Trans­pa­renz per Gesetz

ver­öf­fent­licht von Man­fred Redelfs | 27. Mai 2015 | Lese­zeit ca. 4 Min.

Gute Betei­li­gung in Rhein­land-​Pfalz – Sen­de­pause in Baden-​Würt­tem­berg.

Rhein­land-​Pfalz und Baden-​Würt­tem­berg arbeiten der­zeit beide an einem Trans­pa­renz­ge­setz, das den Zugang zu Ver­wal­tungs­in­for­ma­tion ver­ein­fa­chen soll. Doch wäh­rend die rot-​grüne Lan­des­re­gie­rung unter Malu Dreyer dafür einen breiten öffent­li­chen Betei­li­gungs­pro­zess mit klarem Zeit­plan nutzt, kommt das Pro­jekt aus­ge­rechnet im grün-​rot regierten Baden-​Würt­tem­berg nicht voran.

Baden-​Würt­tem­berg gehört zu den fünf ver­blie­benen Bun­des­län­dern ohne Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz. Es gibt somit im Süd­westen keinen all­ge­meinen Anspruch der Bürger und der Jour­na­listen, Zugang zu Akten der Ver­wal­tung zu erhalten. Zwar können sich die Medi­en­ver­treter auf das Lan­des­pres­se­ge­setz berufen. Doch dem kommt die Pres­se­stelle in der Regel durch eine münd­liche Aus­kunft am Telefon nach, nicht durch Akten­ein­sicht oder Zusen­dung von Kopien. Die Ein­füh­rung eines Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setzes ist im Koali­ti­ons­ver­trag in Baden-​Würt­tem­berg ver­an­kert. Aber vier Jahre später liegt noch nicht mal ein Refe­ren­ten­ent­wurf als Dis­kus­si­ons­grund­lage vor – und der Spre­cher des SPD-​geführten Innen­mi­nis­te­riums wagt auch keine Pro­gnose, wann sein Haus etwas prä­sen­tieren kann. Es sieht daher so aus, als ließen sich die Grünen, die eigent­lich mit dem Ver­spre­chen von Trans­pa­renz und Bür­ger­be­tei­li­gung ange­treten sind, von einem eher unwil­ligen Koali­ti­ons­partner aus­bremsen. Mitt­ler­weile wird es daher immer frag­li­cher, ob ein so weit­rei­chendes Reform­pro­jekt in dieser Legis­la­tur­pe­riode, die in einem Jahr endet, über­haupt noch abge­schlossen werden kann.

Dabei sind die Grünen den Geg­nern der Trans­pa­renz im Süd­westen schon sehr weit ent­gegen gekommen – zu weit, wie Jour­na­lis­ten­or­ga­ni­sa­tionen und Bür­ger­rechts­ver­bände finden: Die Eck­punkte der Lan­des­re­gie­rung für einen Gesetz­ent­wurf fallen eher restriktiv aus. Sie ent­halten breite Aus­nah­me­klau­seln, etwa zum Schutz von Betriebs-​ und Geschäfts­ge­heim­nissen, die absolut gesetzt werden, ohne Abwä­gung mit dem öffent­li­chen Inter­esse, wie es eigent­lich Stan­dard ist. Auch die Selbst­ver­wal­tungs­or­gane der Wirt­schaft und die Lan­des­banken sollen pau­schal aus­ge­klam­mert werden. Durch die Mög­lich­keit, dass die Kom­munen kos­ten­de­ckende Gebühren erheben können, wird der Ver­wal­tung nach diesen Plänen zudem ein Weg eröffnet, unlieb­same Fra­ge­steller mit der Gebüh­ren­keule abzu­schre­cken. Vor allem aber sollen die aktiven Ver­öf­fent­li­chungs­pflichten, die die Behörden zwingen, von sich aus Unter­lagen ins Netz zu stellen, so schwach gere­gelt werden, dass der Nutzen gering sein dürfte.

Wie man ein Trans­pa­renz­ge­setz auch anders auf den Weg bringen kann, demons­triert zeit­gleich Rhein­land-​Pfalz. Dort gibt es zwar schon ein Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz. Aber es hat Schwä­chen und wird nun in der Koali­tion mit den Grünen zu einem Trans­pa­renz­ge­setz in Anleh­nung an die fort­schritt­li­chen Rege­lungen in Ham­burg wei­ter­ent­wi­ckelt. Ähn­lich wie im Norden sollen bald auch in Rhein­land-​Pfalz viele Infor­ma­tionen der Ver­wal­tung auto­ma­tisch in einem Trans­pa­renz­re­gister im Internet ver­öf­fent­licht werden, z.B. alle Ver­träge der öffent­li­chen Hand sowie Gut­achten und Stu­dien. „Die Ent­schei­dungen von Politik und Ver­wal­tung sollen nach­voll­zieh­barer werden. Dadurch ver­bes­sert die Lan­des­re­gie­rung die Mög­lich­keiten zum Mit­reden und Mit­ge­stalten“, ver­sprach Minis­ter­prä­si­dentin Dreyer beim Start eines breit ange­legten Betei­li­gungs­ver­fah­rens zur Geset­zes­ein­füh­rung. Alle Bürger und Ver­bände können den Refe­ren­ten­ent­wurf online nach­lesen und auf einer eigenen Platt­form kom­men­tieren. Beglei­tend fanden in den letzten Wochen Bür­ger­an­hö­rungen und Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tungen statt, die auch im Netz doku­men­tiert sind. Ab Juni sollen sich dann die Par­la­men­ta­rier mit dem Gesetz­ent­wurf befassen.

Noch weist der Ent­wurf eine Reihe von Schwä­chen auf, denn die Kom­munen bleiben von der aktiven Ver­öf­fent­li­chungs­pflicht aus­ge­klam­mert und müssen nur auf Antrag ihre Infor­ma­tionen frei­geben. Auch die Hand­werks­kam­mern blieben nach der­zei­tigem Stand außen vor, genauso wie der Lan­des­rech­nungshof. Ein zivil­ge­sell­schaft­li­ches Bündnis aus Netz­werk Recherche, dju in ver.di und Deut­schem Jour­na­lis­ten­ver­band zusammen mit meh­reren Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sa­tionen hat daher bereits Nach­bes­se­rungen gefor­dert.

Warum es in Rhein­land-​Pfalz besser vor­an­geht als in Baden-​Würt­tem­berg, hängt sicher­lich auch mit dem Enga­ge­ment auf höchster Ebene zusammen: Minis­ter­prä­si­dentin Dreyer hat die Trans­pa­renz­of­fen­sive zu ihrem per­sön­li­chen Anliegen gemacht und stellt sich bei den öffent­li­chen Ver­an­stal­tungen der Dis­kus­sion. Von ihrem Amts­kol­legen Win­fried Kret­sch­mann hört man bisher wenig zu diesem Thema. Die Gegner der Trans­pa­renz, die es in der Ver­wal­tung zahl­reich gibt, haben es daher leicht, im Süd­westen auf Zeit zu spielen und auf das Ende der Legis­la­tur­pe­riode zu warten. Einen stra­te­gi­schen Plus­punkt können die Gegner schon ver­bu­chen: Für ein inten­sives öffent­li­ches Betei­li­gungs­ver­fahren wie in Mainz ist die Zeit in Stutt­gart jetzt schon zu knapp.

Man­fred Redelfs

Erschienen in: M – Men­schen Machen Medien, Nr. 2/2015, Mai 2015.

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