Newsletter Netzwerk Recherche 242 vom 28.02.2025
Liebe Kolleg:innen,
ihr seid wahrscheinlich auch noch dabei, das Wahlergebnis zu verdauen. Nichts daran ist überraschend. Aber zehn Millionen Menschen, die denken, Rechtsextremismus sei doch irgendwie eine gute Idee, ist schon ein moralischer wie politischer Tiefschlag. Ich pauschalisiere hier, zugegeben. Viele wählen die AfD nicht, weil sie Rechtsextremismus gut finden. Nur muss man leider festhalten: Sie finden Rechtsextremismus auch nicht schlimm genug, um nicht die AfD zu wählen.
Für uns Medienschaffende, für viele unserer Medien und für die Medienfreiheit ist die extreme Rechte eine Bedrohung. Ein Blick in die USA führt uns das ganz praktisch vor. Das Nachrichtenportal Axios hat gerade eine Übersicht publiziert, wie die Trump-Regierung gegen traditionelle Medien und gegen die Medienfreiheit vorgeht. Wir wissen, wie Medien in anderen Ländern mit Rechtsdrall schon unter Beschuss waren und sind.
Selbst in Deutschland ist ein Diskurs gegenüber Medien zu beobachten, der ein sehr ungutes Gefühl hinterlässt. Von weit rechtsaußen wird der sogenannte „Deep State“ beschworen – ein aus den USA übernommener Kampfbegriff gegen alles zivilgesellschaftliche und progressive Organisationen, die sich angeblich des Staates bemächtigt hätten. Und nun befeuert die Union das Narrativ. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen vom 21. Februar stellt sie in 551 Fragen unter anderem die „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ unter Verdacht, Correctiv – und Netzwerk Recherche. In Frage 479 heißt es zum Beispiel: „Werden von dem Netzwerk Recherche e.V. gezielt politische Gegner diskreditiert oder diffamiert, und wenn ja, welche und wie beurteilt die Bundesregierung dies vor dem Hintergrund der Förderung?“ Und das ist nur eine der 33 Fragen zu uns. Wir haben eine Stellungnahme dazu veröffentlicht.
Manche Kolleg:innen berichteten zuletzt, sie litten schon in ihren eigenen Redaktionen unter einer rechten Diskursverschiebung. Viele fühlen sich damit alleine und hilflos. Aber wenn schon die politische Situation ein Gefühl der Hilflosigkeit auslösen kann, ist es umso wichtiger, sich damit im eigenen Medium nicht allein zu fühlen. Wenn die eigene Redaktion nicht der Schutzraum ist, dann sind es vielleicht Gruppen und Grüppchen darin oder ein organisierter Austausch mit Kolleg:innen anderer Medien. Ich bin mir aber sicher, dass insbesondere die Netzwerk Recherche Tagung im Juni ein guter Ort für Austausch und Entwicklung journalistischer Ideen zu dem Thema sein wird.
Eine Sache, die angesichts der komplizierten Lage unterzugehen droht, ist der Blick auf die Entwicklung der Erderhitzung. Klimathemen rangieren in der gesellschaftlichen Betrachtung wie in vielen Redaktionen derzeit zwischen nervig und moralisch verwerflich. Nicht zuletzt damit die Kolleg:innen, die sich dem Thema widmen, nicht entmutigt werden, gibt es dieses Jahr wieder den Deutschen Preis für Klimajournalismus, verliehen von Netzwerk Recherche und Netzwerk Klimajournalismus. Die Preisverleihung findet auf der Jahrestagung statt.
Dort sehen wir uns dann hoffentlich!
Eure
Barbara Junge