in der Notwendigkeit, Kommunikation auch zwischen den Bürgern herzustellen, die sich nicht direkt miteinander austauschen können. Vermittlung ist also aus rein praktisch-empirischen Gründen notwendig. Solche Vermittlung ist aber nicht als neutral-transparente Übergabe denkbar, sondern wirkt notwendig auf den Inhalt und die Art der Kommunikation ein. Denn genauso wie es keine Erkenntnis als sog. objektive Wiedergabe einer sog. objektiven Wirklichkeit gibt – die Lenin’sche Widerspiegelungstheorie, die verbal immer noch in manchen Köpfen spukt, gehörte zu den erkenntnistheoretisch vielleicht naiven, aber jedenfalls philosophisch unhaltbaren Elementen eines totalitären Kommunismus -, genauso gibt es keine „objektive“ Kommunikation, Mitteilung, Weitergabe von Nachrichten oder Meinungen. Eine Auswahl aus der prinzipiell unendlichen Zahl von Nachrichten und eine damit einhergehende Perspektivität mit wertenden Implikationen über ihre Wichtigkeit bzw. Bedeutung ist unvermeidbar.

Dieses Dilemma kann in einer modernen pluralistischen Demokratie, die nicht nur faktisch eine Vielfalt von Interessen enthält, sondern sie auch als legitim akzeptiert, nicht prinzipiell überwunden, sondern nur demokratiekonform gestaltet werden. Die Grundmaxime dafür liegt in der Forderung, das Spektrum der Interessen breit zu halten, ihr Gewicht vor Einseitigkeit zu schützen und den Raum für eine kontroverse Diskussion zu sichern. Sie bietet die Chance, die einzelnen Interessen und Prioritäten mit Kriterien des Gemeinwohls zu vergleichen, etwa gemäß dem Habermas’schen Kriterium der Verallgemeinerbarkeit der Interessen, und damit zugleich argumentativ die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten und gewollten bzw. ungewollten Folgen und Implikation möglicher Entscheidungen auszuloten, was der Solidität und der Gemeinwohlorientierung der Entscheidung zugute kommen soll. Damit führt bereits der technische Aspekt der Vermittlungsaufgabe von Medien zum zweiten demokratietheoretischen, d.h. zur demokratischen Verantwortung der Medien.

Denn wenn Demokratie die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger an der Politik bedeutet und Politik im wesentlichen die Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen – oder auch Nicht-Entscheidungen bzw. Blockaden – in Bezug auf Angelegenheiten meint, die kontrovers beurteilt werden und alle Bürger betreffen und binden, dann haben gemeinwohlorientierte Ziele nur eine Chance, wenn sich die Bürger darüber verständigen, wenn sie möglichst erschöpfend darüber argumentieren und die Implikationen von Entscheidungen offen legen können. Öffentlichkeit wurde so Jahrzehnte lang demokratietheoretisch als eine Art Filter angesehen, der partikularistische oder willkürliche Politik herauszufinden hilft und das demokratische Gemeinwohl befördert. Immanuel Kant hat es ganz im gleichen Sinne als eine Art Test für die Gerechtigkeit von Entscheidungen bezeichnet, wenn sie zu ihrer Verwirklichung der Öffentlichkeit bedürfen, wozu gehört, dass die Öffentlichkeit dem zustimmen und eine gerechte Interessenabwägung durchführen kann. Wenn man dagegen im Dunkeln munkelt, bleibt die Gerechtigkeit leicht auf der Strecke.

Damit ist zugleich gesagt, dass Demokratie, wie ich sie hier verstehe, nicht einfach ein wertmäßig neutrales Entscheidungsverfahren meint. Vielmehr begreife ich sie als eine normativ gestaltete politische Verfassung und Lebensform. Entsprechend ihrer ideengeschichtlichen wie grundgesetzlichen Bestimmung dient sie dem Ziel, die gleiche Würde aller Menschen im Sinne ihres gleichen Rechts und ihrer gleichen Pflicht zur Freiheit, d.h. zur selbstbestimmten und verantworteten Lebensführung und solidarischen Teilhabe am Gemeinwesen, zu verwirklichen. Zu ihrer Realisierung und Festigung braucht es nicht nur Gesetze und organisierte Institutionen, sondern auch eine politische Kultur, die die die angemessene Handhabung der Institutionen unterstützt. Wir kennen die Maxime, dass Gesetze ihrem Geiste und Buchstaben gemäß angewendet werden sollen. Wir wissen auch, dass man sie immer missbrauchen oder pervertieren kann, weil sich die Wirklichkeit, auf die sie angewendet werden sollen, in kein Gesetz ganz einfangen lässt. In Bezug auf die Gerechtigkeit hat Aristoteles deswegen in seiner berühmten Nikomachischen Ethik am Ende seiner Ausführungen zur Gerechtigkeit das „Gütige“ als ihren Gipfel gerühmt. Es besteht darin, auf ein eigenes Recht zu verzichten, wenn seine Einforderung eine größere Ungerechtigkeit nach sich ziehen würde. Das Gütige als Grundhaltung brauchen wir, so Aristoteles, in einem freiheitlichen Gemeinwesen, weil sich die Gerechtigkeit nie ganz in eine Gesetzesregelung umsetzen lässt.

Wenn Demokratie also auf kulturelle Unterstützung angewiesen ist, dann betrifft das einerseits die Grundhaltung der Bürger. Autoritäre Persönlichkeiten, die ihr individuelles Urteilsvermögen unbefragten Autoritäten unterordnen, die ihren Mitbürgern eher misstrauisch begegnen und nicht leicht mit ihnen kooperieren, die also – das gehört ins Bild – weder Fremd- noch Selbstvertrauen und infolgedessen auch keine Zukunftszuversicht aufbringen, Bürger, die ungeniert ihre partikularen Interessen verfechten, ihre Macht ausnutzen und sich um Fairness nicht scheren, Menschen, die sich abgewöhnt haben, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden oder die die Lüge für ein vertretbares Mittel halten, Gegner auszuschalten – können eine Demokratie nicht aufbauen oder bewahren. Sie zerstören dass Grundvertrauen, das Menschen sowohl für die mutige Gestaltung ihres privaten Lebens als auch für das Gelingen eines freiheitlichen Gemeinwesens, das eben grundsätzlich auf freiwilligen Gehorsam und freiwillige Kooperation baut, brauchen. Vertrauen ist die kulturelle Nahrung, ohne die eine Demokratie verkümmert, ohne die sich die Bürger und Interessengruppen gegenseitig im Wege stehen und blockieren, anstatt die Kraft zur Gemeinsamkeit aufzubringen und etwas zu ihrem gemeinsamen Wohl aufzubauen.

Diese Grundhaltung ihrerseits wird aber – und dies ist das zweite – nicht gedeihen -, wenn die Medien ihr zuwiderhandeln, anstatt sie ihrerseits zu fördern. Wenn Bürger einseitig informiert werden, dann fördert dies Misstrauen, weil es der Komplexität der Wirklichkeit und der gesellschaftlichen Wahrnehmungen, Ansprüche und Interessen nicht gerecht wird. Wenn Medien jenseits der oben kurz skizzierten grundsätzlich-philosophischen Schwierigkeit, angemessen, d.h. in pluralistischer Breite zu kommunizieren, einer ganz anderen Logik folgen, wenn sie um ihres Überleben willen vor allem auf Gewinn aus sein müssen und deswegen verzerrende Kampagnen betreiben, anstatt aufzuklären, dann werden sie ihrer demokratischen Grundverantwortung, an einer gemeinwohlorientierten Öffentlichkeit mitzuarbeiten und damit das gesellschaftliche Vertrauen, das die Demokratie braucht, mitzuschaffen, nicht gerecht. Den zentralen Begriff „Medienfreiheit“ in meinem Thema verstehe ich also nicht als individuell beliebige Willkür, als unbegrenzte „Freiheit von“, sondern als konstitutionell demokratisch geordneten Raum, der Medien vor Willkür und Machtmissbrauch schützt und sie zugleich ihrerseits in ihrer „Freiheit für“ angemessenes Handeln zu dessen Schutz verpflichtet. Welchen Gefahren ist die Medienfreiheit, insbesondere in den Transformationsländern ausgesetzt und wie kann sie zur Demokratieentwicklung in ihnen beitragen?
III. Institutionelle und kulturelle Gefahren für die Medienfreiheit

Als erstes liegt die Gefahr jeglicher politischer Machtkonzentration auf der Hand. Die traditionell bekannte in Diktaturen – gar totalitären Diktaturen – muss ich wahrscheinlich nicht näher beschreiben. Es ist klar, dass das ursprünglich marxistische Argument, die Macht des „Kapitals“ durch die geballte politische Macht des Volkes bzw. seiner Avantgarde zugunsten der wahren Volksherrschaft zu ersetzen, nicht diese letztere, sondern selbsternannte Eliten gegen das Volk privilegiert hat. Diese Gefahr institutionell, auf dem Wege von Verfassungs- und Gesetzesänderungen zu überwinden, gehörte in allen Transformationsländern zu den vorrangigen Aufgaben.

Freilich stand sie vor einer besonders komplexen Herausforderung: die alten Institutionen mit ihren Kadern und kulturellen Gewohnheiten zu überwinden und zugleich den neuen Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration und der Verabsolutierung kapitalistischen Profitlogik zu wehren. Das Ganze unter Bedingungen eines neuen heftigen Schubs ökonomischer Globalisierung, die durch nationalstaatliche Gesetze kaum zu beeinflussen ist und die den Transformationsländern mehrheitlich ausländische Medieneigentümer beschert hat, mit komplizierten Folgen für das gerade gewonnene Selbstbestimmungsrecht der vom Kommunismus befreiten Gesellschaften. Dabei zeigt sich, dass „Freiheit von“ leichter zu bewerkstelligen ist als „Freiheit für“.

Wo liegen die gefährlichen Folgen der wirtschaftlichen Machtkonzentration und der Verabsolutierung kapitalistischer Gewinnlogik? Aus den öffentlichen Diskussionen der etablierten Demokratien sind sie bekannt, wenn auch in der letzten Zeit m.E. nicht genügend prägnant erörtert. Das Problem liegt wohl weniger im Einfluss der Eigentümer auf die Journalisten als im Zwang des Wettbewerbs, so preisgünstig wie möglich zu produzieren und so erfolgreich wie möglich die Medienprodukte abzusetzen. Die Einsparung von Personal, von fest angestellten Journalisten hat schon seit längerem zu einem klar erkennbaren Qualitätsverlust in Recherche und Analyse geführt. Wenn nicht genügend Zeit und kompetente Personen zur Verfügung stehen, solide informiert und analytisch reflektiert über Sachverhalte und Zusammenhänge zu berichten und sie zu kommentieren, wenn darüber hinaus – auch aus Gründen der Kostenersparnis – die inhaltlich selben Produkte in verschiedener Aufmachung erscheinen, dann leiden darunter die Gründlichkeit der Recherche und die Vielfalt der Aspekte und Argumente, die eine demokratische Öffentlichkeit und mit ihr die handelnden Politikerinnen und Politiker brauchen, um solide und vertrauenerweckende Entscheidungen zu fällen bzw. kritisch zu rezipieren.

Darüber hinaus wächst die Versuchung zur Skandalisierung, um die Auflagenhöhe zu steigern, und zur Banalisierung, um den Stoff mundgerecht zu servieren. Hier glaube ich übrigens, dass die Gesellschaft auch in ihren sehr unterschiedlichen Schichten bereiter ist als generell angenommen wird, komplizierte Sachverhalte zu verstehen, wenn sie Vertrauen in Personen und Institutionen gefasst hat, die dies zu vermitteln suchen.

Mit Skandalisierung und Banalisierung entsteht eine Verzerrung von Wirklichkeit, die über die unausweichliche Perspektivität weit hinaus geht, eine Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge scheinbar (nicht wirklich!) überflüssig macht und das Vertrauen nicht nur zwischen Politik und Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Gesellschaft beschädigt, ja zerstört, weil mit dem Verlust der Wahrheitsbindung auch die Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt.

Die Verabsolutierung der Markt- und Wettbewerbslogik unterminiert auch die zur Demokratie erforderliche Verantwortung der Menschen als politischer Bürger, als „Citoyens“ im Unterschied zum „Bourgeois“, weil sie als Konsumenten, nicht als mitverantwortliche Akteure angesprochen werden. Sie können dann bequem im Sessel sitzen und sich den Mund über all die Torheit, die Gewinnsucht, die Lächerlichkeit der handelnden Politik zerfetzen, ohne sich der Verpflichtung zu unterziehen, sich an deren Stelle zu setzen, was heißt: unter Bedingungen der unvermeidlichen Ungewissheit in der Sache und des vielfachen Interessendrucks zu entscheiden, und ohne die Verpflichtung, sich für konstruktive Alternativen verantwortlich zu fühlen.

Damit sind wir schon bei den kulturellen Folgen der institutionellen Markt- und Gewinnlogik. Hier sind Hindernisse auf Seiten der Journalisten zu nennen. Ein völlig verständlicher Ehrgeiz, in dieser Logik zu bestehen, bekräftigt den Wunsch, im Wettbewerb aufzufallen, Punkte zu machen, von anderen zitiert zu werden, auch wenn dies zu Unsachlichkeit und einer Verzerrung führt, die an Lüge grenzt. Denn der Zusammenhang, in den Fakten gebracht werden (die ihrerseits natürlich stimmen müssen), konstituiert deren jeweilige Wahrheit, die nicht absolut zu erreichen, aber durchaus absolut zu verfehlen ist, wenn man z.B. erkennbare Gegenargumente oder widersprechende andere Fakten verschweigt. Und wenn man sich, z. B unter Zeitdruck, nicht an die Verpflichtung hält, Behauptungen anhand unabhängiger alternativer Quellen zu prüfen.

Angesichts eines Wettbewerbs, der einen Kampf aller gegen alle nahe legt und damit aus wirtschaftlichen Gründen eine Situation wie in Hobbes’ politischer Welt der Wölfe herauf führt, reagieren viele Journalisten ausgesprochen allergisch, wenn man sie ihrerseits kritisiert, begreifen sie sich doch als Wächter der Öffentlichkeit, deren Autorität und Unparteilichkeit außer Frage steht. Die Medien dürfen, sollen, müssen die Politik nicht nur kritisieren – was ja im genauen Wortsinn „sondern“ heißt, also unterscheiden, zwischen gut und schlecht, falsch und richtig etc. und was der Demokratie völlig angemessen wäre. Sie dürfen sie auch vielfach höhnend oder ironisch-überlegen attackieren, aber wehe, die Politik zahlt mit gleicher Münze heim! Dagegen hält die Zunft dann oft wie Pech und Schwefel zusammen, ohne zu begreifen, dass sie der Wahrheit und den ethischen Geboten der Demokratie genauso zu dienen hat wie die Politik. Blind machender Ehrgeiz, Korrumpierbarkeit, Trägheit und mangelnde Moral sind kein Privileg der Politik, sondern Verführungen, denen wir alle ausgesetzt sind und gegen die nur gegenseitige Korrektur und Kritikoffenheit hilft.

Als erstes liegt die Gefahr jeglicher politischer Machtkonzentration auf der Hand. Die traditionell bekannte in Diktaturen – gar totalitären Diktaturen – muss ich wahrscheinlich nicht näher beschreiben. Es ist klar, dass das ursprünglich marxistische Argument, die Macht des „Kapitals“ durch die geballte politische Macht des Volkes bzw. seiner Avantgarde zugunsten der wahren Volksherrschaft zu ersetzen, nicht diese letztere, sondern selbsternannte Eliten gegen das Volk privilegiert hat. Diese Gefahr institutionell, auf dem Wege von Verfassungs- und Gesetzesänderungen zu überwinden, gehörte in allen Transformationsländern zu den vorrangigen Aufgaben.

Freilich stand sie vor einer besonders komplexen Herausforderung: die alten Institutionen mit ihren Kadern und kulturellen Gewohnheiten zu überwinden und zugleich den neuen Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration und der Verabsolutierung kapitalistischen Profitlogik zu wehren. Das Ganze unter Bedingungen eines neuen heftigen Schubs ökonomischer Globalisierung, die durch nationalstaatliche Gesetze kaum zu beeinflussen ist und die den Transformationsländern mehrheitlich ausländische Medieneigentümer beschert hat, mit komplizierten Folgen für das gerade gewonnene Selbstbestimmungsrecht der vom Kommunismus befreiten Gesellschaften. Dabei zeigt sich, dass „Freiheit von“ leichter zu bewerkstelligen ist als „Freiheit für“.

Wo liegen die gefährlichen Folgen der wirtschaftlichen Machtkonzentration und der Verabsolutierung kapitalistischer Gewinnlogik? Aus den öffentlichen Diskussionen der etablierten Demokratien sind sie bekannt, wenn auch in der letzten Zeit m.E. nicht genügend prägnant erörtert. Das Problem liegt wohl weniger im Einfluss der Eigentümer auf die Journalisten als im Zwang des Wettbewerbs, so preisgünstig wie möglich zu produzieren und so erfolgreich wie möglich die Medienprodukte abzusetzen. Die Einsparung von Personal, von fest angestellten Journalisten hat schon seit längerem zu einem klar erkennbaren Qualitätsverlust in Recherche und Analyse geführt. Wenn nicht genügend Zeit und kompetente Personen zur Verfügung stehen, solide informiert und analytisch reflektiert über Sachverhalte und Zusammenhänge zu berichten und sie zu kommentieren, wenn darüber hinaus – auch aus Gründen der Kostenersparnis – die inhaltlich selben Produkte in verschiedener Aufmachung erscheinen, dann leiden darunter die Gründlichkeit der Recherche und die Vielfalt der Aspekte und Argumente, die eine demokratische Öffentlichkeit und mit ihr die handelnden Politikerinnen und Politiker brauchen, um solide und vertrauenerweckende Entscheidungen zu fällen bzw. kritisch zu rezipieren.

Darüber hinaus wächst die Versuchung zur Skandalisierung, um die Auflagenhöhe zu steigern, und zur Banalisierung, um den Stoff mundgerecht zu servieren. Hier glaube ich übrigens, dass die Gesellschaft auch in ihren sehr unterschiedlichen Schichten bereiter ist als generell angenommen wird, komplizierte Sachverhalte zu verstehen, wenn sie Vertrauen in Personen und Institutionen gefasst hat, die dies zu vermitteln suchen.

Mit Skandalisierung und Banalisierung entsteht eine Verzerrung von Wirklichkeit, die über die unausweichliche Perspektivität weit hinaus geht, eine Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge scheinbar (nicht wirklich!) überflüssig macht und das Vertrauen nicht nur zwischen Politik und Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Gesellschaft beschädigt, ja zerstört, weil mit dem Verlust der Wahrheitsbindung auch die Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt.

Die Verabsolutierung der Markt- und Wettbewerbslogik unterminiert auch die zur Demokratie erforderliche Verantwortung der Menschen als politischer Bürger, als „Citoyens“ im Unterschied zum „Bourgeois“, weil sie als Konsumenten, nicht als mitverantwortliche Akteure angesprochen werden. Sie können dann bequem im Sessel sitzen und sich den Mund über all die Torheit, die Gewinnsucht, die Lächerlichkeit der handelnden Politik zerfetzen, ohne sich der Verpflichtung zu unterziehen, sich an deren Stelle zu setzen, was heißt: unter Bedingungen der unvermeidlichen Ungewissheit in der Sache und des vielfachen Interessendrucks zu entscheiden, und ohne die Verpflichtung, sich für konstruktive Alternativen verantwortlich zu fühlen.

Damit sind wir schon bei den kulturellen Folgen der institutionellen Markt- und Gewinnlogik. Hier sind Hindernisse auf Seiten der Journalisten zu nennen. Ein völlig verständlicher Ehrgeiz, in dieser Logik zu bestehen, bekräftigt den Wunsch, im Wettbewerb aufzufallen, Punkte zu machen, von anderen zitiert zu werden, auch wenn dies zu Unsachlichkeit und einer Verzerrung führt, die an Lüge grenzt. Denn der Zusammenhang, in den Fakten gebracht werden (die ihrerseits natürlich stimmen müssen), konstituiert deren jeweilige Wahrheit, die nicht absolut zu erreichen, aber durchaus absolut zu verfehlen ist, wenn man z.B. erkennbare Gegenargumente oder widersprechende andere Fakten verschweigt. Und wenn man sich, z. B unter Zeitdruck, nicht an die Verpflichtung hält, Behauptungen anhand unabhängiger alternativer Quellen zu prüfen.

Angesichts eines Wettbewerbs, der einen Kampf aller gegen alle nahe legt und damit aus wirtschaftlichen Gründen eine Situation wie in Hobbes’ politischer Welt der Wölfe herauf führt, reagieren viele Journalisten ausgesprochen allergisch, wenn man sie ihrerseits kritisiert, begreifen sie sich doch als Wächter der Öffentlichkeit, deren Autorität und Unparteilichkeit außer Frage steht. Die Medien dürfen, sollen, müssen die Politik nicht nur kritisieren – was ja im genauen Wortsinn „sondern“ heißt, also unterscheiden, zwischen gut und schlecht, falsch und richtig etc. und was der Demokratie völlig angemessen wäre. Sie dürfen sie auch vielfach höhnend oder ironisch-überlegen attackieren, aber wehe, die Politik zahlt mit gleicher Münze heim! Dagegen hält die Zunft dann oft wie Pech und Schwefel zusammen, ohne zu begreifen, dass sie der Wahrheit und den ethischen Geboten der Demokratie genauso zu dienen hat wie die Politik. Blind machender Ehrgeiz, Korrumpierbarkeit, Trägheit und mangelnde Moral sind kein Privileg der Politik, sondern Verführungen, denen wir alle ausgesetzt sind und gegen die nur gegenseitige Korrektur und Kritikoffenheit hilft.
IV. Die besondere Situation der Transformationsländer

Dies alles gilt bereits für etablierte Demokratien. In Transformationsländern kommt hinzu, dass weder die neuen politischen Institutionen noch erst recht eine demokratische politische Kultur Zeit hatten, sich zu festigen, so dass die Gefahren des kapitalistischen Marktes sich leicht und oft schwer durchdringbar mit denen der überkommenen undemokratischen Traditionen und Eliten der überwundenen Diktaturen verknüpfen und sich dadurch gegenseitig verstärken. Wenn ein vermachteter Medienmarkt mit einer autoritär-diktatorischen Tradition politischer Kultur und unzureichendenden Mediengesetzen zusammen kommen, hat es die Demokratieentwicklung schwer. Überdies machen wir immer wieder die Erfahrung, dass die überkommenen Eliten von ihren sozialen Netzen profitieren und von ausländischen Investoren gern wegen ihrer Gewinn bringenden Effektivität gehalten werden.

Wir haben bisher auf die innere Situation der Transformationsländer geblickt. Aber wie in Westeuropa nach 1945 hängt das Gelingen der Demokratisierung vom europäischen Kontext ab. Die demokratiepolitische Chance der westdeutschen Bundesrepublik lag – neben der Tradition demokratisch-politischer Parteitraditionen von CDU/CSU, SPD und den nicht deutsch-nationalen Liberalen in ihrer Einbettung in die westeuropäische Integration und in die NATO. Mit denselben Argumenten ist für die rasche Aufnahme der postkommunistischen Länder in die Europäische Union plädiert worden. Die Stabilisierung ihrer Demokratien durch die europäische Integration und die Einsparung einer nationalen Verteidigung, die kostspieliger geworden wäre als die Eingliederung in die NATO, waren wichtige politische Gesichtspunkte in der politischen Diskussion.

Umfragen etwa in Polen haben auch gezeigt, dass die mittelosteuropäischen Gesellschaften von der Integration in die Europäischen Union durchaus eine überzeugendere Qualität ihrer Demokratien erwartet haben und erwarten. In Bezug auf die Medien zeigt sich allerdings hier ein besonderes Problem. Denn die Berichterstattung westeuropäischer Journalisten in deren Heimatländern ist nicht immer hilfreich, wenn sie denn überhaupt in nennenswertem Maße stattfindet. Angesichts des historischen Informations- und Interessengefälles von Ost nach West und tief verwurzelter negativer Vorurteile gegenüber dem Osten, war und ist es auch unter demokratiepolitischem Aspekt wichtig, die Befestigung dieser Vorurteile zu vermeiden. Sie geschieht aber leicht, wenn man die neuen Demokratien paternalistisch als defiziente Nachzügler in Sachen Demokratie beschreibt, ohne ihre jeweiligen historischen und kulturellen Voraussetzungen und Besonderheiten zu erläutern und ohne die generellen Probleme einer rasanten Modernisierung unter den besonderen Bedingungen der ökonomischen Globalisierung mit ihren – auch im Westen – gravierenden sozialen Umbrüchen und Verwerfungen zureichend in Rechnung zu stellen.

In Bezug auf Polen z.B. entsteht dann leicht ein Eindruck sozialer Rückständigkeit, religiöser Borniertheit und politischer Sturheit, der sich mit den traditionellen Vorurteilen (sie sind ja fast immer negativ!) verbindet und sie bekräftigt. Wenn die Berichterstattung sich dann zusätzlich auf die Hauptstadt konzentriert und das Land de facto mit seiner jeweiligen Regierung identifiziert und die gesellschaftliche Vielfalt auf einige Skurrilitäten zusammen schnurren lässt, dann weckt und stärkt das negative Einstellungen auf beiden Seiten und dient weder der Entwicklung der nationalen Demokratien noch der demokratischen europäischen Einigung, die ihrerseits die Demokratien stabilisieren könnte.
V. Chancen der Demokratieentwicklung durch die Medien

Aus den bisherigen Überlegungen lassen sich 10 zusammenfassende Forderungen ableiten. Wie immer, wenn es um Demokratisierung geht, müssen wir an institutionelle und an kulturelle Wege denken.

Zu den wichtigsten institutionellen gehört die kluge Verankerung der Medienfreiheit in den neuen demokratischen Verfassungen. Dies ist in der Regel der Fall.
Dazu gehören allerdings auch Mediengesetze, die die Erfahrungen der westlichen Länder ebenso berücksichtigen wie die neue Mischung von diktatorisch-politischen und kapitalistisch-ökonomischen Gefahren. Diese dürfen nicht durch andere Vorschriften (z.B. im Strafrecht oder in Sicherheitsgesetzen oder staatliche Intervention ausgehebelt werden.)
Zentral bedeutend ist dabei die Einschränkung von wirtschaftlicher und politischer Machtkonzentration …
… und eine reflektierte Verbindung von öffentlichen und privaten Medien, wobei die öffentlichen sowohl den parteipolitischen Missbrauch als auch die Blockade einer übertriebenen gesellschaftlichen „Ausgewogenheit“ von Aufsichtsräten vermeiden müssen, weil sonst originelle und unabhängige Kritik „weg-nivelliert“ wird.
Für die Öffentlichen muss genug Raum bleiben, weil die privaten Medien erfahrungsgemäß Information, Analyse und Kultur zu kurz kommen lassen, auf die eine lebendige Demokratie aber angewiesen ist.
und das ist an dieser Stelle und an Ihre Adresse gerichtet vielleicht die wichtigste Anregung: Etablieren Sie medieninterne Jurys, die Missbrauch verfolgen und professionelle Kritik mit wirksamen Sanktionen anwenden. Das wichtigste Konstruktionsprinzip der Institutionen ist die Transparenz. Denn es gibt keine Interessenneutralität und auch keine Objektivität der Medien. Transparenz aber hilft am besten, Interessen zu verfolgen und deren möglichen negativen Konsequenzen entgegenzuwirken.
Zu den kulturellen Elementen
Die institutionellen Regelungen müssen sich mit der Festlegung und immer erneuten öffentlichen Reflexion demokratischer kultureller Standards verbinden, die bis in die Journalistenausbildung reichen sollten.
Auch dies möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich hervorheben: Debatten zwischen unterschiedlichen medialen Positionen halte ich für überaus wichtig, eine Wagenburg-Mentalität unter Kollegen nach dem Motto „right or wrong my colleague“ für dysfunktional. Die Diskreditierung von solchen Debatten als „Zerstrittenheit“ dient der Demokratie nicht, die auf den Austrag der Pluralität von Aspekten zugunsten des Gemeinwohls angewiesen ist. Auch Politikerbeschimpfung, ebenso wie die simple Moralisierung von Konflikten anstelle ihrer sorgfältigen Analyse macht es sich zu leicht und geht an den Notwendigkeiten der Demokratie vorbei
Ganz entscheidend ist m.E. zur Stärkung der Demokratieentwicklung in den Transformationsländern die Europäisierung der öffentlichen Debatten. Dass Polen in Deutschland kritisch über Politik und Gesellschaft ihres Landes urteilen ebenso wie Deutsche in Polen hilft der europäischen Verständigung und Integration und darf nicht zugunsten einer nationalen Regression verunglimpft werden. Wir Deutsche oder: Wir Journalisten oder: Wir Politiker müssen zusammenhalten! – das ist die falsche Devise. Wir müssen alle miteinander fair umgehen, aber zugleich eigenständig und zivilcouragiert. Demokratieentwicklung gelingt nicht mehr rein national, sondern nur noch mindestens europäisch, eigentlich nur noch global.
Die letzte und beste Instanz für das Gelingen von Demokratieentwicklung in unserer ökonomisch und kulturell globalisierten geschichtlichen Situation ist eine wache, kritische in eigener politischer Aktivität (auch etwa der organisierten Zivilgesellschaft) erfahrene Öffentlichkeit, so wie schon die berühmten „Federalist Papers“ in der Diskussion um die amerikanische Verfassung darauf hingewiesen haben, dass gegen allen Missbrauch institutioneller Regelungen allein der „manly spirit“ der Amerikaner eine Garantie zu bieten vermag. Heute gehören allerdings auch, vielleicht ganz besonders die Frauen dazu. Und das ist gut so!