Leucht­turm 2012 für René Wappler und Wolf­gang Kaes

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 9. November 2012 | Lese­zeit ca. 13 Min.

Berlin/Mün­chen – Der “Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tungen” der Jour­na­lis­ten­ver­ei­ni­gung Netz­werk Recherche (nr) geht in diesem Jahr zu glei­chen Teilen an René Wappler von der Lokal­re­dak­tion Sprem­berg der “Lau­sitzer Rund­schau” und Wolf­gang Kaes vom Bonner “General-​Anzeiger”. Damit zeichnet der Verein inves­ti­ga­tiver Jour­na­listen in Deutsch­land erst­mals zwei her­aus­ra­gende Leis­tungen im Lokal­jour­na­lismus aus. “Beide Kol­legen haben gezeigt, dass es keine Frage des Blattes ist, für das man schreibt, ob man groß­ar­tige Recher­chen zustande bringt”, sagte der Zweite Vor­sit­zende von Netz­werk Recherche, Markus Grill, “viel­mehr sind beide mit der Neu­gier, dem eigen­stän­digen Denken und dem Dick­schädel, den sie bei ihren Recher­chen an den Tag gelegt haben, Vor­bilder auch für andere Jour­na­listen.”

Wolf­gang Kaes hatte in diesem Jahr den Fall der seit 16 Jahre ver­missten Arzt­hel­ferin Trudel Ulmen recher­chiert und mit seinen Berichten die Polizei dazu gebracht, die längst ein­ge­stellten Ermitt­lungen erneut auf­zu­nehmen. Am Ende stellte sich heraus, dass die Frau nicht ein­fach ver­misst, son­dern schon vor 16 Jahren von von ihrem Ehe­mann getötet wurde. “Wolf­gang Kaes hat sich weder von der Polizei noch von der Staats­an­walt­schaft in seinen Recher­chen abbringen lassen und damit ent­schei­dend dazu bei­getragen, dass dieser Fall nach 16 Jahren gelöst werden konnte”, teilt Netz­werk Recherche mit.

Der zweite Preis­träger René Wappler arbeitet in der Lokal­re­dak­tion Sprem­berg der “Lau­sitzer Rund­schau”. Er hat gegen Wider­stände über die Neo­nazis vor Ort recher­chiert, über ihre heim­li­chen Treffen und die Nähe zum ört­li­chen Rocker­klub. Unbe­kannte Täter klebten dar­aufhin Wapp­lers Artikel an das Büro der Lokal­zei­tung, sprayten an die Schau­fenster “Lügen­presse halt die Fresse” und hängten Ein­ge­weide eines frisch geschlach­teten Tieres an das Redak­ti­ons­schild. Wappler, der mehr­fach per­sön­lich bedroht wurde, recher­chiert gemeinsam mit seinen Kol­legen aber weiter über die Rechts­ex­tremen vor Ort, auch der Chef­re­dak­teur der “Lau­sitzer Rund­schau”, Johannes Fischer, erklärte nach den Atta­cken: “Wir fühlen uns ermun­tert, noch inten­siver zu recher­chieren.” Markus Grill erklärte in seiner Lau­datio: “Mit ihren Recher­chen über die Neo­nazis vor Ort ver­tei­digen Sie die Pres­se­frei­heit ganz kon­kret – und Sie ver­tei­digen sie für uns alle. Dafür gebührt Ihnen großer Respekt.”

Der “Leucht­turm” wird am Freitag, 9. November 2012, ab 18.30 Uhr bei der “Süd­deut­schen Zei­tung” in Mün­chen im Rahmen der Netz­werk Recherche-​Fach­kon­fe­renz zum Lokal­jour­na­lismus ver­liehen. Im Rahmen der Preis­ver­lei­hung hält der Münchner Ober­bür­ger­meister und gelernte Jour­na­list Chris­tian Ude eine Rede zur Lage des Lokal­jour­na­lismus.

Die Preis­träger der ver­gan­genen Jahre waren 2011 die “FAZ” und die “FAZ am Sonntag”, 2010 Arno Luik (“stern”), Andreas Zielke (“Süd­deut­sche Zei­tung”) und Heiner Geißler, 2009 der Repor­ter­pool von “NDR Info” und 2008 Peter Mer­se­burger für sein Lebens­werk.

Lau­datio von Markus Grill

Leucht­turm-​Preis­träger 2012: Rene Wappler (“Sprem­berger Rund­schau”) und Wolf­gang Kaes (“Bonner Gene­ral­an­zeiger”)
Lau­dator: Markus Grill, Vor­stand Netz­werk Recherche

Sehr geehrter Herr Ude,
sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Herr Prantl,
liebe Kol­le­ginnen und Kol­legen,
lieber Herr Kaes, lieber Herr Wappler,

kann man über­haupt inves­ti­gativ arbeiten, ohne ein Netz geheimer Infor­manten zu haben? Ohne eine prall gefüllte Spe­sen­kasse und ohne die Haus­ju­risten eines großen Ver­lags im Rücken? Kann man in einer Lokal­re­dak­tion über­haupt gründ­lich und hart­nä­ckig recher­chieren? Oder soll man dieses Geschäft nicht lieber den großen Blät­tern in Ham­burg und Mün­chen über­lassen?

Das “Netz­werk Recherche” ver­gibt heute Abend seinen “Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tungen” und wir freuen uns, dass der Preis in diesem Jahr pas­sen­der­weise an zwei Jour­na­listen geht, die bei Lokal-​ und Regio­nal­zei­tungen arbeiten und die all das, was ich eben auf­ge­zählt habe, in ihrem Alltag nicht zur Ver­fü­gung haben.

Der erste “Leucht­turm” 2012 geht an die Lokal­re­dak­tion Sprem­berg der “Lau­sitzer Rund­schau” für ihre hart­nä­ckigen Recher­chen zum Rechts­ex­tre­mismus vor Ort. Rene Wappler und seine Kol­legen haben sich auch nicht abschre­cken lassen durch Atta­cken auf die Redak­tion und kon­se­quent über die Neo­nazis vor Ort recher­chiert.

Der zweite “Leucht­turm” geht an einen Jour­na­listen mitten im Herz der alten Bun­des­re­pu­blik, an Wolf­gang Kaes vom Bonner “Gene­ral­an­zeiger”, der zugleich auch Kri­mi­autor ist, und der in diesem Jahr mit seinen Recher­chen dazu bei­trug, einen 16 Jahre alten realen Mord auf­zu­klären.

Doch zuerst zu den Kol­legen im Osten der Repu­blik: Sprem­berg ist eine Klein­stadt in Bran­den­burg, bis zur pol­ni­schen Grenze sind es gerade noch 25 Kilo­meter. Im ver­gan­genen Jahr­hun­dert wuchs in der Stadt der Schrift­steller Erwin Stritt­matter auf, und es ist bis heute auch der ein­zige Name, den man außer­halb der Region noch mit Sprem­berg ver­bindet.

Knapp 24.000 Men­schen leben heute in Sprem­berg, für den Ber­liner Tages­spiegel eigent­lich ein “großes Dorf”. Seit der Wende sank die Zahl der Ein­wohner um 20 Pro­zent, bis 2030 wird der Rück­gang 50 Pro­zent betragen. Mitt­ler­weile halten nicht mal mehr die Züge der Deut­schen Bahn, nur noch die pri­vate Ost­deut­sche Eisen­bahn­ge­sell­schaft ver­bindet Zug­rei­sende mit dem nahe­ge­le­genen Cottbus.

Das mar­kan­teste Denkmal von Sprem­berg ist der Bis­marck­turm. Schon von Weitem kann man die Inschrift auf ihm lesen: “Wir Deut­sche fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt.”

An diesem Bis­marck­turm trafen sich Anfang dieses Jahres mehr als 30 ver­mummte Neo­nazis mit Fahnen und Trans­pa­renten. Über dieses bis dahin geheime Treffen hatten Sie, Rene Wappler, am 28. April in der “Lau­sitzer Rund­schau” berichtet. Einen Tag später beschmierten Unbe­kannte das Gebäude der Lokal­re­dak­tion Sprem­berg, in der Wappler arbeitet, klebten Kopien seines Arti­kels an die Wand und sprayten ans Schau­fenster: “Lügen­presse halt die Fresse”.

In der dar­auf­fol­genden Nacht kamen die Täter erneut. Diesmal hängten sie Ein­ge­weide eines frisch geschlach­teten Tieres an das Schild der Lokal­radak­tion, das Blut tropfte auf den Boden.

Doch die Dro­hung in Mafia-​Manier ver­fehlte ihre Wir­kung. Am Tag danach sagten Sie, Herr Wappler, einer Repor­terin aus Berlin: “Wir lassen uns nicht ein­schüch­tern” und Chef­re­dak­teur Johannes Fischer erklärte: “Wir fühlen uns ermun­tert, noch inten­siver zu recher­chieren”. Im Blatt schrieb Fischer einen Kom­mentar, in dem er ver­sprach: “Ihre Hei­mat­zei­tung wird weiter Flagge zeigen”.

Wappler berich­tete danach, wie die Stadt­ver­ord­neten von Sprem­berg mit dem Pro­blem des Rechts­ex­tre­mismus umgehen, er recher­chierte zusammen mit seiner Kol­legin Simone Wendler die Ver­bin­dungen des ört­li­chen Rocker­klubs zu den Neo­nazis und berich­tete, wie der Ver­fas­sungs­schutz die Szene ein­schätzt.

Die Reak­tionen waren gespalten, sagt Wappler: Einige wenige hätten ihm anschlies­send gesagt, dass sie seine Berichte gut fänden. Viele wollten mit dem Thema Rechts­ex­tre­mismus aber gar nichts zu tun haben, und einige, wie der CDU-​Frak­ti­ons­chef Hartmut Höhna kri­ti­sierten öffent­lich: “Die Medien ziehen unsere Stadt mit ihrer Art der Bericht­erstat­tung in den Dreck.”

Die These dahinter sei, so Wappler, dass man die Nazis ein­fach igno­rieren müsse. Wenn man über sie schreibe, ver­schaffe man den Nazis dagegen nur eine Bühne.

Diese Ansicht sei vor allem in den neun­ziger Jahren ver­breitet gewesen, erin­nert sich Wappler. Aber sie habe sich als falsch erwiesen: Die Rechts­ex­tremen sind nicht ver­schwunden, son­dern treten immer unver­fro­rener auf: Sie orga­ni­sieren Jugend­camps, for­dern auf dem Markt­platz den Aus­tritt aus dem Euro, nehmen an Tier­schutz-​Aktionen teil und gewinnen Abge­ord­ne­ten­sitze.

Die Polizei in Sprem­berg hat die Atta­cken auf die Lokal­re­dak­tion der “Lau­sitzer Rund­schau” bisher nicht auf­ge­klärt. Rene Wappler sieht sich der­weil neuen Nadel­sti­chen aus­ge­setzt: Als er im Sommer vor seiner Redak­tion eine Ziga­rette rauchte, explo­dierte neben ihm ein Knall­körper. Und als er abends von einem Stadt­fest zu seinem Auto gehen wollte, “beglei­teten” ihn acht Jun­gnazis. Die her­bei­ge­ru­fene Polizei riet ihm, lieber nicht direkt zu seinem Auto zu gehen.

Trotz dieser Anfein­dungen bleibe der Jour­na­lismus für Sie, Herr Wappler, ein Traum­beruf. Als Jour­na­listen seien wir eben nicht nur dazu da, die ange­nehmen Geschichten zu machen, son­dern müssten auch “durch die unan­ge­nehmen Geschichten durch”.

Eigent­lich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Aber ist es wirk­lich selbst­ver­ständ­lich, dass Lokal­re­dak­tionen sich gegen die Stim­mung in ihrer Hei­mat­stadt stemmen? Dass sie etwas zum Thema machen, was die Leser viel­leicht gar nicht unbe­dingt lesen wollen?

Von seinen Recher­chen und Berichten über die Rechts­ra­di­kalen in Sprem­berg wollen Wappler und seine Kol­legen jeden­falls nicht lassen. “Ich bin in der DDR auf­ge­wachsen und weiß, was es heißt, keine Pres­se­frei­heit zu haben”, sagt er. “Ich bin sehr froh, dass wir die nun haben und wir sollten sie auch ver­tei­digen.”

Ein Satz, der mich berührt, weil er zeigt, dass Sie etwas schätzen, das wir Wessis viel­leicht als viel zu selbst­ver­ständ­lich wahr­nehmen. Aber genau darum geht es: um Pres­se­frei­heit. Die Frei­heit, das zu sagen, was ist, wollen Ihnen die Nazis im Sprem­berg nehmen.

Mit Ihren Recher­chen über die Neo­nazis vor Ort ver­tei­digen Sie dieses Grund­recht ganz kon­kret – und Sie ver­tei­digen es für uns alle. Dafür gebührt Ihnen großer Respekt.

Der erste Leucht­turm des “netz­werks recherche” 2012 geht an Rene Wappler und die “Sprem­berger Rund­schau”. Herz­li­chen Glück­wunsch!

Die unglaub­liche Geschichte, die der zweite Preis­träger, Wolf­gang Kaes, recher­chierte, begann damit, dass Ende letzten Jahres eine Annonce, die für die Anzei­gen­ab­tei­lung bestimmt war, aus Ver­sehen auf seinem Schreib­tisch in der Redak­tion des “Bonner Gene­ral­an­zei­gers” lan­dete. Es han­delte sich um eine Mit­tei­lung des Amts­ge­richts Rheins­bach, dass eine gewisse Ger­trud Ulmen sich bis 28. Februar 2012 in Zimmer 207 des Amts­ge­richts ein­finden soll – sonst werde sie für tot erklärt.

Kaes stutzte über diese acht Zeilen-​Nach­richt, weil er den Fall der seit 16 Jahren ver­missten Arzt­hel­ferin gar nicht kannte. Er wollte eigent­lich eine Geschichte recher­chieren, was das für Leute seien, die plötz­lich ver­schwinden, sagt Kaes. Aber nach ersten Gesprä­chen mit den Ange­hören hatte er schon starke Zweifel, ob Trudel Ulmen damals tat­säch­lich ein­fach so ver­schwunden ist.

Ihr frü­herer Ehe­mann jeden­falls mel­dete sie im März 1996 zunächst ver­misst, erklärte aber vier Tage später, sie habe ange­rufen und gestanden, mit ihrem por­tu­gie­si­schen Lieb­haber durch­ge­brannt zu sein. Die Polizei glaubte dem Ehe­mann – und schloss die Akte.

Die Familie hin­gegen blieb fas­sungslos, weil das Ver­schwinden anschei­nend so gar nicht zu der braven Arzt­hel­ferin passte.

Kaes mel­dete sich bei der Familie, die ihm bereit­willig Aus­kunft erteilte. Auch die Freun­dinnen der ver­missten Frau spra­chen mit Kaes, Arbeits­kol­le­ginnen, Vor­ge­setzte und Ermittler. Einer der wenigen, die nicht mit dem Reporter spre­chen wollten, war der Ehe­mann von Trudel Ulmen.

Am 9. Januar ver­öf­fent­lichte Kaes eine Dop­pel­seite im Bonner “Gene­ral­an­zeiger” über den mys­te­riösen Fall vor 16 Jahren – und brachte die Polizei dazu, die Ermitt­lungen erneut auf­zu­nehmen.

An dieser Stelle sollte man viel­leicht erwähnen, dass Kaes bis zum Abitur selbst schwankte, ob er lieber Poli­zist oder Jour­na­list werden sollte. Er wurde Jour­na­list, pflegt seine kri­mi­na­lis­ti­sche Ader aber bis heute, in dem er Kri­mi­nal­ro­mane schreibt, die ähn­lich rea­lis­tisch anmuten, wie die seines Stutt­garter Kol­legen Wolf­gang Schorlau.

Diese gefühlte Nähe zu den Ermitt­lern sorgte ver­mut­lich auch dafür, dass Kaes die Polizei in seinen Recher­chen nie scharf kri­ti­sierte, “obwohl die mich anfangs ange­logen haben”, wie er sagt. Er ver­suchte es statt dessen mit einer Umar­mungs­stra­tegie, lobte den nun ein­set­zenden Eifer der Ermittler – und setzte sie damit unter Zug­zwang.

Außerdem habe er der Polizei seine Recherche-​Ergeb­nisse zur Ver­fü­gung gestellt, sagt Kaes. “Ich weiss zwar, dass das Dinge waren, die Jour­na­listen nie machen sollten, aber ich habe es trotzdem getan.”. Denn er habe sich selbst tie­risch dar­über geär­gert, dass ein Mensch ver­schwinden könne, ohne dass sich jemand dafür inter­es­siert. Er sagt: “Ich habe im Fall Trudel Ulmen auch gelernt, wie sehr sich Men­schen von Behörden allein gelassen fühlen.” Für die Familie sei er, der Jour­na­list, der letzte Hoff­nungs­schimmer gewesen.

Obwohl Wolf­gang Kaes von der Polizei abge­speist und von der Staats­an­walt­schaft abge­bürstet worden war, hat er die Geschichte nicht los­ge­lassen. Gerade aber weil Sie weiter gebohrt haben Herr Kaes, und sich nicht haben abspeisen lassen, konnten sie helfen, den Fall auf­zu­klären. Und genau diese Hart­nä­ckig­keit zeichnet sie aus.

Denn erst nachdem Sie begonnen hatten, über den Fall zu berichten, führte die Polizei einen DNA-​Ver­gleich durch mit einer bisher unbe­kannten Frau­en­leiche, die eben­falls vor 16 Jahren nur zwanzig Kilo­meter vom Wohnort der Ver­missten ent­fernt, gefunden wurde. Der Ver­gleich ergab, dass es sich bei der Toten tat­säch­lich um die ver­misste Trudel Ulmen han­delt.
Kurz danach gestand auch ihr Ehe­mann, seine Frau damals nach einem Streit mit einem Kissen erstickt zu haben.

Für Wolf­gang Kaes war die Lösung des Falls eine Erleich­te­rung – auch weil er, wie er zugibt, nicht wusste, was er noch hätte schreiben können. Nie­mals zuvor habe er so lange und so intensiv an einem Fall recher­chiert, sagt Kaes. Mit ins­ge­samt 62 Leuten sprach er, mit den meisten sogar in seiner Frei­zeit.

Was ist aber von der man­gelnden Distanz zu halten, die Kaes selbst ein­ge­räumt hat? Jeder von uns hat den meist zitierten Satz des frü­heren Tages­themen-​Mode­ra­tors Hans-​Joa­chim Fried­richs im Ohr: „Einen guten Jour­na­listen erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache”.

Wolf­gang Kaes hat sich gemein gemacht, zum Bei­spiel mit dem Anliegen der Familie, die Wahr­heit über die ver­misste Trudel Ulmen her­aus­zu­finden. Soll man ihn dafür tadeln? Nein.

Ich glaube, Fried­richs bekannter Satz wird heute vor allem von den Zyni­kern unseres Berufs benutzt, denen Enga­ge­ment und Hal­tung hoff­nungslos alt­mo­disch vor­kommen und die statt dessen ihre angeb­lich kri­ti­sche Distanz wie eine Mons­tranz vor sich her­tragen. Dabei lassen sie sich gleich­zeitig jedes Zitat eines Mäch­tigen von seiner Pres­se­stelle auto­ri­sieren.

Sie, Herr Kaes, haben sich von den Mäch­tigen dagegen nicht von Ihrer Geschichte abbringen lassen. Sie haben Partei ergriffen für die Schwächsten in diesem Fall: den Bruder, die Schwester und die Mutter der Ermor­deten. Es war die rich­tige Ent­schei­dung und die zahl­rei­chen Reak­tionen von Lesern haben Ihnen das ver­mut­lich auch bestä­tigt.

Die ent­schei­dende Rolle in Ihrer Recherche habe der Ver­trau­ens­vor­schuss gespielt, den eine lokale Tages­zei­tung geniesse, haben Sie ein­ge­räumt. Zu sagen: “Guten Tag, ich komme vom Bonner Gene­ral­an­zeiger”, sei etwas anderes, als zu sagen, “Guten Tag, ich komme von der Bild-​Zei­tung”. Und sie waren erstaunt, wie viele Men­schen bereit gewesen waren, mit Ihnen zu spre­chen. “Ohne die lokale Nähe hätte das alles nicht funk­tio­niert”, so Ihre Erfah­rung.

Der Kern des Jour­na­lismus sei für Sie immer noch Auf­klä­rung, auch wenn das ein großes Wort sei. “Wenn die Leute etwas lesen von mir und anschlies­send glauben, einen Aus­schnitt der Welt besser zu ver­stehen, dann hat es sich gelohnt”, sagt Wolf­gang Kaes. Des­halb schreiben Sie auch rea­lis­ti­sche Krimis, bei denen zwar die Hand­lung erfunden sei, in denen aber den­noch die Rea­lität beschrieben werde.

Für mich zeigen Rene Wappler und Wolf­gang Kaes, dass es keine Frage des Blattes ist, für das man arbeitet, ob man groß­ar­tige Recher­chen zustande bringt. Mit der Neu­gier, dem eigen­stän­digen Denken und dem Dick­schädel, den sie an den Tag gelegt haben, sind sie Vor­bilder auch für andere Jour­na­listen. Des­halb erhalten Sie beide heute den “Leucht­turm für beson­dere publi­zis­ti­sche Leis­tungen”.

Herz­li­chen Glück­wunsch Ihnen beiden!

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