Schwarzwälder Kirsch und Baklava
Von Ann-Kathrin Seidel, JONA
Die Poetry-Slammerin Nemi El-Hassan eröffnet den zweiten Tag der nr-Jahreskonferenz: Eine 21-jährige Muslima, die Kopftuch trägt und Medizin studiert. Und sich überhaupt nicht als Ausnahme sieht.
„Sie glauben mir das jetzt vielleicht nicht, aber ich sehe ohne Kopftuch gar nicht so arabisch aus. Ein bisschen exotisch vielleicht, italienisch, spanisch. Aber niemand hat mich wirklich als Araberin wahrgenommen. Das hat sich von einem Tag auf den anderen geändert, als ich angefangen habe, Kopftuch zu tragen.“
Nemi El-Hassan ist eine 21-jährige Muslima. Und Deutsche. Und Studentin. Erfolgreich integriert, würde man sie im Politiker-Sprech wohl bezeichnen, auch wenn ihr das so gar nicht gefiele. „Ich höre oft, wenn ich irgendwo bin und interviewt werde, ich sei ja eine Ausnahme, sei ja ein Vorbild. Dabei stimmt das nicht, ich kann Ihnen versichern, dass ich ganz sicher keine Ausnahme bin.“ Beide Welten zusammenzuführen, beide Kulturen, die arabisch-libanesische ihrer Herkunftsfamilie und die deutsche, in der sie lebt, das sei ihr Ziel. Nicht die Ausnahme der Regel sein. „Schwarzwälderkirsch und Baklava.“
Nemi El-Hassan ist sich der Skepsis, der Diskriminierung, der Gefahr durch Pegida und Co. aber durchaus bewusst. „Der Mensch ist Feind dessen, was er nicht kennt”, zitiert sie einem Imam. „Oder auf gut Deutsch: Was der Bauer nicht kennt, das mag er nicht.“ Aufklärung und sich Auseinandersetzen mit dem Anderen brauche es, sagt sie. Gerade in Zeiten von Pegida müssten dafür Zeichen gesetzt werden. „Als zum stummen Protest gegen Pegida in den Kirchen und den Häusern die Lichter ausgingen, da ging mein Herz auf.”
El-Hassan ist trotz allem ein Vorbild für gegenseitige Akzeptanz, auch wenn sie so nicht genannt werden will. Gerade deshalb hat Netzwerk Recherche sie wohl eingeladen, die Begrüßungsrede am zweiten Konferenztag zu halten, und sie anschließend bei der Podiumsdiskussion „Neutral bleiben oder Haltung zeigen?” als Mitdiskutierende zwischen Politiker und gestandene Journalisten gesetzt. Weil sie Haltung zeigt, weil sie zeigt, wie gut es funktionieren kann, unser Zusammenleben. Und weil sie genau das auch von den Journalisten erwartet: „Sie sind die beste Chance gegen Organisationen wie den Islamischen Staat!” Ihr Vater zum Beispiel, so erzählt sie, sei begeistert gewesen davon, dass sie auf einer Journalistentagung sprechen sollte. Für ihn, mit Wurzeln im Libanon, sei Pressefreiheit eines der größten Güter.
Auch sie selbst nutzt dieses Gut. Auf ihrem neuen YouTube -Kanal ‘datteltaeter’ setzt sie sich kritisch, aber mit viel Ironie vor allem mit fanatischem Islamismus auseinander – etwas, weswegen vor wenigen Wochen in Paris viele Menschen getötet wurden. Sie macht es trotzdem, zeigt, dass Angst der eigentliche Feind ist.
Das drückt sie selbst ganz gut in einem ihrer Texte aus: „Mein liebes Deutschland, hab keine Angst vor mir. Mach dir keine Sorgen, Deutschland.“