Leuchtturmpreisträger 2020: Für die drei Rechtsextremismus-Experten Andrea Röpke, Julian Feldmann und Anton Maegerle
Laudatorin: Ilka Brecht, Redaktionsleiterin und Moderatorin Frontal21 / ZDF
19. Juni 2020
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gruß aus Berlin!
Zunächst ein Rückblick: 2007, also vor dreizehn Jahren, hieß es in der Begründung vom Netzwerk Recherche für den Leuchtturm: „Ausgezeichnet werden Journalisten, die seit vielen Jahren in der rechten Szene mit unermüdlichem persönlichen Einsatz und anerkannter fachlicher Qualifikation recherchieren.“ Andrea Röpke und Anton Maegerle kennen diese Worte, denn sie zählten damals zu jenen – mit dem Leuchtturm ausgezeichneten – Journalisten.
2007, das ist lange her, und Julian Feldmann war noch nicht dabei – aber die Begründung ließe sich für alle drei auch heute wiederholen. Beziehungsweise toppen. Denn zu den „vielen Jahren der Recherche in der rechten Szene“ sind schließlich nochmal einige hinzugekommen.
Der lange Atem von Andrea Röpke, Julian Feldmann und Anton Maegerle ist beeindruckend. Sie recherchieren, dokumentieren, analysieren hartnäckig und ausdauernd. Sie bleiben dran. Nicht mal eben so, als „Wir bleiben dran“-Abmoderation im Fernsehmagazin, sondern – wie gesagt – über Jahre, sogar Jahrzehnte. Sie tun das auch dann, wenn das Thema Rechtsradikalismus in den diversen Redaktionen gerade keine „Konjunktur“ hat. Kurzum: Sie stehen, während andere sich wieder hinlegen. Diese Standhaftigkeit auf diese lange Strecke, das nenne ich Haltung.
Und sie machen daraus kein Bohei, sondern einfach immer weiter ihren Job. Obwohl sie dafür immer wieder aus der rechten Szene angegriffen werden – und das nicht nur verbal. Sie sind unerschrockene Sachverständige im Sinne der Aufklärung. Nur ein paar Beispiele für ihre Leistung:
Durch das akribische Protokollieren von Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund über Jahrzehnte wird nachgewiesen, dass die Zahl weit höher liegt als behördlich erfasst. Das ist auch für die Opfer und ihre Angehörigen unfassbar wichtig.
Durch das Fotografieren und Filmen bei Treffen im rechten Milieu, verdeckt und unter hohem persönlichen Risiko vorgenommen, wird entlarvt, dass der eine oder andere AfD-Politiker einen rechtsradikalen Bezug hat.
Durch das Stellen eines verurteilten Kriegsverbrechers wird dokumentiert, dass dessen Gewissenlosigkeit ewig ist.
Ihre tiefgründige Kenntnis der Personen, der Strukturen und Verflechtungen des Rechtsextremismus ist also das Fundament für Aufklärung und wird in der Gesellschaft dringend gebraucht. Diverse Medien, auch investigativ arbeitende Redakteurinnen und Redakteure, die selbst durchaus im Thema sind, nutzen ihre Hinweise für die Berichterstattung. Ich stelle mir folgenden Dialog mit Anton Maegerle, der ja über ein enormes Archiv verfügt, als typisch vor. Frage: „Hast Du zu XY Hinweise zu einem rechtsextremen Hintergrund?“, Antwort: „Habe ich. Aber die Redaktion XY aus Hamburg, Köln, Berlin, München oder sonstwo hat schon vor Dir angefragt.“
Also, liebe Preisträger*innen: Immer dann, wenn wieder mal etwas passiert, dann klopfen wir mal wieder an. Medien, Magazine, Redaktionen profitieren von ihrer Expertise. Salopp gesagt – auch selbstkritisch: Sie drei laufen eine Marathonstrecke – wohlgemerkt als freie Journalist*innen, die dafür nicht durchgängig honoriert werden in Form von Geld. Wir übernehmen den Staffelstab mitunter erst auf den letzten hundert Metern, laufen dann aber armereckend durchs Ziel und freuen uns über die Exklusivmeldung „Nach Recherchen von Frontal21“, usw usw.
Hinzu kommt, dass Andrea Röpke, Julian Feldmann und Anton Maegerle als freie Journalist*innen da draußen nicht so geschützt sind wie Diejenigen drinnen in den Redaktionen – so wie ich zum Beispiel. Ich habe durch das ZDF ein Justitiariat im Hintergrund – und ganz nebenbei auch ein sicheres Gehalt. Dass die drei Preisträger*innen trotzdem weiter standhaft sind und dranbleiben, verdient allerhöchste Anerkennung. Dass sie ihren Mut nicht verlieren, macht uns allen Mut. Auch in diesem Sinne bringen sie immer wieder Licht ins Dunkel.
Liebe Andrea Röpke, lieber Julian Feldmann, lieber Anton Maegerle. Ich gratuliere zum Leuchtturm.
Die Laudatio von Ilka Brecht ist als Videomitschnitt hier verfügbar.