Verschlüsselung von Messenger-Diensten nicht aushebeln!

Offener Brief an den Rat der Europäischen Union, das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium des Innern

Netzwerk Recherche und Reporter ohne Grenzen wenden sich heute in einem offenen Brief gegen das Vorhaben, Messenger-Dienste zu verpflichten, Generalschlüssel zur Überwachbarkeit von verschlüsselten Chats und Nachrichten anzulegen:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, sehr geehrter Herr Bundesminister,
sehr geehrte Mitglieder des Rats der Europäischen Union,

angesichts der jüngsten Terroranschläge hat die deutsche Ratspräsidentschaft einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem „technische Lösungen“ gefordert werden, um „den zuständigen Behörden im Bereich der Sicherheit und des Strafrechts“ den Zugang zu verschlüsselter Kommunikation zu ermöglichen. Wir schreiben Ihnen, um unsere Besorgnis über die angestrebte Ausarbeitung eines Regulierungsrahmens zum Ausdruck zu bringen, der die Integrität von Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messengerdiensten in Frage stellen und damit das Recht auf Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten und ihren Quellen gefährden würde.

Die im Resolutionsentwurf des Ministerrates benannte „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“ ist ein Widerspruch in sich selbst. Verschlüsselung funktioniert entweder ausnahmslos, oder sie funktioniert gar nicht. Eine funktionierende Verschlüsselung, die nur für die Sicherheitsbehörden eine Ausnahme schafft, ist nicht denkbar und nicht möglich. Jedes technische Mittel des Zugriffs auf verschlüsselte Kommunikation würde die Vertraulichkeit der Daten aller Nutzerinnen und Nutzer schwächen und die Bürger und Dienste einem erhöhten Risiko von Angriffen durch Hacker und ausländische Geheimdienste aussetzen, selbst wenn die vorgeschlagene Lösung „den Prinzipien der Legalität, Transparenz, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit“ entsprechen würde. Weiterlesen

Der Cybersoldat im Cyberkrieg

Panel „Was hat Snowden mit uns gemacht? – Und was machen wir mit Snowden?“ mit Luke Harding, Katja Gloger, Elmar Theveßen, Georg Mascolo und Moderatorin Annette Dittert (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Ein gutes Jahr ist nach Edward Snowdens Enthüllungen vergangen, ein Jahr in dem das Thema die Berichterstattung so bestimmt hat wie kein anderes. Unter Leitung von Moderatorin Annette Dittert diskutieren Journalisten zum Thema „Was hat Snowden mit uns gemacht? – Und was machen wir mit Snowden?

Georg Mascolo, Leiter des Rechecherverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, sagt: Journalisten haben durch Snowdens Enthüllungen festgestellt, dass „jede Email, jeder Anruf ein Risiko ist“. Dies sei ein „Zustand, der untragbar ist“. Das System der NSA sei kein Einzelfall, denn es „ist ein Prinzip, dass alle Staaten anwenden – nicht nur die USA“.

Für die USA ist Snowden kein Whistleblower. Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF sagt: „Aus Sicht der USA ist Snowden ein Fahnenflüchtiger“. Fahnenflüchtiger? Das klingt nach Krieg: „Edward Snowden ist ein Cybersoldat im Cyberkrieg der USA, ein Munitionssammler im Netz“, fügt Georg Mascolo hinzu. Weiterlesen

Was ist uns Recherche wert? USA und Deutschland im Vergleich

Vor einigen Jahren bereits wurde in den USA und in Deutschland der Tod des Investigativjournalismus‘ vorhergesagt. Bis Wikileaks und die Snowden-Dokumente veröffentlicht wurden. Heute liegt im Investigativen Journalismus die große Hoffnung der Journalismus. Vier Größen beider Länder blicken zurück und nach vorn.

Panel „Was ist uns Recherche wert? – USA und Deutschland im Vergleich“ mit Georg Mascolo, Seymour Hersh, Moderatorin Brigitte Alfter, Monika Bäuerlein und Andrew Lehren (Foto: Wulf Rohwedder)

Deutsche Investigativjournalisten haben einen guten Ruf als die ‚vierte Macht‘, sind untereinander aber gnadenlos. Dagegen heisst es von den US-Amerikanern, sie wühlten im Dreck und hinterließen verbrannte Erde – allerdings würden sie untereinander stärker zusammenhalten. So weit die Vorurteile.

Trotz der verschiedenen Kulturen war die Tendenz in beiden Ländern lange Zeit eindeutig: Wer investigativ arbeiten wollte, musste es entweder in seiner Freizeit tun oder seine Arbeit im Hamsterrad verringern, um recherchieren zu können. Wegen Geldmangels und großer Orientierungslosigkeit verblasste der Recherchejournalismus neben vermeintlich ertragreicheren Gattungen. Sowohl in Deutschland, als auch in den USA lagen die Grabreden für den „research journalism“ bereits in den Schubladen. Weiterlesen

„Sie wissen bestimmt, worum es geht“

Panel „Überwachte Journalisten – Wenn Geheimdienste Pressefreiheit und Informantenschutz bedrohen“ mit Stefan Buchen, Andrea Röpke, Marie Delhaes und Moderatorin Julie Kurz (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Wenn Behörden Journalisten zum Zeugen machen wollen – abgehörte Reporter erzählen

Der Anruf kam im September und auf Rügen. Andrea Röpke stapfte gerade durch den Sand und suchte eigentlich den Museums-Eingang zum NS-Koloss Prora. Dann war da diese Nummer auf ihrem Display. Am anderen Ende der Leitung: Maren Brandenburger. Eine halbe Stunde redete sie, die Verfassungsschützerin aus Niedersachsen, mit ihr, der anerkannten Expertin für Neonazismus. Am Ende des Telefonats wusste die Journalistin Andrea Röpke, dass sie überwacht worden war. Eine Stunde blieb ihr da noch, um die richtigen Entscheidungen für ihre journalistische Zukunft zu treffen. Weiterlesen

Ein Saal voller Extremisten

Panel „Pressefreiheit in Zeiten der Massenüberwachung – Netzdissidenten im Exil berichten“ mit Alexa O’Brien, Moderator Christian Mihr und Sarah Harrison (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Christian Mihr kommt gleich zur Sache. „Wer von Ihnen hat schon einmal ‘Tor’ verwendet?“ Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen schaut fragend ins Publikum. Etwa die Hälfte der Anwesenden hebt die Hand. „Tja, dann sind Sie wohl Extremisten.“ Das Publikum lacht. Erst am Vortag ist bekannt geworden, dass die NSA gezielt Deutsche ausspäht, die sich im Internet mit Verschlüsselungssoftware beschäftigten. Mihr moderiert die Veranstaltung „Pressefreiheit in Zeiten der Massenüberwachung“ und sein ironisch gemeinter Einstieg zeigt deutlich: Überwachung betrifft jeden.

Die beiden Frauen, die neben Mihr auf dem Podium sitzen, kennen sich mit diesem Thema besonders gut aus: Sarah Harrison und Alexa O’Brien. Harrison ist eine führende Mitarbeiterin von Wikileaks; im Sommer 2013 begleitete sie Edward Snowden auf seinem Flug von Hongkong nach Moskau. Auch O’Brien ist durch ihre investigativen Recherchen weltweit bekannt geworden. Sie begleitete unter anderem den Prozess um Chelsea Manning und legte dazu ein umfassendes Online-Archiv an. Weiterlesen