Otto Brenner Preis an Carolin Emcke

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 7. Oktober 2010 | Lese­zeit ca. 6 Min.

Otto Brenner Preis für Kri­ti­schen Jour­na­lismus 2010 geht an „Aus­nah­me­jour­na­listin“ Carolin Emcke. Nam­hafte Jury ehrt die „Sprach­macht des Gesell­schafts­kri­ti­kers“ Willi Winkler mit dem Spe­zial-​Preis der OBS.

Frank­furt am Main – Den 1. Preis der Otto Brenner Stif­tung erhält Carolin Emcke für ihren Text „Libe­raler Ras­sismus“, erschienen am 25. Februar 2010 in „Die Zeit“. Die Jury lobt die „gedank­liche und sprach­liche Prä­zi­sion“ der Aus­nah­me­jour­na­listin und ihren intel­lek­tu­ellen Mut, „der bewun­derns­wert ist“. „Wer wissen will, was auf­klä­re­ri­scher Jour­na­lismus ist, der muss Carolin Emcke lesen. Wer wissen will, warum die Debatte über den Islam in Deutsch­land so schau­er­lich falsch läuft, der muss ihren aus­ge­zeich­neten Text stu­dieren“, heißt es in der Begrün­dung der Jury. In „Libe­raler Ras­sismus“ zeige die Preis­trä­gerin, „wie die Ideale der Auf­klä­rung per­ver­tiert werden: weil man unter ihrem Deck­mantel die Anhänger einer Welt­re­li­gion als Gefahr­per­sonen pau­scha­li­siert.“ Emcke argu­men­tiert gegen die gän­gige Mei­nung – „sie tut es klug, mit prä­zisem Blick, Erfah­rung und Mut“, urteilt die Jury in ihrer Begrün­dung für den 1. Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist.

Mit dem 2. Preis werden außer­or­dent­liche und hart­nä­ckige Recher­chen zum umstrit­tenen Tex­til­dis­counter KiK gewür­digt. Nach Mei­nung der Jury ist der große Erfolg der „KiK-​Story“ bei den Zuschauern Beleg dafür, „dass auf­wändig recher­chierte und ver­ständ­lich erzählte Repor­tagen über Miss­stände in der glo­ba­li­sierten Öko­nomie auch zur besten Sen­de­zeit auf breites Inter­esse stoßen“. Chris­toph Lüt­gert und seinem NDR-​Team „Pan­orama – Die Reporter“ ist es nach Auf­fas­sung der Jury gelungen, das „Schicksal der für KiK arbei­tenden Nähe­rinnen in Ban­gla­desch und der Ver­käu­fe­rinnen ihrer Pro­dukte in Deutsch­land so authen­tisch zu schil­dern, dass Weg­gu­cken schwer­fällt“. Die Jury unter­streicht in ihrer Preis­be­grün­dung, dass das Repor­ter­team Mut für wei­tere Vor­haben stifte und auf­zeige, „wie die Gebüh­ren­ein­nahmen der öffent­lich-​recht­li­chen Sender auch für kri­ti­schen Jour­na­lismus sinn­voll ein­ge­setzt werden können“.

Mit dem 3. Preis wird das Autoren­team Markus Metz und Georg Seeßlen (Baye­ri­scher Rund­funk) aus­ge­zeichnet. Ihr Radio­bei­trag „Von der Demo­kratie zur Post­de­mo­kratie. Eine Gesell­schafts­form in der Krise“ spanne „einen weiten Bogen voll zün­dender Gedanken und gene­riert kraft­volle Auf­klä­rung“, lobt die Jury. Demo­kra­tie­ge­fähr­dende Ent­wick­lungen würden nach­ge­zeichnet, intel­li­gent inter­pre­tiert und kon­tro­vers dis­ku­tiert – und das mit allen krea­tiven Gestal­tungs­mit­teln, die im Hör­funk viel zu selten aus­ge­schöpft würden. „Als Hörer dürfen wir gut 50 Minuten lang Zeugen eines öffent­li­chen Nach­den­kens sein. Wir werden berei­chert in unserem Wissen und unserer Urteils­kraft und am Ende, hof­fent­lich, von bloßen Zeugen zu Akteuren“, heißt es in der Jury-​Begrün­dung.

Gewinner des „Spe­zial“-​Preises, aus­ge­schrieben von der OBS für Kom­mentar und Essay, ist Willi Winkler. Mit dem „Spe­zial“-​Preis „zeichnet die Jury einen unab­hän­gigen, kri­ti­schen Kopf aus“, dessen Hand­schrift ein­zig­artig und zugleich eigen­willig ist. Die Jury lobt den Autor als einen Gesell­schafts­kri­tiker, „der sich von der Dik­tatur des Aktu­ellen und Modi­schen nicht beein­dru­cken lässt“. Artikel, Kom­men­tare und Ana­lysen des freien Jour­na­listen Willi Winkler zu lesen, „ist Pflicht und Kür zugleich, weil solche unver­brauchten Gedanken in schöner Sprach­macht selten geworden sind“, begründet die Jury ihre Ent­schei­dung und fügt hinzu: „Der Sprach­künstler und Wider­spruchs­geist Willi Winkler lässt unseren Berufs­stand glänzen“. Der „Spe­zial“-​Preis der Otto Brenner Stif­tung ist mit 10.000 Euro dotiert.

Mit dem „New­comer“-​Preis, der auf beson­dere Nach­wuchs­ta­lente auf­merksam machen will, werden Karin Prummer und Dominik Stawski, Volon­täre der „Süd­deut­schen Zei­tung“, aus­ge­zeichnet. Sie haben in einer dicht recher­chierten Arti­kel­serie über den ver­ant­wor­tungs­losen Umgang der Katho­li­schen Kirche mit sexu­ellem Miss­brauch berichtet. Die Jury sieht darin eine „überaus reife jour­na­lis­ti­sche Leis­tung, tadellos in Inhalt und Form“. Beharr­lich­keit, Sorg­falt und Genau­ig­keit seien Beson­der­heiten dieser umfas­senden Recherche, die die Jury auch im Ton der Dar­stel­lung über­zeugt hat. Ein „Meis­ter­stück, das jour­na­lis­ti­sche Distanz mit Dezenz ver­binde“, heißt es in der Jury-​Begrün­dung.

Einmal im Jahr zeichnet die OBS auch inno­va­tive und weg­wei­sende Medi­en­pro­jekte aus. 2010 geht der „Medi­en­pro­jekt­preis“ der Otto Brenner Stif­tung an den Internet-​Blog „Wir in NRW“. Alfons Pieper und seine (anonymen) Mit­streiter berichten seit Ende 2009 in ihrem Internet-​Blog exklusiv über frag­wür­dige Wahl­kampf­prak­tiken des dama­ligen CDU-​Minis­ter­prä­si­denten Jürgen Rütt­gers, die bei den Zei­tungen und Sen­dern der Region zunächst kein Thema waren. Die Autoren von „Wir in NRW“ waren stets ganz vorne mit dabei und brachten viel­fach die Bericht­erstat­tung der übrigen Medien „über­haupt erst in Gang“, stellt die Jury fest. Der Blog „Wir in NRW“ ist für die Jury ein preis­wür­diges Vor­bild und Bei­spiel, „wie guter Jour­na­lismus im Internet aus­sieht, der – mit Brei­ten­wir­kung – Fehl­ent­wick­lungen in Medien und Politik bekämpft und kor­ri­giert.“

In Koope­ra­tion mit der Jour­na­lis­ten­ver­ei­ni­gung Netz­werk Recherche werden von der Otto Brenner Stif­tung zusätz­lich drei mit jeweils 5.000 Euro dotierte Recherche-​Sti­pen­dien ver­geben. Mit den Sti­pen­dien soll den Preis­trä­gern die Mög­lich­keit gegeben werden, frei von öko­no­mi­schen Zwängen und mit pro­fes­sio­neller Beglei­tung von erfah­renen „Men­toren“ ihre Pro­jekt­themen recher­chieren zu können. Um den Erfolg der inves­ti­ga­tiven Recher­chen nicht zu gefährden, werden die Preis­träger und ihre Recher­che­themen erst mit dem Abschluss der Arbeiten öffent­lich gemacht.

Mit­glieder der Jury des Otto Brenner Preises sind Sonia Sey­mour Mikich (Monitor, WDR), Harald Schu­mann (Der Tages­spiegel), Prof. Dr. Volker Lili­en­thal (Rudolf-​Aug­stein-​Stif­tungs­pro­fessur für Qua­li­täts­jour­na­lismus, Uni Ham­burg), Prof. Dr. Thomas Leif (Netz­werk Recherche) und Prof. Dr. Heri­bert Prantl (Süd­deut­sche Zei­tung) sowie Bert­hold Huber (Ver­wal­tungs­rats­vor­sit­zender der Otto Brenner Stif­tung).

Die Otto Brenner Stif­tung ver­leiht 2010 zum sechsten Mal den Otto Brenner Preis für Kri­ti­schen Jour­na­lismus. Prä­miert werden jour­na­lis­ti­sche Arbeiten, die das Motto der Aus­schrei­bung „Gründ­liche Recher­chen statt bestellter Wahr­heiten“ her­aus­ra­gend umge­setzt haben. Aus 571 Bewer­bungen wählte die Jury am 21. Sep­tember die Preis­träger in fünf Kate­go­rien. Das Preis­geld beträgt in diesem Jahr ins­ge­samt 47.000 Euro.

Die Preis­ver­lei­hung findet am 2. November in Berlin statt (Maritim Hotel Berlin, Stauf­fen­bergstr. 26, 10785 Berlin, ab 17:00 Uhr). Fest­red­nerin ist Dr. Fran­ziska Aug­stein („Süd­deut­sche Zei­tung“). Ihr Thema: „Die Jour­naille – Von der Schwie­rig­keit, sich eine Mei­nung zu bilden“.

Infor­ma­tionen zu den prä­mierten Bei­trägen und den dies­jäh­rigen Preis­trä­gern haben wir in einer Pres­se­mappe zusam­men­ge­stellt: www.otto-​brenner-​preis.de .

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