Netzwerk Recherche fordert mehr Recherche-Ausbildung in Deutschland und startet eine Aus- und Weiterbildungsinitiative

Das Netzwerk Recherche will mit einer Aus- und Weiterbildungsinitiative die Recherche-Ausbildung in Deutschland stärken, die nach Ansicht des Netzwerks immer noch große Defizite aufweist. Nach wie vor gibt es einen gravierenden Mangel an Kursen, in denen systematisch Wissen über Recherche-Quellen vermittelt, ethische Konfliktfälle diskutiert und größere Recherche-Projekte unter Anleitung erfahrener Journalisten umgesetzt werden. Intensiv-Seminare, die, wie es beispielsweise in den USA üblich ist, jenseits der Recherche-Basiskurse „Investigative Reporting“ trainieren, kann man in Deutschland an einer Hand abzählen.

Im Ausbildungsbereich gibt es nur wenige Universitäten und Journalistenschulen, die ein breites Spektrum an Recherche-Kursen anbieten. Noch ernüchternder ist der Blick auf die Recherche-Ausbildung im Rahmen der Volontariate bei Verlagen und Sendern: In der Regel soll hier, wenn überhaupt, an ein bis zwei Tagen eine ausreichende Basiskompetenz in Recherche vermittelt werden. Im Bereich der journalistischen Weiterbildung sieht es kaum besser aus. Nach wie vor ist festzustellen, dass die Recherche-Aus- und Weiterbildung in den Journalistenschulen und bei anderen Weiterbildungsträgern nur eine Randrolle spielt. „Recherche ist damit allenfalls das ungeliebte Stiefkind der Aus- und Weiterbildungsverantwortlichen“, sagt der Vorsitzende des Netzwerks Recherche, Dr. Thomas Leif.

„Die zentrale Ursache für die Misere der Recherche-Aus- und Weiterbildung liegt darin, dass Recherche von journalistischen Entscheidungsträgern nicht gezielt gefördert wird, da diese kein konkretes Bild der Erfolgseffekte haben und die Operationalisierung dieser Führungsaufgabe scheuen“, meint Leif. Dabei liegen viele dieser Erfolgseffekte auf der Hand: Exklusiv-Recherchen schaffen Nachrichten, und Nachrichten bedeuten Aufmerksamkeit und Imagegewinn für ein Medienunternehmen. Mehr Recherche fördert zudem die Team-Arbeit in den Unternehmen und die Synergie zwischen den Ressorts. Und: Erfolgreiche Recherchen motivieren und stiften Identität unter Autoren und Redakteuren. Im Zeitalter der Digitalisierung und Differenzierung im Medienbereich wird Recherche zudem zum zentralen Unterscheidungsmerkmal für Medienunternehmen.

Um die Erfolgseffekte der Recherche und die Möglichkeiten der Recherche-Förderung in Ausbildung und Praxis aufzuzeigen, will das Netzwerk Recherche nun seine Aus- und Weiterbildungsinitiative starten. In einem ersten Schritt sollen alle relevanten Entscheidungsträger von den Verlegern bis hin zu den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angeschrieben und zur Mitarbeit bewegt werden. „Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung der Recherche in die redaktionellen Abläufe und die gezielte Förderung von Recherche in der Aus- und Weiterbildung ist ein Beschluss der Unternehmensleitungen, die klare Zielmarken und Projekt-Ideen fördern“, so Leif.

Bei diesen Projekt-Ideen will das Netzwerk Recherche Sendern, Verlagen und Ausbildungseinrichtungen beratend zur Seite stehen. Das Netzwerk möchte die Weiterbildungsverantwortlichen in den Medienunternehmen überzeugen, in ihrem Verantwortungsbereich verschiedene „Trainingsbausteine“ anzubieten und zu erproben:

  1. In jedem Volontariat soll es ein einwöchiges Recherche-Seminar geben.
  2. Jedes Jahr sollen dezentral, so die Zielmarke, mindestens vier dreitägige Recherche-Einführungsseminare von den Medienunternehmen angeboten werden. Angebote, die bereits in der Ausbildungspraxis erprobt wurden.
  3. Ein „Training on the job“-Konzept soll für die Redaktionen entworfen werden: Diesen wird eine speziell abgestimmte Trainingseinheit zum Thema Recherche angeboten. Ziel ist es vor allem, Defizite in der Recherche von Themen aufzudecken und gemeinsam dafür Lösungsansätze zu erarbeiten.
  4. Darüber hinaus soll ein neues Trainingskonzept entwickelt werden, das besonders talentierten und interessierten Journalisten angeboten wird. Dieses so genannte „Quadriga-Training Recherche“ soll über ein Jahr laufen und aus vier Einheiten bestehen, die jeweils zwei Tage lang sind.

Zudem soll in möglichst vielen Medienunternehmen ein einjähriges Mentoren-Programm eingeführt werden, in dem erfahrene Journalisten den journalistischen Nachwuchs bei Recherchen betreuen sollen.
Das Netzwerk Recherche will bei der Umsetzung dieser fünf „Recherche-Module“ folgende Hilfestellung und Service-Leistungen anbieten:

  1. Ein Handbuch für Recherche-Trainer.
  2. Eine Mappe mit Fallbeispielen für die Recherche-Ausbildung (Trainingsaufgaben, Rekonstruktionen u.a.).
  3. Eine Seminar-Anleitung für Trainer, die auf der NR-Homepage heruntergeladen werden kann.
  4. Netzwerk Recherche vermittelt für alle Formen der Recherche-Ausbildung qualifizierte Referentinnen und Referenten, die über langjährige Erfahrungen im Bereich der Recherche verfügen.
  5. Netzwerk Recherche bietet Weiterbildungsträgern an, auf erprobte Trainingseinheiten zurückzugreifen.
  6. Netzwerk Recherche bietet interessierten Weiterbildungseinrichtungen an, dass potentielle Recherche-Trainer bei Seminaren von NR Trainingshospitanzen absolvieren.

Zudem plant das Netzwerk Recherche eine Fachtagung mit den Repräsentanten der Weiterbildungseinrichtungen in Verlagen und Sendern und interessierten Recherche-Trainern, um Erfahrungen auszutauschen und neue Wege der Recherche-Vermittlung zu entwickeln.

Das Netzwerk Recherche engagiert sich seit seiner Gründung 2001 in der Recherche-Aus- und Weiterbildung. Durch Recherche-Stipendien ermöglicht die Journalistenvereinigung bereits jungen Kollegen, relevanten Themen nachzugehen und diese unter Betreuung eines erfahrenen Journalisten umzusetzen. Das vor zwei Jahren veröffentlichte „Trainingshandbuch Recherche“ erleichtert zudem die Ausbildung von Recherche-Trainern und belebt die Umsetzung von Recherche-Seminaren.