Gegenrede zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2009

Austerpreisträger: Bundesverband deutscher Banken
Redner: Prof. Dr. Manfred Weber, Geschäftsführender Vorstand

 

Sehr geehrter Herr Professor Hickel,
meine Damen und Herren,

blickt man auf die Geschichte der „Verschlossenen Auster“ zurück und auf die Quote der Gegenreden, die hier „live“ abgegeben wurden, dann fragt sich manch einer vielleicht, warum ich hier bin. Die Antwort ist einfach: Die privaten Banken, der Bankenverband und ich persönlich nehmen diese Kritik ernst. Schon deshalb, weil die Finanzkrise ein Thema ist, das alle Ernsthaftigkeit verlangt.

Das Urteil der Medien über die Banken ist dabei nur ein Aspekt: Vor allem geht es um die Kunden und die Aktionäre der Banken, aber auch um die Stabilisierungsprogramme, die der Staat mit dem Geld – mit viel Geld – der Bürger und Steuerzahler zumindest absichert. Vor diesem Hintergrund sage ich gleich zu Beginn: Ja, auch ich kenne Fälle, zu viele Fälle, in denen private Banken unglücklich oder aus Ihrer Sicht unzureichend, jedenfalls nicht optimal kommuniziert haben; in denen Ihre – und auch meine – Erwartungen nicht erfüllt wurden. Dabei schließe ich den Verband mit ein. Und ich bin alles andere als froh, dass private Banken – zumindest vorübergehend – nicht ohne Hilfe des Staates auskommen.

Was ich aber zurückweise – und zwar dezidiert zurückweise –, ist der pauschale Vorwurf, wir hätten die Aufklärung der Finanzmarktkrise behindert oder gar die Presse fehlgeleitet, wir hätten Informationen blockiert oder seien nicht bereit zur selbstkritischen Analyse dieser Krise.

Viel ist heute von den Fehlern der Banken die Rede. Ja, die gab es – bei einigen Banken mehr, bei anderen weniger. Aber jeder Fehler war einer zu viel. Dazu haben wir uns immer wieder bekannt, es ist nachzulesen in Ihren Archiven. Man mag nun einwenden: Banken hätten sich noch mehr dem öffentlichen Dialog stellen, noch mehr Medienpräsenz zeigen müssen. Doch es gab und gibt immer wieder Situationen, in denen gilt: Feuerlöschen geht vor Öffentlichkeitsarbeit.

Was meine ich damit? Die Medien haben ausführlich über die bekannten Krisenfälle berichtet, etwa die IKB, die Landesbanken oder die HRE. Ich selbst habe manche dieser Krisensitzungen miterlebt, häufig am Wochenende und bis spät in der Nacht. Unter extrem hohem Zeitdruck müssen in solchen Situationen Lösungen gefunden werden, und zwar – um es auf den Punkt zu bringen – bevor die Märkte in Tokio am Montagmorgen öffnen.

Vertraulichkeit ist dabei ein absolutes Muss, wenn man Lösungswege nicht verbauen will. Es kommt daher zwangsläufig zu einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Information und dem Erfolg in der Sache. Deshalb gilt, so sehr ich natürlich – als Banker, als Ökonom, als Bürger – für Transparenz bin: Manchmal muss etwas gelöst sein, bevor man den Weg ans Mikrofon sucht. Alles andere schadet der Sache und auf Dauer auch der Glaubwürdigkeit.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die angebliche „Salamitaktik“. Wenn es aber heißt, Banken würden nur „scheibchenweise“ informieren, dann muss man wissen, dass Banken an die inter-nationalen Bilanzvorschriften gebunden sind. Diese fordern eine Bewertung der Papiere an einem bestimmten Stichtag zu Marktpreisen. Marktpreise wiederum sind volatil, und in dieser Krise sind sie äußerst volatil – bis zu dem Punkt, dass Preise gar nicht zu bestimmen waren oder sind, weil Märkte nicht mehr funktionieren und künftige – erwartete Entwicklungen nicht vorweg-genommen werden können.

Um es anschaulich zu machen: Wenn die Straße überflutet ist und Sie, während ihr Keller weiter vollläuft, die Versicherung anrufen und sagen, „es sind 30 Zentimeter“, am nächsten Tag aber mitteilen müssen, „es ist doch ein halber Meter geworden“, weil es nämlich weiter geregnet hat, dann ist das keine Salamitaktik.

So viel zum Thema Kommunikation. Es wird aber auch inhaltliche Kritik ins Feld geführt:

Der erste Vorwurf lautet: „Banken stehen für einen „staatsfreien“ Markt, für einen unkontrollierten Turbokapitalismus.“ Richtig ist aber: Private Banken waren stets für wirksame Regulierung. Lassen Sie mich dies belegen:

Zum einen: Der Bankenverband hat eine europäische Finanzaufsicht für grenzüberschreitend tätige Banken bereits im Jahre 2000 gefordert, vor neun Jahren. Gebremst, ja, dieses Thema vertagt, haben andere. Es gab lange Zeit keinerlei Unterstützung für diesen Vorschlag. Heute – im Zuge der Krise – stößt unsere Position auf viel Zustimmung. Der Bankenverband steht jedoch weiter sozusagen „an der Spitze der Bewegung“, und so gehen uns zum Beispiel die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission in Teilaspekten noch nicht weit genug. Kurzum: Wir arbeiten weiter daran, dem Ziel einer europäischen Finanzaufsicht näherzukommen.

Zum anderen: Immer wieder haben wir private Banken uns für eine schlagkräftige, gut ausgestattete und qualifizierte – und dementsprechend bezahlte – nationale Bankenaufsicht ausge-sprochen. Die Marktteilnehmer finanzieren den Etat der Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht (BaFin) – und zwar „ohne Murren“. 700 zusätzliche Stellen sind seit der Gründung der BaFin im Jahre 2002 geschaffen worden. Nötig sind aber vor allem marktgerechte Gehälter. Diese fordern wir seit langem, um die BaFin auch mit hinreichend qualifiziertem Personal auszustatten. Die Antwort der Politik ist zu oft wenig ermutigend: Es sei schwierig, heißt es immer wieder, das Bundesbesoldungsrecht zu ändern. Andere Länder sind da weiter.

Und schließlich: Auch international sind wir für eine umfassende, zeitgemäße, intelligente Regulierung. Die privaten Banken tragen die G20-Leitlinie – kein Markt, kein Produkt, kein Marktteilnehmer ohne angemessene Aufsicht – voll und ganz mit.

Ein zweiter Vorwurf lautet: „Die Banken haben nichts gelernt aus der Krise und gehen über zum ‚Business as usual’“. Aber Tatsache ist: Die Banken ziehen Konsequenzen aus der Krise und ihren eigenen Fehlern. Nur ein Beispiel: Der Bankenverband hat in den vergangenen Tagen Leitlinien für die Anlegerberatung vorgestellt. Damit setzt der Bankenverband Standards für die Geldanlage im Privatkundengeschäft. Warum? Weil wir wissen, dass Vertrauen verspielt wurde.

Unter dem Stichwort „nichts gelernt“ werden immer wieder auch die Renditeziele der Banken genannt. Die Debatte lässt dabei regelmäßig völlig offen, ob eine Vorsteuer- oder Nachsteuer- Rendite gemeint ist. Aber vor allem: Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang Werner Wenning, den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, zitieren: „Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland lag von 1994 – 2007 bei 32 %, 2007 sogar 37 %.“ Soviel zum Thema „Gier der Banken“.

Damit komme ich zu einem Kernpunkt der Diskussion: Banken gelten vielen als Alleinverantwortliche der Finanzmarktkrise. Noch einmal: Wir Banken tragen einen wesentlichen Teil der Verantwortung, ohne Zweifel. Aber es wäre zu einfach, die ganze Schuld auf einen Sündenbock zu laden. Die Ursachen der Krise liegen eben doch nicht zuletzt in den USA. Die Stichworte lauten: George Bush und seine „Ownership Society“, die laxe US-Geldpolitik nach Platzen der Dotcom- Blase, eine zersplitterte Aufsicht, unzureichende Kreditvergabestandards in den USA, Rating- Agenturen, auf deren Urteil sich Banken zu sehr verlassen haben. Aber nur eine Analyse der Krise ohne Vorbehalte schützt vor einer Wiederholung des Desasters! Wir brauchen daher ein vollständiges Bild der Ursachen. Kurzum: Zu eigenen Fehlern zu stehen heißt nicht, über die Fehler anderer schweigen zu müssen.

Wir wollen offene Kommunikation und haben nichts zu verbergen. Banken brauchen Sie, die Medien, und auch die kritische Begleitung der Wissenschaft. Dies setzt Transparenz voraus. Ich freue mich daher sehr, dass eine private Bank diese Konferenz unterstützt. Austern sind eben nützliche Tiere. Das Etikett „verschlossene Auster“ ist zu ertragen, wenn man es gewohnt ist, „Heuschrecke“, „Monster“, „Bankster“, „Gangster“, „Halbstarker“ oder „Pyromane“ genannt zu werden.

Aber im Ernst, ich kann Ihnen nur anbieten: Nehmen Sie mich beim Wort. Prüfen Sie unsere Transparenz. Sie sind im Bankenverband herzlich willkommen. Als Journalisten, als Wissenschaftler, als kritische Begleiter unserer Arbeit.

 

Gegenrede von Manfred Weber (6 S., 42 KB) [PDF]