Laudatio zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2008

Austerpreisträger: das Internationale Olympische Komitee (IOC)
Laudator: Andrew Jennings, investigativer Journalist

Guten Tag. Es ist mir eine echte Freude, hier zu sein – und das sogar am hellen Tag. Ich habe so viel Zeit in den letzten 40 Jahren in dunklen Ecken verbracht und dunklen Machenschaften hinterher recherchiert. Es tut gut, von Leuten wie Ihnen umgeben zu sein, die wie ich nach der Wahrheit graben und nicht vor ein bisschen echtem Sonnenschein zurückschrecken.

Wir bringen Jahre bei der Recherche in dunklen Labyrinthen zu, wir befriedigen die Ängste unserer Medienjuristen, wir glauben, dass unsere Arbeit breit bekannt werden sollte weil wir FÜR die Menschen arbeiten und ihnen Wissen und Fakten an die Hand geben wollen, bevor sie bei einer Wahl ihr Kreuz machen. Wir sagen ihnen natürlich nicht, wen sie zu wählen haben – wir stellen ihnen die Kandidaten vor und wofür sie stehen. Alles was wir wollen ist eine gesunde, ehrliche, offene Gesellschaft.

Heute verleihen wir die Verschlossene Auster – an einem Mann und seine Organisation. Beide haben die Auster verdient. Denn ihr Verhalten richtete sich gegen Reporter, die nur die Wahrheit herausfinden wollten.

Als Autor und TV-Journalist ist das eine echte Herausforderung: Wie können wir die Öffentlichkeit für unsere Recherchen interessieren, wie können wir ihre Aufmerksamkeit erreichen für die wichtigen Dinge, die wir aufdecken?

Wir brauchen die Wahrheit, um unsere Freiheit zu bewahren. Sie bringt uns manchmal auch zum Lachen. Denn unsere Preisträger machen sich manchmal richtig zum Affen.

Es war eine beschwerliche Reise nach Hamburg aus meinem Dorf, das in den Hügeln Nordenglands liegt, umgeben von Hirten und Schrotflinten – die jedem Fremden gegenüber misstrauisch sind. Vor allem, wenn sie wie Gangster aussehen und nach dem Weg zu meiner Farm fragen.

Als ich gestern am Flughafen Manchester ankam, wartete am Check-In eine dringende Nachricht auf mich: Ruf in Deutschland an, es ist sehr wichtig! Ich rief also an, und eine altbekannte Stimme flüsterte: „Am Samstag darfst du keine Witze machen. Wir Deutsche sind ernste Menschen – wir lachen nicht bei offiziellen Anlässen wie diesem hier.“

Könne Sie also bitte die Türen da hinten abschließen, damit niemand weglaufen kann. Wenn Sie nicht mögen, was sie gleich hören werden, können Sie ja hinterher immer noch ihr Geld zurück verlangen.

Bevor ich die Preisträger offenbare, wurde ich vom Veranstalter gebeten, eine wichtige Ankündigung zu machen: In diesem Raum, befindet sich ein Verbrecher. Er wurde schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Passen Sie also auf ihre Laptops, Handys und Geldbörsen auf! Gut. Von hier oben kann ich gut sehen, wo sie Ihr Geld versteckt haben.

Der Verbrecher bin nämlich ICH: ich wurde 1994 verurteilt, als unsere Preisträger vor ein Schweizer Gericht zogen und dort Lügen über mich zu Protokoll gegeben haben. Sie werden verstehen, dass es mir sehr große Freude bereitet, ihnen heute diese Auszeichnung zu verleihen.

Unser Preisträger ist ein Deutscher, zuletzt sah ich ihn im Juni 1999, als er einen anderen Mann umarmte. Es war in der Lobby des National Arts Center in Seoul bei einem großen internationalen Empfang.

Der andere Mann war ein Milliardär, der größte Plünderer des brasilianischen Regenwalds, ein korrupter Krimineller und guter Freund eines der schlimmsten Diktatoren der Erde. Ihm wurde vorgeworfen, zweieinhalb Millionen Menschen in Borneo vertrieben und ausgemerzt zu haben, die seinen Planierraupen im Weg standen.

Sie werden längst wissen, dass dieser Verbrecher, der Indonesier Bob Hasan, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees ist. Der heutige Preisträger, und sein Freund der teuflische Bob Hasan, waren damals von einem dritten Mann zusammen gebracht worden, der auch klein von Wuchs ist – und dafür ein um so größeres Ego hat.

(FOTO 2: J. A. SAMARANCH)

Hier ist der dritte Mann, zweiter von links – in einer schmissigen Faschisten-Uniform, wie er 1954 durch Barcelona marschiert.

Auf dem Foto sehen wir einen rechten Haufen, der die Bevölkerung einschüchtert. Achten Sie auf die Fackeln. Falls man heute so mein Foto machen würde, trügen die Herren statt der Uniformen und blauen Hemden allerdings blaue und weiße Sportanzüge und Sonnenbrillen.

Achten Sie auf den rechten Arm! Er wird muskulöser über die nächsten 20 Jahre, während sein Besitzer Besitz ergreift von der heute mit der verschlossenen Auster ausgezeichneten Organisation. Und er wird Mentor sein unseres heutigen Auster-Gewinners, der eigentlich ein Rechtsanwalt aus Würzburg ist.

Der war Teil der Fecht-Equipe, die bei den Olympischen Spielen in Montreal 1976 Gold holte und später von einem weiteren Mann entdeckt wurde, der wusste, wie man Menschen besticht und korrumpiert.
Horst Dassler, dessen Familie Adidas gehört, stellte unseren Champion ein, und er arbeitete seitdem für das, was wir investigativen Reporter das “Team der faulen Tricks“ nennen.

(FOTO 3 THOMAS BACH)

… ja, Sie haben es geahnt: Er ist es! Herr Bach blieb blütenweiß während seine Kollegen um ihn herum Wahlen manipulierten und Bestechungsgelder zahlten, um Sportfunktionäre an die richtigen Stellen in den internationalen Spitzenorganisationen zu bringen – und ihnen Verträge mit Adidas abzuluchsen.

Für Bach war es der Anfang einer wunderbaren Freundschaft mit den Betrügern, die uns den Sport weggenommen haben. Die Adidas-Freunde, die auch für Horst Dasslers andere Firma International Sports & Leisure arbeiteten, die sich nicht zuletzt durch Bestechung die exklusiven TV-Rechte und das Marketing für Fußball-Weltmeisterschaften, Leichtathletik-Turniere und Olympia sicherten.

Der Mann, der die Olympischen Spiele an Dassler und seinen Apostel Thomas Bach war auch süchtig nach der denkwürdigen und verachtenswerten Übung mit dem ausgestreckten rechten Arm.

(FOTO 4 ARM SAMARANCH)

Hier sehen wir Juan Antonio Samaranch 1974, er ist der vierte von rechts, damals 54. Er war zu dieser Zeit Zivilgouverneur, und in diesem Jahr wurde die letzten Anti-Franco-Aktivisten im Innenhof des Stadtgefängnisses enthauptet.

Sechs Jahre später ließ Dassler Samaranch zum Präsidenten des IOC wählen, und Thomas Bach applaudierte von der Seitenlinie. Heute bekommen das IOC und Klaus Bach die verschlossene Auster.

Als ich 1992 ein Buch veröffentlichte, dass Samaranch als Karriere-Faschisten darstellte, wurde ich in Lausanne vors Gericht gezerrt. Samaranch stritt ab, je politisch aktiv gewesen zu sein und präsentierte dem Gericht ein Bild, auf dem der rechte Arm fehlte – und ich bekam fünf Tage Haft auf Bewährung. Für einen Journalisten ist das wie ein Orden. Und heute gebe ich dem IOC einen zurück.

Das IOC wurde berühmt für Bestechung und Korruption – wie die Rechte-Firma ISL. Im Strafgericht in Zug habe ich im Frühling gemeinsam mit Jens Weinreich gehört, das ISL mehr als 150 Millionen Schweizer Franken an internationale Sportfunktionäre gezahlt hat.

Gott sei Dank wusste Herr Bach nie etwas davon – nicht als er für Dassler arbeitete und auch nicht, als er 1991 in das korrupte IOC aufstieg und Seit an Seit mit korrupten Funktionären wie Joao Havelange und Sepp Blatter marschierte. Und wie gut, dass die bösen Buben bei Siemens nie ihrem Freund Thomas Bach von ihren schmutzigen Spielchen erzählten.

Erinnern wir uns einen Moment an diese feinen Kerle – und die paar Alibi-Frauen im IOC, um zu verstehen, warum sie würdige Preisträger der verschlossenen Auster sind:

Seine erste große Leistung brachte Samaranch bei den Olympischen Spielen in Moskau 1980: Niemand testete positiv auf Drogen – ich sage aber ausdrücklich nicht, dass es dort kein Doping gegeben hätte.

Denn Samaranch wurde der Freund aller Doper – und unterdrückte positive Testergebnisse bei den nächsten Spielen 1984 in Los Angeles. Warum eigentlich musste das IOC so lange auf diesen Preis warten?

Der Lärm, den Sie draußen hören, stammt von den großen LKWs, die Tonnen von Medaillen zurückbringen, die gedopte Sportlern bei den großen Events gewonnen haben. Doch nicht das IOC hat sie erwischt: Es waren die Behörden, die Polizei und das FBI.

Das IOC unterdrückte die positiven Doping-Ergebnisse wegen ihrer Sponsoren – oder Partner, wie wir sie eigentlich nennen sollen. Sie wollten schließlich saubere Spiele. Also wurden sie sauber gemacht.

Heute sind die Olympischen Spiele dankbare Plattform für die Hersteller von Zuckerwässern, die die Zähne unserer Kinder verfaulen lassen — und für die Hersteller mieser Hamburger, die sie fett machen. Thomas Bach reist derweil erster Klasse und schläft in den besten Hotels. Seine Drogen heißen Macht, Reichtum und politischer Einfluss.

Der stramm-rechte Samaranch erwählte selbst seinen Nachfolger Jacques Rogge – diesen Menschen mit schönen Zähnen, tollem Haar und der völligen Unfähigkeit, Samaranchs fröhliches Geschäft mit den Schlächtern vom Platz des Himmlischen Friedens rückgängig zu machen.

Jetzt hat Rogge Olympia für die Jugend angekündigt. Denn es ist so ja auch viel einfacher für die Doping-Chemie, neue Versuchskaninchen für ihre Präparate zu finden – gedopte Teenager. Danke Herr Bach, danke IOC – nehmen Sie doch gleich noch eine verschlossene Auster.

Aber IOC-Chef Rogge hat unsere Kinder längst verraten. 2006 lobte Rogge seine Partner auf einer Pressekonferenz und erklärte, „McDonald’s hat die Olympische Bewegung seit über 30 Jahren gefördert … und uns verbinden viele gemeinsame Ziele.“

Ich hatte bisher McDonald’s und Idealismus nie unter einen Hut gebracht, nicht einmal unters gleiche Universum. Und dann wurde mir klar: Eigentlich haben das IOC UND McDonald’s den heutigen Preis verdient.

Diese Menschen, die Kindern schaden, werden auch bei Eröffnungen der Olympischen Spiele in Peking sein. Und neben ihnen werden ihre Freunde sitzen, die Kinder umbringen.

Halten Sie Ausschau nach dem Helden der Wall Street, Mister Jeff Immelt. Er sponsert das IOC gleich doppelt. Einmal durch seinen Großkonzern General Electric und dann gleich nochmal durch dessen angeschlossenes TV-Unternehmen NBC.

Sie können es sich locker leisten, die Marke Olympia zu unterstützen, denn die hauseigene GE Bank hat sich an Hypotheken mit überzogenen Zinsen für ärmere Menschen dumm und dämlich verdient..

In der Öffentlichkeit muss Jeff nun ein bizarres Konzept vertreten, dass Samaranch erfunden hat, als es ihn, den Faschisten, nach dem Friedensnobelpreis gelüstete. man nennt es „Olympischer Waffenstillstand“. Natürlich funktioniert das Ganze nicht – es kann auch gar nicht funktionieren – aber das IOC verschwendet Geld für unsinnige „Friedens-Konferenzen“ und drängt die UNO dazu, wirkungslose Resolutionen zu verabschieden. Sie haben wahrscheinlich noch nie davon gehört.

Im Stillen mag Jeff über solchen Unsinn sogar unglücklich sein. Denn General Electric stellt die Motoren für viele der Bomber her, die im Irak ihr tödliches Geschäft verrichten. Ein Waffenstillstand während der Olympischen Spiele wäre also schlecht fürs Geschäft. Stellen Sie sich vor, Sie müssten George sagen, dass er im August für zwei Wochen niemanden bombardieren darf!

Und so ehren wir heute Herrn Bach und seine Freunde vom IOC, die so hart daran arbeiten, um zusammen mit den Medien-Zensoren in Peking dem chinesischen Volk und den Athleten aus aller Welt das Recht auf freie Meinungsäußerung zu versagen.

Als das IOC vor acht Jahren nach den Spielen von Salt Like City tief im Sumpf des Kohle-und-Sex-für-Stimmen-Skandals steckten – Herr Bach wusste wie immer nichts davon – kamen seine Medienberater Hill & Knowlton mit dem verzweifelten Slogan heraus: „Celebrate Humantiy“ – feiere die Menschlichkeit.

Letzte Woche fragte ein Reporter in Athen das IOC-Sprachrohr Giselle Davies, ob es OK wäre, wenn Athleten mit diesem Slogan in Peking antreten würden. Auf diese Frage hatte sie keine Antwort.

Und so geht die Verschlossene Auster 2008 an das IOC und den Mann, der es so typisch verkörpert. An Thomas Bach, von dem manche sagen, er sollte der nächste IOC-Präsident werden. Er wäre jedenfalls VOLL qualifiziert für den Job.

NOCH EINMAL BILD 3 – LACHENDER THOMAS BACH

Laudatio 2008 von Andrew Jennings (deutsch, 6 S., 23 KB)