Newsletter Netzwerk Recherche 246 vom 27.06.2025

Liebe Kolleg:innen,
ob wir als Abonnent:innen dieses Newsletters, als Gäste unserer Jahreskonferenz oder als aktive Mitglieder unterwegs sind – das Netzwerk Recherche darf uns stolz machen. Was einst in der Eifel von einigen Dutzend Macher:innen ins Leben gerufen wurde, ist längst zur zentralen Austauschplattform des investigativen Handwerks in Deutschland geworden.
Die diesjährige Jahreskonferenz in Hamburg mit über 100 Veranstaltungen, international besetzten Podien, über 200 Speaker:innen und rund weiteren 600 Gästen hat das erneut eindrucksvoll gezeigt. Gleichzeitig bleibt unser Handwerk gefordert: Die Angriffe auf unseren Berufsstand. Die journalistischen Fehler des vergangenen Jahres, die passieren konnten, aber nicht passieren durften, und Herausforderungen wie die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz. All das zeigt, wie nötig es ist, dass wir uns und unsere Skills immer wieder updaten.
Das Netzwerk Recherche ermöglicht das, will stärken, vernetzen, inspirieren – jeden einzelnen Tag. Und damit das auch so bleibt, will ich heute als einfaches Mitglied – und nun ehemaliges Vorstandsmitglied – einmal Danke sagen: An unsere Mitarbeiter:innen in der Geschäftsstelle, die dies mit ihrer täglichen Arbeit garantieren. Und an all diejenigen, die mit ihren jährlichen Mitglieds- und Förderbeiträgen dafür sorgen, dass wir auch künftig das kritische und selbstkritische Zentrum der Debatten unserer Branche bleiben.
Dieser Verein ist genau der richtige Ort, auf dass wir alle ihn mit Tatkraft und auch unserem Geld unterstützen. Denn je mehr davon wir haben, umso unabhängiger bleiben wir. Garantiert.
Auf mehr davon!
Euer
Martin Kaul

Martins Tipps des Monats
Plattformen und Journalismus: Die Entkernung der Demokratie
Was tun, wenn Qualitätsjournalismus durch die Macht der Algorithmen nur noch Nebensache ist? Markus Beckedahl, einst Gründer von netzpolitik.org und der re:publica, hielt zur Eröffnung der diesjährigen Jahreskonferenz die Keynote. Seine Gedanken zur Macht der Plattformen und zur Entkernung der Demokratie hat er hier notiert. Hier könnt ihr euch seine Keynote noch einmal anschauen.
Das liberale Drehbuch für den Regierungssturz
„Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken, wie sie lügen“ – das ist ein alter Werbespruch der linksradikalen Zeitung „Junge Welt“. Eingelöst hat ihn im letzten Jahr der Zeit-Kollege Robert Pausch. Mit seiner akribischen Recherche zum „D-Day“-Papier der FDP hat er einen Inneneinblick in das Machtgefüge der deutschen Regierungsrealität gegeben – und gezeigt, wie zynisch und eigennützig die FDP mit der Macht jonglierte. Anna Lehmanns Laudatio auf Robert Pausch als Preisträger des „Leuchtturms für besondere publizistische Leistungen“ könnt ihr hier anschauen.
Inside Syria
Blick über die Grenzen: Wie gelingen investigative Recherche zu Kriegsverbrechen inmitten von Anarchie und Bürgerkrieg? Dazu gaben der syrische Journalist Amer Matar und die syrische Menschenrechtsaktivistin Mariana Karkoutly Einblick auf dem Panel „Inside Syria: Investigative Frontlines and Reporting Realities“. Sehenswert!

Aus dem Netzwerk Recherche
NR-insights: Recherchieren im rechtextremen Millieu
Was passiert hinter den Kulissen rechtsradikaler Jugendgruppen? Im kommenden NR-insights am 2. Juli sprechen wir mit Angelique Geray und Markus Frenzel über ihre Recherche für die RTL+/Stern-Reportage „Braune Kinderzimmer”. Darin dokumentieren sie, wie Jugendliche in rechtsextreme Ideologien abgleiten und sich radikalisieren. Angelique Geray war dafür undercover aktiv, während Markus Frenzel offen Interviews mit Rechtsextremen führte. Ihre Recherche führte im Februar 2025 zu bundesweiten Durchsuchungen und Ermittlungen. Wie recherchiert man, wenn die Protagonist:innen minderjährig und teils gewaltbereit sind? Moderiert wird der Abend von Georg Heil (ARD/Kontraste). Exklusiv für NR-Mitglieder – schnell noch Mitglied werden!
Leuchtturm 2025 an Robert Pausch
Im Rahmen der NR25 wurde der Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen an Robert Pausch verliehen. Ausgezeichnet wurde er für seine investigative Recherche „Das liberale Drehbuch für den Regierungssturz“ (€). „Der Artikel ist ein starkes Beispiel, wie enthüllender Politikjournalismus aussehen kann“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. Die Laudatio hielt Anna Lehmann, Leiterin des taz-Parlamentsbüros. Hier findet ihr die Erklärung sowie einen Mitschnitt der Verleihung.
Verschlossene Auster 2025 für die Bundeslöschtage
Die Verschlossene Auster – unseren Negativpreis für den Informationsblockierer des Jahres – erhielt die Bundesregierung für die Bundeslöschtage. Trotz gesetzlicher Archivierungspflichten werden dienstliche E-Mails, Chatverläufe und Kalenderdaten von Bundesminister:innen nach deren Ausscheiden gelöscht. Die Laudatio hielt Arne Semsrott von FragDenStaat. Den Mitschnitt seiner Rede könnt ihr hier ansehen.
Deutscher Preis für Klimajournalismus 2025 verliehen
Zum zweiten Mal haben wir gemeinsam mit dem Netzwerk Klimajournalismus Deutschland herausragende Klimaberichterstattung ausgezeichnet. Vergeben wurden Preise in den Kategorien Hauptpreis, Investigativ und Lokal sowie ein Ehrenpreis. Informationen zu allen Gewinner:innen und den Shortlist-Nominierungen gibt es hier. Ihr könnt euch die Preisverleihung hier ansehen.
Fellowship Lokale Recherche
Wir haben ein neues Fellowship für Lokaljournalist:innen ausgeschrieben. Zum Fellowship gehören Webinare zu methodischen Fragen, individuelle Betreuung und Begleitung, Vernetzung sowie die finanzielle Förderung einer tiefgehenden Recherche im Lokaljournalismus mit mindestens 7.000 Euro. Fragen und Antworten zum neuen Fellowship haben wir in einem FAQ zusammengefasst.
Wir bieten außerdem eine digitale Sprechstunde an: Am Mittwoch, 2. Juli 2025, stehen von 13 bis 14 Uhr Stefanie Dodt und Silja Kummer aus der Jury des Fellowships sowie Georg Mascolo und Thomas Schnedler aus dem Projektteam Rede und Antwort. Bitte meldet euch für die Info-Session hier an.
Job bei Netzwerk Recherche – jetzt bewerben!
Wir bauen einen neuen Schwerpunkt in der Vereinsarbeit auf – für starke Recherchen im Lokaljournalismus. Dazu wird das oben erwähnte Fellowship-Programm mit Recherche-Stipendien, Weiterbildungen, Vernetzungsangebote, Mentoring, Beratungen gehören. Außerdem entwickeln wir Recherche-Support für lokale Recherchen. Wir suchen für den Auf- und Ausbau dieser Angebote eine Projektleitung (m/w/d). Wenn du den Lokaljournalismus kennst, die Recherche liebst und ein Organisationstalent bist, dann bewirb dich jetzt bei uns. Der Schwerpunkt Lokaljournalismus bei Netzwerk Recherche wird ermöglicht durch die Madsack Stiftung, die Zeit Stiftung Bucerius, die Olin gGmbH und Einzelspenden. Bewerbungen sind bis zum 1. Juli 2025 möglich.
Wahlen der Mitgliederversammlung 2025
Auf unserer Mitgliederversammlung am 13. Juni wurden Vorstand und Kassenprüfung gewählt. Die bisherigen Amtsinhaber:innen wurden – mit Ausnahme folgender personeller Änderungen – im Amt bestätigt: Martin Kaul scheidet auf eigenen Wunsch als kooptiertes Vorstandsmitglied für das Thema Pressefreiheit aus, ebenso legt Frank Brendel sein Amt als Kassenprüfer nieder. Daniel Drepper dankte beiden im Namen des Vorstands herzlich für die gute Zusammenarbeit. Vom Vorstand kooptiert wurde Silja Kummer (Heidenheimer Zeitung). Sie wird sich künftig – gemeinsam mit Jonathan Sachse – um die Anliegen der Lokaljournalist:innen kümmern. Die vakante zweite Position in der Kassenprüfung übernimmt Philip Kaleta (WirtschaftsWoche).
Transparenz bei Recherchen
NR-Vorstandsmitglied Stefanie Dodt hat mit WDR 5 über Transparenz bei Recherchen gesprochen und einen Einblick in ihre investigative Arbeit gegeben. Sie erklärt, warum Timing, Konfrontationen und Offenheit wichtig sind: „Mit welcher Grundhaltung wir daran gehen, macht einen Unterschied.“ Das Gespräch könnt ihr hier nachhören.
Elektroschrott auf Reisen
Viele Verbraucher:innen wissen, dass illegale Schrottsammler:innen Elektroschrott nicht korrekt entsorgen. Kommunale Wertstoffhöfe dagegen haben einen guten Ruf. Doch auch dort werden Smartphones oder Kühlschränke nicht immer richtig entsorgt. Das konnte Stefanie Helbig in ihrer Recherche für die ZDF-Sendung wiso zeigen, gefördert mit einem Stipendium von Netzwerk Recherche und der Olin gGmbH. Die Reporterin bestückte Altgeräte mit Bluetooth-Trackern und verfolgte ihren Weg – vom Wertstoffhof in Deutschland bis zu Flohmärkten in Serbien oder einem Schrottplatz in Pakistan. Das Problem: Die Entsorgungskette nach den kommunalen Höfen ist schwer zu kontrollieren.

GIJN Deutsch
Internationale Recherche des Monats: Der Preis der Überfahrt
Gewalt und Tod auf der Atlantikroute nach Spanien: Jedes Jahr brechen Zehntausende Migrant:innen in nicht hochseetauglichen Holzbooten vom afrikanischen Kontinent über das Meer nach Europa auf. Diese Recherche von Politico geht Hinweisen nach, wonach auf diesen gefährlichen Migrationsrouten schlimme Verbrechen geschehen, und belegt, dass die Migrant:innen schwerer Gewalt ausgesetzt sind.
Hunger als Kriegswaffe: Neue Recherche-Tipps im GIJN-Guide
In Konfliktgebieten wird Hungersnot oft als Kriegswerkzeug eingesetzt. In neu ergänzten Kapiteln des GIJN-Guides „Investigating War Crimes“ findet ihr Tipps zum Recherchieren und Berichten über Hunger als Waffe.
GIJN auf der NR25: Danke für den Austausch
Danke an alle, die auf der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz mit uns in Kontakt getreten sind oder bei unserem Meet-Up waren. Gibt es noch etwas, das ihr loswerden wollt, habt ihr weitere Fragen oder sucht einfach Kontakt zum GIJN? Dann mailt uns gerne!
Nachrichten
Justizministerin Hubig will Anti-Slapp-Richtlinie umsetzen
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig beabsichtigt, die Anti-Slapp-Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umzusetzen. Durch die Einschüchterungsklagen würden „Organisationen, Vereine, Journalistinnen und Wissenschaftler mit missbräuchlichen Klagen überzogen, und zwar so massiv, dass sie hauptsächlich damit beschäftigt sind, sich zu verteidigen und das zu finanzieren“, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. NR-Vorsitzender Daniel Drepper hat im Deutschlandfunk seine Einschätzung zum Thema abgegeben: „Dieser Vorstoß ist überfällig.“
Digital News Report: Lokalzeitungen relevant
Der neue Digital News Report des Reuters Institute an der Oxford University zeigt die wachsende Rolle von Social Media, Videoplattformen, Online-Aggregatoren sowie Influencer:innen bei öffentlichen Debatten. Während sich weltweit viele Menschen auf Suchmaschinen und Social Media verlassen, bleiben in Deutschland Lokalzeitungen relevant: 52 % der Befragten informieren sich dort über lokale News, mehr als ein Drittel hält Lokalzeitungen für die beste Quelle für unterschiedliche Lokalnachrichten und -informationen. Der DJV sieht deshalb die „Notwendigkeit einer zukunftsfesten und sicheren Finanzierung lokaljournalistischer Angebote.“ Auch wir bei Netzwerk Recherche arbeiten nun verstärkt zum Schwerpunkt Lokaljournalismus.
Verbot aufgehoben: „Compact“-Magazin darf erscheinen
Das rechtsextreme Magazin „Compact“ darf weiter erscheinen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot aufgehoben, das die ehemalige Bundesinnenministerin Faeser (SPD) wegen verfassungsfeindlicher Ziele erlassen hatte. „Das Grundgesetz garantiert selbst den Feinden der Verfassung die Meinungs- und Pressefreiheit“, begründete der Vorsitzende Richter die Entscheidung. Es gebe zwar zahlreiche polemische und zugespitzte Äußerungen, doch die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit sei nicht überschritten, so das Urteil. Auch wenn es angesichts der Inhalte des Mediums schwerfiele, das Urteil zu akzeptieren, zeigt sich Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von „Reporter ohne Grenzen“, grundsätzlich zufrieden: „Das Verbot eines Mediums durch eine politische Instanz wie das Bundesinnenministerium ist ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit. Wir beobachten weltweit, dass solche Eingriffe der Demokratie großen Schaden zufügen können.“

Veranstaltungen, Preise & Stipendien
Call for Ideas für Podcast-Konferenz
Bei der Podcast-Konferenz „So Many Voices“ von hauseins kommen Podcast-Macher:innen für Workshops zusammen und diskutieren zudem aktuelle und Zukunftsfragen der Branche. Die Konferenz findet am 21. und 22. November 2025 in München statt. Ideen und Wünsche könnt ihr bis zum 2. Juli 2025 hier einreichen.
Preis für Lokaljournalismus aus Berlin und Brandenburg
Der Lokaljournalismuspreis Stadt_Land im Fluss macht herausragende lokaljournalistische Arbeit in und über Berlin und Brandenburg sichtbar, honoriert Journalist:innen und hebt die Bedeutung lokaler Medien für ein pluralistisches Miteinander hervor. Verliehen wird er in den Kategorien Pioniere, Wandel, Dialog und Innovation und ist mit jeweils 3.750 Euro dotiert. Bewerbungsschluss ist der 11. Juli 2025.
Weltreporter live: Werkstattgespräche
Wie recherchiert man im Kongo? Wie steht es um die Pressefreiheit in den USA? Und was läuft gut, was schief bei der deutschen Auslandsberichterstattung? Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Weltreporter Live: Dialog für Demokratie“ laden die Weltreporter:innen zu einer Diskussion in Hamburg ein. Die Veranstaltung am 11. Juli ab 17 Uhr ist kostenlos, eine Anmeldung aber erforderlich.
Stipendium der Hapag-Lloyd Stiftung
Mit Stipendien in Höhe von 5.000 Euro fördert die Hapag-Lloyd Stiftung gezielt freie Journalist:innen, damit sie den berufsbegleitenden Master Digitaler Journalismus an der Hamburg Media School studieren können. Die Bewerbungsfrist endet am 15. Juli 2025.
Aufnahme in EU-Forschungs-Netzwerk
Das Netzwerk des EU Forschungsprojekts „Athena“ (An exposition on THe forEign informatioN mAnipulation and interference) nimmt gerade neue Mitglieder bzw. Journalist:innen auf. Das Projekt untersucht und kategorisiert FIMI (Foreign Information Manipulation and Interference)-Kampagnen sowie die Entwicklung von Gegenmaßnahmen. Beteiligt an dem Projekt sind insgesamt 14 Forschungsinstitute aus elf europäischen Ländern, einschließlich der Ukraine. Interessierte Personen können sich per Mail an Tim Beyer wenden.
Early Bird Tickets für „Wissenswerte“
Die Konferenz „Wissenswerte“ bietet auch dieses Jahr wieder Podiumsdiskussionen, Vorträge und Workshops zu aktuellen journalistischen und wissenschaftlichen Themen. Dr. Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, wird die Konferenz mit seiner Keynote „Wissenschaft und Freiheit“ eröffnen. Die Veranstaltung findet vom 29. September bis 1. Oktober 2025 in Berlin statt. Early Bird Tickets sind ab sofort verfügbar.
Fortbildungen
- Investigative Recherche, Rollenreportage, Undercover, Seminar der ARD.ZDF medienakademie, 26. und 27. Juni
- Werkstattgespräche, Dialog für Demokratie der Weltreporter, 11. Juli
- Was Sie über Verdachtsberichterstattung wissen sollten, Webinar der ARD.ZDF medienakademie, 22. Juli
- Fakten finden in Zeiten von Desinformation und KI, Seminar der ARD.ZDF medienakademie, 21. und 22. Juli

Jahreskonferenz in Zahlen
Die Jahreskonferenz war ein voller Erfolg: über 100 Veranstaltungen, über 200 Speaker:innen und rund 600 weitere Besucher:innen, vier verliehene Preise für Klimajournalismus, eine Verschlossene Auster, ein Leuchtturm, ein neu bzw. wiedergewählter Vorstand – und nicht zu vergessen: 1.798 Portionen Pommes, die verspeist wurden. Wir freuen uns schon auf nächstes Jahr!